Don Winslow – (Danny Ryan: 1) „City on Fire“

Montag, 13. Juni 2022

(HarperCollins, 398 S., HC) 
Der in New York geborene und in Rhode Island aufgewachsene Don Winslow avancierte vor allem durch seine 2005 begonnene epische Kartell-Saga („Tage der Toten“, „Das Kartell“, „Jahre des Jägers“) zum internationalen Krimi-Bestseller-Autor, der seine Schriftsteller-Laufbahn mit einer Reihe um den Privatdetektiv Neal Carey begonnen hatte. Seither sind etliche weitere Romane entstanden, fürs Kino adaptiert worden (u.a. durch Oliver Stone) und Jahre ins Land gezogen. Mit nunmehr 68 Jahren will Winslow das Schreiben zugunsten seines Kampfes gegen Donald Trump aufgeben und legt mit „City on Fire“ den Auftakt seiner letzten Trilogie vor. 
Rhode Island im August 1986. So wie schon ihre Väter zieht es Danny Ryan und seine Frau Terri, Jimmy und Angie Mac, Pat und Sheila Murphy sowie Liam Murphy mit seiner derzeit angesagten Flamme von Dogtown jeden Sommer nach Goshen Beach. Sie alle sind in Providence aufgewachsen, wo sie im selben Viertel leben wie ihre Eltern und sich fast täglich sehen. Doch diesen Sommer läuft einiges aus dem Ruder. Als Danny sieht, wie eine atemberaubend schöne Frau aus dem Wasser steigt, ist dies der Anfang einer Kette von Ereignissen, die mehr als nur einen Bandenkrieg auslöst. 
In Dogtown herrschen strenge Regeln, die Geschäftsbereiche der Gewerkschaften, Schmuggel, Prostitution, Drogen und Glücksspiel sind fair zwischen den Iren und Italienern aufgeteilt. Danny, der als Einzelkind aufwuchs, nachdem seine Mutter das Weite gesucht hatte, als er noch ein Baby war, fühlte sich seit jeher bei der Großfamilie der Murphys wohl und hat es geschafft, durch die Heirat mit Terri Teil der Familie zu werden, während sein Vater Marty, der einst das Sagen in Dogtown hatte, zunehmend dem Alkohol verfiel. Der Alkohol sorgt auch auf dem Strandfest des italienischen Paten Pasco Ferry für einen Eklat. 
Als Paulie aus dem Moretti-Clan mit der Strandschönheit namens Pam bei der Party auftaucht, grabscht der angetrunkene Heißsporn Liam Paulies Freundin an die Brust und wird von Paulie anschließend krankenhausreif geschlagen. Dort bandelt ausgerechnet Pam mit dem Verletzten an und gießt so noch mehr Öl in das Feuer in dem drohenden Bandenkrieg zwischen den Iren und den Italienern. Als sich die Nachricht in einer Bar herumspricht und Frankie Vecchio von der Moretti-Crew Wind davon bekommt, erschießt Paulie den Mann, der sich auf seine Kosten lustig gemacht hat, und setzt so eine Spirale der Gewalt in Gang, die weit über Dogtown hinaus für ungeliebte Aufmerksamkeit sorgen könnte. 
Liam heuert einen Killer von außerhalb an, um Paulie auszuschalten, worauf alle Dämme brechen. FBI-Agent Jardine versucht vergeblich, die Protagonisten des Bandenkrieges als Informanten zu gewinnen, doch verfolgt er auch seine eigene Agenda. Die Nachricht, dass Terri einen bösartigen Tumor in der Brust hat, zwingt Danny zu einem waghalsigen Coup… 
„Er weiß, dass er auf den Rand einer Klippe zuspaziert, aber irgendwie kann er seine Füße nicht dazu bringen anzuhalten – links, rechts, links, rechts -, immer weiter auf den Abgrund zu. Es ist, als würde ihn etwas antreiben, etwas außerhalb seiner selbst, das sich seiner Kontrolle entzieht.“ (S. 324) 
Don Winslow, der schon in seiner Kindheit die antiken Epen von Homer und Virgil verschlang, setzt den drei Teilen seines neuen Romans jeweils Zitate aus deren Werken „Aeneis“ und „Ilias“ voran und schlägt so die Brücke von der Antike zur Neuzeit. Im Gegensatz zu dem Kontinent umspannenden Epos um den Drogenkrieg lässt Winslow den Auftakt seiner neuen Trilogie fast ausschließlich in Dogtown spielen, entfesselt auf engstem Raum aber ein höllisches Inferno mit unzähligen Beteiligten. 
Dabei skizziert Winslow meist nur kurz, wer mit wem gegen wen intrigiert und kontraktiert, hält sich nicht lange mit Charakterisierungen seiner Figuren auf, sondern lässt sie einfach ihrer Geschäfte nachgehen, die immer mehr aus dem Ruder laufen. Die Gier nach Macht, nach Selbstbestätigung und Absicherung der Familie entwickelt sich zu einem furios inszenierten Schlagabtausch, bei dem keiner dem anderen mehr trauen kann und jeder versucht, das Beste aus der zunehmend verfahrenen Situation zu machen. 
Mit emotional berührenden Momenten geht der Autor sehr sparsam um. Da versucht Dannys mittlerweile zu Reichtum gekommene Mutter ihre Versäumnisse nachzuholen, indem sie all ihren Einfluss nutzt, um Danny und Terri alles Mögliche zur Unterstützung zukommen zu lassen, während Danny wiederum versucht, seinem Kind eine Zukunft zu bieten, die nicht auf einer Sünde aufgebaut ist, und seinen Vater in Sicherheit vor der Rache der Italiener zu bringen. 
Davon abgesehen schildert Winslow in leicht verständlicher Sprache in hohem Tempo ein Labyrinth der Gewalt, das er allerdings nicht übermäßig ausschlachtet. Dafür ist es umso faszinierender, wie eine einzelne Figur so eine zerstörerische Kettenreaktion auslösen kann, die niemand zu stoppen in der Lage zu sein scheint. Mit einer Leseprobe zu „City of Dreams“ darf man sich als Leser auch schon auf das nächste Kapitel der Trilogie einstimmen, während Sony und 3000 Pictures bereits an einer Verfilmung von „City on Fire“ arbeiten.  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen