John Katzenbach – „Die Komplizen“

Freitag, 1. Juli 2022

(Droemer, 622 S., Pb.) 
Als Sohn einer Psychoanalytikerin und des ehemaligen US-Justizministers Nicholas Katzenbach hat John Katzenbach die Voraussetzungen für eine spätere Karriere als international erfolgreicher Thriller-Autor quasi in die Wiege gelegt bekommen. Einen weiteren bedeutenden Baustein hat er durch seine Tätigkeit als Gerichtsreporter erworben. Gleich sein erster, 1982 veröffentlichter Thriller „In the Heat of the Summer“ wurde 1985 mit Kurt Russell unter dem Titel „Das mörderische Paradies“ verfilmt und 1988 erstmals auf Deutsch veröffentlicht. Seither veröffentlicht Katzenbach regelmäßig Bestseller, die weitere Vorlagen für Filme wie „Im Sumpf des Verbrechens“ und „Das Tribunal“ boten und auch hierzulande eine große Lesergemeinde für sich gewinnen konnten. 
Allerdings konnte der US-Amerikaner nicht immer die hohe Qualität von Thrillern wie „Die Anstalt“ und „Der Patient“ aufrechterhalten. Teilweise wirken die Plots zu konstruiert, dann schleichen sich allzu viele Längen ein, und die Figurenzeichnung ist nicht so sorgfältig, wie es Katzenbachs Vorkenntnisse nahelegen würden. Mit seinem neuen Roman „Die Komplizen“ nimmt uns der Autor auf die dunklen Seiten des Internets, in dem auf einmal für eine ganze Reihe von Protagonisten tödliche Gefahren lauern. 
Ein im Darknet kursierender Chatroom, dessen fünf anonyme Mitglieder sich einfach als Alpha, Bravo, Charlie, Delta und Easy bezeichnen und ihren virtuellen Treffpunkt nach ihrem berühmten Vorbild Jack the Ripper „Jack’s Boys“ nennen, tauschen sich gerade über neueste Erkenntnisse zur Erkennung von Fingerabdrücken aus, als sie die Nachricht erhalten, dass ein User namens Socgoal02 dem Chat beigetreten ist. Doch der Unbekannte belässt es nicht nur bei dem unbefugten Eintreten in die an sich streng gesicherte Privatsphäre der hier versammelten Serienkiller, sondern macht sich auch noch über ihr krankes Verhalten lustig. 
Dabei sucht der Collegestudent Connor Mitchell, der seine Freizeit vorzugsweise als Torwart einer Fußballmannschaft und mit seiner Freundin Niki Templeton verbringt, in den Tiefen des Internets eigentlich nur nach Spuren des Mannes, der vor Jahren als betrunkener Autofahrer den Unfalltod seiner Eltern verursacht hat. Jack’s Boys kennen in dieser Hinsicht allerdings keinen Spaß und finden schnell heraus, wer sich hinter dem großmäuligen Eindringling verbirgt. Schon hecken sie einen minutiösen Plan aus, wie sie sowohl Socgoal02 und seine zwei Häuser weiter wohnende Freundin, eventuell auch deren Alt-Hippie-Eltern und Socgoal02s Großeltern töten können. Der zur Ausübung der Tat auserkorene Bravo schafft es zwar, das junge Paar zu überrumpeln, zu fesseln und Niki einen tödlichen Medikamenten-Cocktail zu verabreichen, doch dann betritt Connors Großvater gerade noch rechtzeitig die Szenerie. Der ehemalige Marine löscht das Leben des Eindringlings mit drei Schüssen aus seiner Magnum aus und lässt seine Kameraden, die das Geschehen per Videokamera verfolgten, entsetzt zurück. Zu allem Überfluss wird auch noch Easy, der die Aktion vor Ort vorbereitet hat, verhaftet, nachdem er im Motel mit der Kreditkarte eines seiner Opfer bezahlen wollte. 
Während die Polizei anschließend im Dunkeln tappt, da Connor und Niki nur einen Teil der Geschichte erzählt haben, treffen Connor, Niki und Ross Vorbereitungen, sich nicht noch einmal so überrumpeln zu lassen, denn ihnen ist schmerzlich bewusst, dass sie nur vorläufig mit dem Leben davongekommen sind. 
„In diesem Moment wäre Alpha am liebsten ein wild um sich schießender Selbstmordattentäter gewesen. Texas Tower. Columbine. Las Vegas. Ein Amokläufer an einer Schule mit einem Manifest. Ein verdrossener, gut bewaffneter Angestellter, der über den Laden herfällt, der ihn gefeuert hat. Oder ein religiöser Fanatiker, von dem Gedanken besessen: Jesus will, dass ich alle töte. Oder Allah. Welcher Gott gerade zupasskommt.“ (S. 331) 
Für „Die Komplizen“ hat Katzenbach an sich einen interessanten Plot entwickelt, der zum einen die allseits lauernden Gefahren thematisiert, die im Internet potentiell die Identität all jener bedrohen, die sich dort bewegen, zum anderen einen von seiner Anonymität geprägten Killer-Club ins Spiel bringt, deren Mitglieder in „Jack’s Special Place“ ihren belanglosen Alltag vergessen und sich den besonderen Kick verschaffen können. 
Katzenbach wechselt immer wieder die Perspektiven zwischen den einzelnen bzw. immer wieder miteinander vernetzten Killern und ihren vermeintlichen Opfern, wobei Nikis Eltern nahezu außen vor bleiben und der Fokus immer wieder zwischen Connor und Niki, dem im Oktober von Depressionen geplagten Vietnam-Veteran Ross und seiner Frau, der Krankenschwester Kate, wechselt. Allerdings krankt der umfangreiche Thriller nicht nur an Längen (von denen Katzenbachs Lektor offensichtlich schon einige entfernt hat, wie der Autor in seiner Danksagung erwähnt), sondern an der kaum überzeugenden Charakterisierung gerade der Killer. Vor allem die ständig eingeflochtenen Monologe und teilweise auch die Dialoge wirken so banal und gestelzt, dass die Figuren wie Karikaturen von Killern wirken. Auf der anderen Seite stellen Connor, Niki und ihre jeweiligen Familien natürlich die Sympathieträger dar, die in Todesgefahr über sich hinauswachsen. Bei der Konfrontation zwischen Jack’s Boys und ihren Opfern sorgt Katzenbach zwar für Spannung, überspannt aber immer wieder den Bogen der Glaubwürdigkeit, was vor allem im Finale deutlich zum Ausdruck kommt.  

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