(Blanvalet, 480 S., HC)
Zwar hat der ehemalige Zeitungsautor und Rechtsanwalt Jeffery
Deaver bereits Ende der 1980er Jahre das Schreiben zu seiner Hauptbeschäftigung
gemacht, doch erst mit dem ersten, 1997 veröffentlichten und später von Phillip
Noyce mit Denzel Washington und Angelina Jolie erfolgreich
verfilmten Thriller „Der Knochenjäger“ dem US-Amerikaner der
internationale Durchbruch. Auch wenn Deaver zwischendurch immer wieder für
sich stehende Thriller und weitere Romanreihen veröffentlichte, stehen nach wie
vor die Thriller um den seit einem tragischen Arbeitsunfall querschnittsgelähmten
forensischen Ermittler Lincoln Rhyme und seiner Assistentin/Frau Amelia Sachs im
besonderen Fokus. In dem mittlerweile 16. Fall für das ungewöhnliche
Ermittler-Duo haben es Rhyme und Sachs erneut mit dem Uhrmacher zu tun, der ihnen
seit „Der gehetzte Uhrmacher“ immer mal wieder das Leben schwer gemacht
hat.
Vor vier Monaten ist ein Unbekannter in das New Yorker Bauamt
eingebrochen und hat eine Vielzahl von digitalen Dokumenten zur Infrastruktur
heruntergeladen – Baupläne, Grundriss und technische Zeichnungen – sowie einige
Ausdrucke der Dateien mitgenommen. Bislang haben sich die Befürchtungen von
NYPD und Homeland Security aber nicht bewahrheitet, dass hinter dem Diebstahl
ein geplanter Terrorakt stehen könnte. Doch dann kippt aus zunächst unerklärlichen
Gründen ein Kran auf einer Großbaustelle an Manhattans Upper East Side um,
tötet einen Menschen und verletzt sechs weitere. Wenig später erhält der
Bürgermeister eine E-Mail mit der Forderung an die Stadt, ein gemeinnütziges
Unternehmen zu gründen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Solange die in der
Mail erwähnten Liegenschaften nicht übertragen worden sind, wird New York City
alle 24 Stunden einen verheerenden Unfall erleben. Vom Kommunalka-Projekt, dem Verfasser
der Mail, hat noch niemand etwas gehört. Während die Polizei alle weiteren
Großbaustellen in der Stadt und vor allem die installierten Baukräne unter
strenger Beobachtung hält, gehen Rhyme und Sachs mit Hilfe des ambitionierten Nachwuchs-Forensikers
Ron Pulaski u.a. der These nach, ob der oder die Täter die Grundstückspreise
nach unten drücken wollen, um günstig an die interessanteren Projekte zu gelangen.
Der Täter hat den Kran mit der äußerst aggressiven Flusssäure präpariert, die sich
auch durch Beton frisst. Während der weiteren Ermittlungen gerät vor allem der
Abgeordnete Stephen Cody in den Fokus, da dessen Text aus einem Positionspapier
auf seiner Internetseite von den Erpressern zitiert worden ist. Für echte
Beunruhigung sorgt allerdings die Tatsache, dass Charles Vespasian Hale alias
der Uhrmacher in der Stadt ist und einmal mehr Lincoln Rhyme nach dem Leben
trachtet…
„Läufer und Türme und Bauern … Ich sehe die Züge unserer Schachpartie, Charles. Sie erfolgen – wie stets bei dir – mit der Präzision eines Uhrwerks, ökonomisch und ohne zu zögern. Auf schwarze Felder und auf weiße Felder. Läufer und Türme und Bauern … Ein Feld, zwei, zehn … Doch was ich nicht verstehe, Charles, ist deine Strategie. Wie soll ich auf diesen oder jenen Zug reagieren, ohne im Mindesten zu wissen, wie du meinen König angreifen willst?“ (S. 232)
Jeffery Deaver erweist sich auch in seinem 16.
Abenteuer mit Lincoln Rhyme und Amelia Sachs als routinierter Thriller-Autor,
der mit einem sauber recherchierten, extrem durchstrukturiert, zum Ende hin
aber auch übermäßig konstruiert wirkenden Plot überzeugt. Die ungewöhnliche Ausgangssituation
mit den sabotierten Baukränen in New York City, die faszinierende Sammlung und
Auswertung der Spuren und Beweise sowie die geschilderten technologischen
Möglichkeiten, mit ausgefeilten Überwachungssystemen gefühlt jede Bewegung einer
verdächtigen Person nachvollziehen zu können, sowie die wechselnden Perspektiven
der Ermittler auf der einen und der Täter auf der anderen Seite sorgen für
fesselnde Unterhaltung, bei der einzig die emotionalen Momente zu kurz kommen.
In dieser Hinsicht geraten Rhyme und Sachs tatsächlich zu Nebenfiguren, denn
ihre persönliche Beziehung wird überhaupt nicht thematisiert. Stattdessen rückt
Ron Pulaski in den Vordergrund, der sich nach einem von ihm verschuldeten
Unfall der Innenrevision stellen muss und um seine berufliche Zukunft als
möglicher Nachfolger von Lincoln Rhyme bangt. Dafür überzeugt die wendungsreiche
Handlung, bei der der Uhrmacher erneut zu großer Form aufläuft.
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