Jeffery Deaver – (Lincoln Rhyme: 16) „Die Rache des Uhrmachers“

Samstag, 28. Juni 2025

(Blanvalet, 480 S., HC)
Zwar hat der ehemalige Zeitungsautor und Rechtsanwalt Jeffery Deaver bereits Ende der 1980er Jahre das Schreiben zu seiner Hauptbeschäftigung gemacht, doch erst mit dem ersten, 1997 veröffentlichten und später von Phillip Noyce mit Denzel Washington und Angelina Jolie erfolgreich verfilmten Thriller „Der Knochenjäger“ dem US-Amerikaner der internationale Durchbruch. Auch wenn Deaver zwischendurch immer wieder für sich stehende Thriller und weitere Romanreihen veröffentlichte, stehen nach wie vor die Thriller um den seit einem tragischen Arbeitsunfall querschnittsgelähmten forensischen Ermittler Lincoln Rhyme und seiner Assistentin/Frau Amelia Sachs im besonderen Fokus. In dem mittlerweile 16. Fall für das ungewöhnliche Ermittler-Duo haben es Rhyme und Sachs erneut mit dem Uhrmacher zu tun, der ihnen seit „Der gehetzte Uhrmacher“ immer mal wieder das Leben schwer gemacht hat.
Vor vier Monaten ist ein Unbekannter in das New Yorker Bauamt eingebrochen und hat eine Vielzahl von digitalen Dokumenten zur Infrastruktur heruntergeladen – Baupläne, Grundriss und technische Zeichnungen – sowie einige Ausdrucke der Dateien mitgenommen. Bislang haben sich die Befürchtungen von NYPD und Homeland Security aber nicht bewahrheitet, dass hinter dem Diebstahl ein geplanter Terrorakt stehen könnte. Doch dann kippt aus zunächst unerklärlichen Gründen ein Kran auf einer Großbaustelle an Manhattans Upper East Side um, tötet einen Menschen und verletzt sechs weitere. Wenig später erhält der Bürgermeister eine E-Mail mit der Forderung an die Stadt, ein gemeinnütziges Unternehmen zu gründen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Solange die in der Mail erwähnten Liegenschaften nicht übertragen worden sind, wird New York City alle 24 Stunden einen verheerenden Unfall erleben. Vom Kommunalka-Projekt, dem Verfasser der Mail, hat noch niemand etwas gehört. Während die Polizei alle weiteren Großbaustellen in der Stadt und vor allem die installierten Baukräne unter strenger Beobachtung hält, gehen Rhyme und Sachs mit Hilfe des ambitionierten Nachwuchs-Forensikers Ron Pulaski u.a. der These nach, ob der oder die Täter die Grundstückspreise nach unten drücken wollen, um günstig an die interessanteren Projekte zu gelangen. Der Täter hat den Kran mit der äußerst aggressiven Flusssäure präpariert, die sich auch durch Beton frisst. Während der weiteren Ermittlungen gerät vor allem der Abgeordnete Stephen Cody in den Fokus, da dessen Text aus einem Positionspapier auf seiner Internetseite von den Erpressern zitiert worden ist. Für echte Beunruhigung sorgt allerdings die Tatsache, dass Charles Vespasian Hale alias der Uhrmacher in der Stadt ist und einmal mehr Lincoln Rhyme nach dem Leben trachtet…

„Läufer und Türme und Bauern … Ich sehe die Züge unserer Schachpartie, Charles. Sie erfolgen – wie stets bei dir – mit der Präzision eines Uhrwerks, ökonomisch und ohne zu zögern. Auf schwarze Felder und auf weiße Felder. Läufer und Türme und Bauern … Ein Feld, zwei, zehn … Doch was ich nicht verstehe, Charles, ist deine Strategie. Wie soll ich auf diesen oder jenen Zug reagieren, ohne im Mindesten zu wissen, wie du meinen König angreifen willst?“ (S. 232)

Jeffery Deaver erweist sich auch in seinem 16. Abenteuer mit Lincoln Rhyme und Amelia Sachs als routinierter Thriller-Autor, der mit einem sauber recherchierten, extrem durchstrukturiert, zum Ende hin aber auch übermäßig konstruiert wirkenden Plot überzeugt. Die ungewöhnliche Ausgangssituation mit den sabotierten Baukränen in New York City, die faszinierende Sammlung und Auswertung der Spuren und Beweise sowie die geschilderten technologischen Möglichkeiten, mit ausgefeilten Überwachungssystemen gefühlt jede Bewegung einer verdächtigen Person nachvollziehen zu können, sowie die wechselnden Perspektiven der Ermittler auf der einen und der Täter auf der anderen Seite sorgen für fesselnde Unterhaltung, bei der einzig die emotionalen Momente zu kurz kommen. In dieser Hinsicht geraten Rhyme und Sachs tatsächlich zu Nebenfiguren, denn ihre persönliche Beziehung wird überhaupt nicht thematisiert. Stattdessen rückt Ron Pulaski in den Vordergrund, der sich nach einem von ihm verschuldeten Unfall der Innenrevision stellen muss und um seine berufliche Zukunft als möglicher Nachfolger von Lincoln Rhyme bangt. Dafür überzeugt die wendungsreiche Handlung, bei der der Uhrmacher erneut zu großer Form aufläuft.

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