Carlos Ruiz Zafón – „Marina“

Samstag, 30. April 2011

(S. Fischer, 350 S., HC)
Der fünfzehnjährige Óscar Drai lebt in einem Internat auf den Hügeln über Barcelona. Die drei Stunden Freizeit bis zum Abendbrot nutzt der aufgeweckte Junge, um die Stadt zu erkunden und durch die Gassen zu steifen. Vor allem das Viertel Sarriá mit seinen oft verlassenen Herrschaftsvillen hat es ihm angetan. Als er eines Nachmittags im September 1979 eine der Jugendstilvillen betritt, ist Óscar wie hypnotisiert von einer Musik, die ein Grammophon spielt, und als er eine Gestalt im Sessel wahrnimmt, flieht er panisch aus dem Haus, noch immer die defekte Uhr in der Hand haltend, die er neben dem Grammophon liegen sah.
Nach einigen Tagen plagen Óscar jedoch Gewissensbisse, und er will die mit einer geheimnisvollen Gravur versehene Uhr zurückbringen. Dabei lernt er Marina kennen, die in etwas gleichaltrige Tochter von Germán, dem die Uhr zu gehören scheint. Fortan streifen Óscar und Marina gemeinsam durch Barcelonas Straßen und entdecken in einem Gewächshaus unvollständige Marionetten und ein Fotoalbum mit missgebildeten Menschen. Óscar verbringt immer mehr Zeit mit Vater und Tochter, erfährt von ihrer tragischen Lebensgeschichte, die ihn nur noch mehr an die beiden bindet.
„Oft studierte ich Germán und Marina, wenn sie mich nicht beachteten. Spielend, lesend oder einander schweigend am Schachbrett gegenübersitzend. Das unsichtbare Band zwischen ihnen, diese abgeschiedene Welt, die sich fern von allem und allen erreichtet hatten, war ein wunderbarer Zauber. Eine Fata Morgana, die ich manchmal mit meiner Gegenwart zu zerstören fürchtete. Es gab Tage, da ich mich auf dem Rückweg ins Internat als glücklichsten Menschen der Welt empfand, da ich diese Welt teilen durfte.“ (S. 88)
Óscar wird noch tiefer in die Geschichte ihrer Familie hineingezogen, als er am Bahnhof einen Brief jener schwarzen Dame überreicht bekommt, die Marina und Óscar bereits auf dem Friedhof von Sarriá entdeckt haben. So kommen sie einem Mann auf die Spur, dessen Geschichte von hehren Träumen, einer großen Liebe, Luxus und Reichtum, Intrigen, Schmerz, Krankheit und Verlust geprägt ist. Je mehr sie den Hinweisen folgen, die ihnen durch verschiedene Quellen zugänglich gemacht werden, gerät vor allem Óscar in lebensbedrohliche Situationen und wird selbst mit Krankheit, Tod und Verlust konfrontiert.
Bevor der spanische Schriftsteller Carlos Ruiz Zafón mit „Die Schatten des Windes“ weltweit die Bestsellerlisten eroberte, hat er 1999 mit „Marina“ seinen – so der Autor - „persönlichsten“ Roman veröffentlicht, der nun erstmals in der Form das Licht der Öffentlichkeit erblickt, wie sich Zafón das immer gewünscht hat. Die Geschichte, die aus der Sicht eines fünfzehnjährigen Jungen erzählt wird, ist voller Wunder und Gefahren, lehrt den jungen Helden aber auch die Schätze von Freundschaft und einer Art erster Liebe. All das hat Zafón in der ihm eigenen poetischen Sprache niedergeschrieben, die das Lesen zu einem kurzweiligen Vergnügen macht. Vor allem die Freundschaft des Jungen zu Marina und ihrem Vater ist eindrucksvoll gelungen, dagegen wirkt die Detektivgeschichte, in die die beiden Teenager geraten, etwas zu dramatisch und phantastisch.
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