(Suhrkamp, 396 S., Tb.)
Bevor Don Winslow seit Mitte der 2000er Jahre zunächst
mit der Kartell-Trilogie („Tage der Toten“, „Das Kartell“ und „Jahre
des Jägers“), der Danny-Ryan-Reihe („City on Fire“, „City of Dreams“
und „City in Ruins“) und Romanen wie „Zeit des Zorns“ und „Kings
of Cool“ zu einem der prominentesten Thriller-Autoren avancierte, bewies er
bereits mit der Reihe um Neal Carey und anderen Werken, dass er thematisch und
stilistisch breit aufgestellt ist. Das demonstrierte vor allem auch die 2008
veröffentlichte Roman „Dawn Patrol“, der eine packende Krimi-Handlung in
der Surferszene von Kalifornien einbettete.
Pacific Beach, Kalifornien. Hier warten die Mitglieder der
sogenannten „Dawn Patrol“ – Boone Daniels, Hang Twelve, Dave the Love God, Johnny
Banzai, High Tide und Sunny Day – auf die große Wellenfront, eine Brandung, wie
sie nur alle zwanzig Jahre vorkommt. Doch der Ex-Cop Boone Daniels, der zwar für
sein Leben gern surft, aber auch als Privatdetektiv seinen Lebensunterhalt zu
verdienen versucht, muss seine Lieblingsbeschäftigung stark einschränken, als
er von der attraktiven Anwältin Petra Hall, deren Kanzlei den
Stripclub-Besitzer Dan Silver vertritt, der außerdem noch eine Reihe von Lagerhäusern
besitzt, von denen eins kürzlich abgebrannt ist. Das Versicherungsunternehmen will
nicht zahlen, weil es von Brandstiftung ausgeht, denn Tammy Roddick, eine von
Silvers Tänzerinnen, mit denen er ein Verhältnis unterhielt, will gesehen
haben, wie Silver selbst das Lagerhaus abgefackelt hat. Doch bevor Tammy vor
Gericht aussagen kann, wird ihre Leiche an einem Hotel-Swimming-Pool aufgefunden,
nachdem sie aus unerklärlichen Gründen vom Balkon gestürzt war. Die Tote wird
allerdings nicht als Tammy identifiziert, sondern als ihre Freundin Angela
Hart. Als Boone zusammen mit der Anwältin die Umstände von Angelas Tod und dem
Verbleib von Tammy auf den Grund geht, stößt er auf einen Ring von
Mädchenhändlern…
„Was ich gesehen habe, denkt Boone. Ich habe die Welt von einer Welle heraus gesehen, das Universum in einem einzigen Wassertropfen. Sie haben keine Ahnung von der Welt da draußen. Bald wird die Sonne aufgehen, die Dawn Patrol wird rauspaddeln, die großen Wellen angehen, Sunny wird ihre Chance nutzen. Er wäre gern mit ihnen da draußen, wäre gern für immer und ewig dort draußen. Aber es gibt Sonnenaufgänge, die man alleine beobachten muss.“ (S. 354)
„Pacific Private“ – so der etwas unglückliche deutsche
Titel von „Dawn Patrol“ – ist alles andere als ein klassischer
Kriminalroman. Don Winslow nimmt sich nicht nur viel Zeit, um die
Hintergründe der Dawn-Patrol-Mitglieder, die Beziehung zwischen Boone und Sunny
und natürlich die Untersuchung zum Mord an Angela Hart und das Auffinden der
verschwundenen Zeugin Tammy Roddick zu beschreiben, sondern er rekapituliert
auch minutiös, wie die kalifornische Küste zum Surferparadies avancierte, woran
nicht nur gewiefte Immobilienspekulanten, sondern auch Brian Wilson und die
Beach Boys großen Anteil hatten. Wer also nur eine spannende Krimihandlung
erwartet, könnte angesichts der unterhaltsam aufbereiteten
Hintergrundgeschichte gelangweilt sein. Aber wer Don Winslow als stilistisch
großartigen Erzähler schätzt, wird an der authentisch vermittelten Atmosphäre ebenso
seinen Spaß haben wie an der bedrückenden Krimihandlung. Ein Jahr später folgte mit „Pacific Paradise“ sogar
noch eine Fortsetzung.
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