Dan Simmons – „Die Feuer von Eden“

Sonntag, 19. Juni 2022

(Goldmann, 444 S, Tb.) 
Mit seinen ersten drei Romanen „Song of Kali“, „Carrion Comfort“ („Kraft des Bösen“) und „Hyperion“ avancierte Dan Simmons Ende der 1980er in den USA, mit den nachfolgenden deutschen Übersetzungen Anfang der 1990er Jahre auch hierzulande zu einem ernstzunehmenden Horror- (und Science-Fiction-)Schriftsteller, der in einem Atemzug mit seinem Bewunderer Stephen King („Dan Simmons schreibt wie ein Gott… Ich kann kaum sagen, wie sehr ich ihn beneide.“) und Kollegen wie Clive Barker, Peter Straub und Dean Koontz genannt wurde. Während die meisten von Dan Simmons‘ Werken in Deutschland vom Heyne Verlag verlegt werden, bildete „Die Feuer von Eden“ 1997 den Auftakt seines Intermezzos bei Goldmann, wo wenig später auch der Abschluss seiner „Hyperion“-Quadrologie mit den beiden „Endymion“-Bänden und die beiden Thriller „Fiesta in Havanna“ und „Das Schlangenhaupt“ erschienen. 
Der 38-jährige US-amerikanische Immobilien-Milliardär Byron „Big T.“ Trumbo versucht, den Zusammenbruch seines Imperiums aufzuhalten, indem er seine ebenso riesige wie defizitäre Ferienanlage auf Hawaii an den japanischen Milliardär Hiroshe Sato verkauft, der dort ein exklusives Golf-Resort errichten will. Doch die Verhandlungen stehen unter einem schlechten Stern, denn nach bereits sechs spurlos verschwundenen Gästen von Trumbos „Mauna Pele“-Ferienhotel werden nun drei weitere Golfer vermisst. 
Trumbo veranlasst seinen dortigen Hotelmanager, Stephen Ridell Carter, den Vorfall wenigstens vierundzwanzig Stunden lang nicht zu melden. Während Trumbo von New York aus seine japanischen Gäste nun direkt nach Hawaii auf seine Ferienanlage fliegen lässt, um die Verhandlungen abzukürzen, häufen sich die beunruhigenden Nachrichten. Dazu zählt der gleichzeitige Ausbruch zweier Vulkane, die Freilassung des hawaiischen Separatisten Jimmy Kahekili und die Ankündigung, dass nicht nur Trumbos gierige Ex-Frau Caitlin mit ihrem Anwalt, sondern auch seine beiden Geliebten Maya und Bicki unabhängig voneinander das „Mauna Pele“ aufsuchen wollen. Unter den wenigen Gästen der Ferienanlage befindet sich die Collegeprofessorin Dr. Eleanor Perry, die einem Geheimnis ihrer Tante Lorena „Kiddie“ Stewart nachspüren will. 
In ihren Tagebüchern schreibt sie von geheimnisvollen Dingen, die sie 1886 während ihrer Reise nach Hawaii in Begleitung des Reiseschriftstellers Samuel Clemens alias Mark Twain erlebt hat. Eleanor freundet sich mit der krebskranken Cordie Stumpf an und wird tiefer in die Mythologie der Insel eingeführt, als sie sich je erträumt hat. Dass sie kurz nach ihrer Ankunft in dem Ferienresort einem schwarzen Hund mit menschlichen Zähnen und einer Hand im Maul begegnen, ist nur der Anfang einer Kette von zutiefst verstörenden Ereignissen… 
„Mr. Clemens zog sich höher hinauf, so dass ich ihn nicht mehr sehen konnte. Einen Moment lang war ich allein mit den leuchtenden Geistern, die mir hierhergefolgt waren, unter ihnen auch der Eingeborene Kaluna, dessen trauriges Gesicht die einzige Regung zeigte, die ich im Geisterreich von Milu gesehen hatte. Plötzlich begann mein Puls zu rasen, und ich wirbelte herum, so als hätte sich etwas in den Schatten bewegt. Bilder von Pana-ewa tauchten vor meinem geistigen Auge auf, aber dort im Lavatunnel war keine Echse, kein Wesen aus Nacht und Nebel.“ (S. 373)
Dan Simmons fackelt mit „Die Feuer von Eden“ ein wahres literarisches Feuerwerk ab. Ähnlich wie in seinen zuletzt erschienenen semidokumentarischen Dramen „Terror“, „Der Berg“ und „Drood“ nimmt der Autor eine historische, vielmehr literarische Fußnote – in diesem Fall Mark Twains 25 „Briefe von den Sandwich Inseln“ (1866) sowie Werke, die sich mit der Mythologie der Vulkaninsel Hawaii auseinandersetzen - als Ausgangspunkt für ein Horror-Drama, das den Leser immer tiefer in die Welt der haole-Geister, des Kampfes zwischen dem in Gestalt eines Ebers auftretenden Kamapua’a und der Göttin Pele hineinzieht. 
Geschickt verwebt Simmons die aktuellen Ereignisse, die sich um die millionenschweren Verhandlungen um „Mauna Pele“ drehen und immer mehr Opfer hervorbringen, mit den Ereignissen, die in Tante Kiddies Tagebüchern beschrieben werden. Simmons gelingt es nicht nur, die uns so fremdartig erscheinende Mythologie der Hawaiianer lebendig vor Augen zu führen, sondern vor allem mit Trumbo, Elizabeth und Cordie drei interessante Figuren in den Mittelpunkt zu stellen, die wunderbar charakterisiert und jeweils mit einer ganz eigenen Art von Humor ausgestattet worden sind. Die Mischung aus Abenteuer-, Horror- und Katastrophen-Thriller macht „Die Feuer von Eden“ zu einem ebenso vergnüglichen wie nervenaufreibenden Werk, das innerhalb von Simmons‘ Oeuvre leider viel zu wenig bekannt ist. 

 

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