Robert R. McCammon – „Nach dem Ende der Welt“

Samstag, 6. April 2024

(Knaur, 524 S., Tb. / Festa, 450 und 370 S., Tb.) 
Stephen Kings 1978 veröffentlichtes Weltuntergangs-Szenario „The Stand – Das letzte Gefecht“ zählt nicht nur zu den frühesten, bekanntesten, sondern auch umfangreichsten Werken des „King of Horrors“ und erschien zunächst in gekürzter Fassung, ehe 1990 mit der gewachsenen Popularität des Autors eine um 400 Seite längere ungekürzte Fassung veröffentlicht wurde. Robert R. McCammon avancierte in den 1980er Jahren mit Romanen wie „Höllenritt“, „Blutdurstig“ und „Wandernde Seelen“ zu einem ernst zu nehmenden Horror-Autor aus der zweiten Reihe, der 1987 mit „Swan Song“ seine eigene apokalyptische Vision auf den Markt brachte. 
Nachdem Knaur 1988 eine vom „Kollektiv-Druckreif“ übersetzte und gekürzte Version unter dem Titel „Nach dem Ende der Welt“ auf den deutschen Markt gebracht hatte, ließ Festa 2015 eine neu übersetzte und zweibändige, vollständige Neuauflage folgen, die die Schwächen der deutschen Erstveröffentlichung allerdings auch nicht ausmerzen konnte. 
Als sich die USA von einer sowjetischen Atom-U-Boot-Flotte vor ihren Küsten bedroht sieht, lässt sich der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika von seinen militärischen Beratern zu einem atomaren Präventivschlag gegen die UdSSR überreden und sorgt so für die atomare Apokalypse, die mit einem Schlag Milliarden von Menschenleben vernichtet und unzählige weitere mit schweren Verbrennungen und anderen Gebrechen zurücklässt. 
Währenddessen macht sich der Catcher Josh(ua) „Black Frankenstein“ Hutchins nach seinem überraschenden Sieg gegen Johnny Lee Richwine auf dem Weg nach Garden City in Kansas und die neunjährige Sue „Swan“ Wanda flieht mit ihrer Mutter Darleen vor dem gewalttätigen Tommy nach Blakeman im Nordwesten von Kansas, als sich der Himmel über ihnen verdunkelt. Unter den wenigen Überlebenden befindet sich auch die obdachlose, regelmäßig über die baldige Wiederkunft Jesu in seinem Raumschiff predigende Sister Creep, die durch Zufall die Auslöschung Manhattans überlebt hat. Zusammen mit einem Schuhverkäufer namens Artie macht sie sich auf den langen und gefährlichen Weg nach Detroit, um Arties Frau zu finden. Durch Zufall findet sie einen scheinbar magischen Glas-Ring, der ihr einen Rest von Hoffnung beschert. 
Zunächst unbeschadet überleben der 14-jährige Roland Croninger und sein Vater Phil die nukleare Katastrophe in dem von Colonel Macklin geleiteten Earth House, das zwar zum Schutz vor einem Atomkrieg errichtet worden ist, allerdings etliche Baumängel aufweist. Roland ist von dem charismatischen, allerdings auch traumatisierten Kriegshelden fasziniert und schließt sich der „Glorreichen Armee“ des Colonels an, der immer mehr Anhänger um sich zu scharen versteht und einen beispiellosen Raubzug durch die wenigen noch verbliebenen Städte des Landes organisiert. Ihr Ziel ist der Ort Mary’s Rest, wo Sister, Swan und Josh nach ihrer gemeinsamen Reise nach sieben Jahren ein wenig Hoffnung verbreiten können, weil das Mädchen über die beeindruckende Gabe verfügt, selbst dem trostlosesten Boden wieder Leben einzuhauchen. Doch das personifizierte Böse bedroht auch die letzte Bastion der Überlebenden… 
„Sister und Josh unterhielten sich darüber, was für eine Kreatur der Mann mit dem scharlachroten Auge sein könnte. Sie war sich unklar, ob sie an einen gehörnten und gabelschwänzigen Teufel glauben sollte, aber sie kannte das Böse gut genug. Wenn er nach ihnen sieben Jahre gesucht hatte, hieß das, dass er nicht alles wusste. Er war sicher listig, und vielleicht waren seine Eingebungen messerscharf, vielleicht konnte er das Gesicht wechseln, wie er wollte, vielleicht die Menschen mit einer Berührung in Flammen setzen, aber er war dümmlich und machte Fehler. Und vielleicht war seine größte Schwäche die Überzeugung, dass er verdammt viel schlauer sei als ein menschliches Wesen.“ (S. 368) 
37 Jahre nach seiner ursprünglichen Veröffentlichung scheint McCammons „Swan Song“ von erschreckender Aktualität zu sein, denn angesichts des andauernden Angriffskriegs der Russen gegen die Ukraine und den blutigen Auseinandersetzungen in Gaza sowie der drohenden erneuten US-amerikanischen Präsidentschaft von dem Mann mit der komischen Frisur wirkt das Szenario eines atomaren Krieges gar nicht so weit hergeholt. 
McCammon lässt seine Geschichte in einer vom Zeitpunkt des Schreibens nicht allzu entfernten Zukunft spielen und malt das erschreckende Bild internationalen Wettrüstens, dem Ausbreiten von terroristischen Organisationen einerseits und der wachsenden Armut und der Hungernöte auf der ganzen Welt andererseits. Vor diesem Hintergrund formieren sich nach der weitreichenden nuklearen Zerstörung in den USA zwei Lager, die auf einen großen Endkampf zwischen Gut und Böse hinsteuern. Während Colonel Macklin in den sieben Jahren nach der atomaren Zerstörung mit dem jungen Roland Croninger einen effizienten Vollstrecker heranwachsen sieht, der sich als „Ritter des Königs“ sieht und skrupellos seine Ziele verfolgt, um für die Glorreiche Armee mehr Nahrungsmittel, Wasser und vor allem Waffen und Munition zu besorgen, entwickelt sich das Mädchen Swan zu einer Führerin mit lebensspendenden Kräften. 
An Stephen Kings Meisterwerk „The Stand“ reicht „Swan Song“ lang nicht heran. Dafür hat McCammon zu wenig Sorgfalt bei der Zeichnung seiner zahlreichen, oft eindimensional und klischeehaften wirkenden Figuren walten lassen. Auch der Plot ist nicht stringent entwickelt und wirkt stark episodenhaft, so dass kaum eine dramaturgisch gefällige Spannung aufgebaut wird. 
Die übernatürlichen Elemente forcieren zwar den ausgeprägten Dualismus, wären aber nicht nötig gewesen, um die Geschichte überzeugend erzählen zu können. So hat sich McCammon mit „Nach dem Untergang der Welt“ zwar viel vorgenommen und überzeugt auch sprachlich, doch die nicht sehr gelungene Konstruktion des Endkampfs zwischen Gut und Böse bleibt ein Makel, das auch die erweiterte Neuübersetzung nicht in den Griff bekommt.


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