(Ullstein, 384 S., Pb.)
Seit im Zuge des im Oktober 2017 veröffentlichten Missbrauchsskandals um den einflussreichen Hollywood-Produzent Harvey Weinstein die #metoo-Bewegung auf das Ausmaß sexueller Belästigung und Übergriffe aufmerksam machte, ist das Thema nicht nur weitgehend im Feuilleton der Medien, sondern ist längst auch in Filmen und Büchern abgehandelt worden. Insofern entspricht der Debütroman der gebürtigen Französin, in London lebenden Laure van Rensburg den Zeitgeist. Ein großer Wurf ist ihr mit dem Psychothriller, mit dem die Autorin ihre eigenen Erfahrungen mit dem Thema verarbeitet hat, aber nicht gelungen.
Der renommierte Literaturprofessor Steven und die Collegestudentin Ellie sind seit sechs Monaten ein Paar, weshalb Ellie zu ihrem kleinen Jubiläum ein abgelegenes Haus in Chesapeake Bay fürs Wochenende gemietet hat. Es soll ihre erste, aber unvergessliche Reise zusammen sein, ihr erstes gemeinsames Wochenende nur zu zweit. Ellie hat Dostojewskis „Die Dämonen“ in der Hoffnung mit eingepackt, etwas Zeit zum Lesen und so Material für das Essay über den russischen Dramatiker zu finden. Steven denkt vor allem an hemmungslosen Sex, wird aber durch nervende SMS seiner ehemaligen Liebschaft J. abgelenkt.
Steven ist der Sohn des berühmten Stewart Harding, aus dessen Schatten er nie heraustreten wird können, und hat während seiner akademischen Karriere immer wieder die Colleges wechseln müssen, wartet nach wie vor auf den erhofften Karrieresprung und eine Festanstellung an einer renommierten Universität. Das häufige Wechseln seiner Dozentenstellen ermöglichte Steven allerdings, die lockeren Affären mit seinen Studentinnen unkompliziert beenden zu können. Erst mit Ellie hat er eine erste ernsthafte Beziehung begonnen, die an diesem Wochenende gefestigt werden soll. Von der eisigen Kälte und dem Schnee lassen sie sich nicht die Laune verderben, auch wenn die geplanten Spaziergänge am Strand dadurch ins Wasser fallen. Schließlich kann man die Zeit vor dem kuschelig warmen Kamin auch auf genussvolle Weise verbringen.
Doch nach ein paar Drinks am Abend wird Steven ohnmächtig und wacht an einen Rollstuhl gefesselt wieder auf. Zunächst glaubt er, dass ein Außerstehender Steven und Ellie in seine Gewalt gebracht hat, vielleicht der rothaarige Mann, den er mal mit Ellie zusammen gesehen hat. Dass Ellie für dieses Theater verantwortlich sein soll, kann er sich zunächst nicht vorstellen, doch dann konfrontiert sie ihn sukzessive mit seinen bisherigen Verfehlungen, von denen Ellie letztlich auch betroffen worden war…
„Trotz der Drogen und Fesseln fühlt er sich immer noch sicher und wiegt sich in dem Glauben, dass er mich kennt, dass ich keine Bedrohung darstelle. Ich bin doch Ellie, seine schüchterne Freundin, das Mädchen, das rot wird, wenn er Komplimente macht, das Mädchen, das ihm immer seinen Willen lässt, bei dem sich alles um ihn dreht. Die harmlose, durchschaubare Ellie, über die man nicht länger nachdenken muss. Er ist so arglos, so geblendet vom Glanz seiner Selbstsicherheit, dass er sich nicht mal gefragt hat, woher zum Teufel dieser Rollstuhl kommt.“
Wie Laure van Rensburg in ihren ausführlicher Danksagung am Ende ausführt, ist „Nur du und ich“ von eigenen Erfahrungen unsittlicher Übergriffe geprägt, doch stellt ihr Debütroman alles andere als einen wertvollen Beitrag zur anhaltenden #metoo-Debatte dar. Indem sie das Thema auf einen reißerischen Psycho-Thriller mit unsympathischen wie unglaubwürdigen Figuren heruntergebrochen hat, fügt sie der Diskussion um die weithin auch strukturelle Diskriminierung von Frauen keinen gewinnbringenden Beitrag hinzu.
Dabei lässt sie Ellie geschickt als Ich-Erzählerin auftreten, während Stevens Perspektive in der dritten Person geschildert wird. Die beabsichtige Identifizierung des Lesers bzw. vor allem der Leserin mit Ellie funktioniert allerdings nicht, da sehr schnell deutlich wird, dass Ellie nur noch von zerstörerischer Rache getrieben ist, die in ihren Mitteln vor nichts zurückschreckt.
Auf der anderen Seite ist Steven ein echtes Klischee-Arschloch, der erst durch Ellie mit seinen früheren Verfehlungen konfrontiert wird. Die Entwicklung der Beziehung ist ebenso unglaubwürdig gezeichnet wie die obligatorische Wendung zum Ende des ersten Tages. Danach wird aus den jeweiligen Erinnerungen von Steven und Ellie die eigentliche Struktur ihrer Beziehung charakterisiert.
Indem „Nur du und ich“ zunehmend zum effektheischenden Selbstjustiz-Drama wird, verliert das eigentlich dominierende Diskriminierungs-Thema merklich an Bedeutung. Da hilft auch das Mittel nicht weiter, neben Steven und Ellie eine dritte – zunächst namenlose – Person von ihrer enttäuschten Liebe zu Steven einzubringen.
Natürlich steht weder außer Frage, dass Steven die oft noch minderjährigen Studentinnen missbraucht hat, noch dass die Diskussion über Gewalt gegenüber Frauen jeglicher Art nicht aus der Öffentlichkeit verschwinden darf, bis das Problem gelöst ist, aber für eine überzeugende Thematisierung in einem Psycho-Thriller gehört weit mehr als ein unglaubwürdig konstruiertes Duell zwischen schwach gezeichneten Charakteren.
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