(Rowohlt, 256 S., Tb.)
Eigentlich heißt er ja Mathias Halfpape, der Heinz,
aber seit seiner 1992 veröffentlichten Tonträger-Produktion „Spaß mit Heinz“
hat sich der in (Bad) Bevensen geborene und bei Harburg aufgewachsene Musiker
und Autor das Pseudonym Heinz Strunk zugelegt, das er bis heute nicht
mehr ablegen sollte. Mittlerweile hat Strunk etliche Solo-CDs, CDs mit Studio
Braun, Fraktus und Künstlern wie Stephan Remmler, Revolverheld und Yasmin
K. produziert, als Schauspieler und Drehbuchautor gearbeitet sowie Romane
und Erzählungen veröffentlicht. Seinen literarischen Durchbruch feierte Strunk
mit seinem 2004 veröffentlichten Debütroman „Fleisch ist mein Gemüse“,
mit dem Strunk seine Zeit als Musiker in einer Unterhaltungskapelle verarbeitete.
1985. Der dreiundzwanzigjährige Heinz Strunk leidet seit elf
Jahren unter der schlimmsten Form der Akne und lebt noch bei seiner Mutter, als
er eines Augustnachmittags einen Anruf seines entfernten Bekannten Jörg bekommt,
der in Lüneburg das kleine Musikgeschäft Ohrenschmaus unterhält und ihm
einen Job als Saxofonist bei der Tanzband Tiffanys vermittelt. Die sucht
für ein Schützenfest in Moorwerder noch einen fünften Mann, am liebsten mit
Saxofon, wie Heinz von Bandleader Gundolf „Gurki“ Beckmann erfährt. Immerhin
winken sechshundert Mark für zwei Tage. Heinz, der von seinen Musikerkollegen
schnell „Heinzer“ genannt wird, bewährt sich und hofft, nach seiner
eineinhalbjährigen Bundeswehrzeit endlich eine Karriere als Vollzeitmusiker im
Pop-Business einschlagen zu können, auch wenn die Neue Deutsche Welle bereits
in ihren letzten Zügen lag. Doch mit seinen Kollegen Norbert, Torsten, Jens und
Gurki heißt es erst einmal, Schützenfeste, Feuerwehrbälle und Hochzeiten zu
bespielen. Immerhin gibt es kostenloses Essen und Trinken, aber in Sachen
Frauen tut sich leider absolut gar nichts. Als sich seine psychisch kranke
Mutter aus dem Fenster stürzt und in die Geriatrie verlegt wird, muss Heinzer
nicht nur allein in dem Harburger Reihenhaus klarkommen, sondern verfällt
zusehends dem Alkohol und dem Automatenglücksspiel.
Nur so lässt sich Heinzers andauernder Frust über knappe
Kassen, sinnentleerte Schlagertexte, besoffenes Publikum und mangelnden
Gelegenheiten zum Kennenlernen von Frauen überhaupt aushalten. Trotz aller –
wenn auch halbherziger - Bemühungen wie ein Musiklehrerjob in der Musikschule schafft
es Heinzer auch nach zehn Jahren nicht, seinen Status quo wesentlich zu
verbessern…
„Schrott kombiniert mit Schrott ergibt Vollschrott. Egal, ob wir zur Polyesterthermohose das Eiersweatshirt trugen, die bulgarische Karottenbundfaltenhose mit Drogeriesocken akzentuierten oder den elektrostatisch stark aufgeladenen Vollacrylunterziehrolli mit der aufgerubbelten Trainingshose zu komplettieren versuchten: Wir blieben Lumpenproletariat. Zeltartige Großraumjeans und essbare Einwegkleidung schlugen die letzte Luke zur Sonnenseite des Lebens endgültig und für immer zu.“ (S. 207)
Als Heinz Strunk auf Anraten seiner damaligen
Freundin im Alter von über 40 Jahren sein erstes Buch veröffentlichte, landete
er durch seine Vorstellung in Stefan Raabs Sendung „TV total“ gleich
einen Bestseller, dem viele weitere – wie zuletzt die ebenfalls verfilmten
Romane „Jürgen“ und „Der goldene Handschuh“ – folgen sollten. „Fleisch
ist mein Gemüse“ beschreibt auf kurzweilige Weise genau das Leben junger
Erwachsener im Tanzkapellen-Geschäft, wie man es sich gemeinhin auf dem Lande
vorstellt.
Ganz ungeniert berichtet Strunk von seiner tatsächlichen schweren
Akne-Erkrankung, seinem zunehmend unmotivierten Engagement bei Tiffany’s
(die im Roman zu Tiffanys wurden) und den Fehlschlägen hinsichtlich
angestrebter Fraueneroberungen, so dass regelmäßig selbst abgemolken oder entsaftet
werden musste. Die ausufernden Spiegeleier-Gelage nach den Auftritten sorgten
schließlich für genügend Material zur Sperma-Produktion. Strunk gelingt
es, das Lebensgefühl in den 1980er Jahren ebenso anschaulich wie amüsant
darzustellen, wobei die Auftritte abgehalfteter Stars wie den One-Hit-Wonder-Acts
Taco und Gombay Dance Band genüsslich durch den Kakao gezogen
werden, während die effektive Professionalität von Klaus & Klaus oder
Witzeerzähler Fips Asmussen neidlose Bewunderung erfährt. Natürlich wird
sich über Dorftrottel in Gummistiefeln auf Schützenfesten ebenso hergezogen wie
über dümmliche Schlagertexte, aber vor allem gefällt „Fleisch ist mein
Gemüse“ durch die authentische Darstellung des Alltags Landkapellen-Musikern.
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