Henning Mankell – (Kurt Wallander: 10) „Mord im Herbst“

Donnerstag, 27. Oktober 2022

(Zsolnay, 144 S., HC) 
Die Kurt-Wallander-Reihe des schwedischen Bestseller-Autors Henning Mankell zählt fraglos zu den großen Erfolgsgeschichten der skandinavischen Kriminalliteratur, die mittlerweile auch aus dem deutschen Buchmarkt nicht mehr wegzudenken ist. Doch nach zehn Romanen ging Wallander 2010 mit „Der Feind im Schatten“ zumindest in literarischer Hinsicht in Rente. Bis zu seinem Tod im Jahr 2015 verspürte Mankell nicht mehr den Wunsch, seinen mittlerweile international berühmten Kommissar wiederzubeleben. Dafür schob er 2013 mit „Mord im Herbst“ noch eine letzte Wallander-Geschichte nach, die ihren Ursprung in einer niederländischen Aktion hatte, wo 2004 im Monat des spannenden Buchs zu jedem gekauften Kriminalroman ein Gratis-Buch ausgegeben wurde. 
Mankell erklärte sich bereit, die Geschichte dafür zu liefern. Erst nahezu zehn Jahre später gab der Schriftsteller die Veröffentlichung auch für den schwedischen Markt frei, nachdem ihm die Verkörperung seiner Figur durch Kenneth Branagh in der Verfilmung der Geschichte durch BBC so gut gefallen hatte. 
Ende Oktober 2002 erhält Kurt Wallander an seinem freien Tag einen Anruf von seinem Kollegen Martinsson, der ihm ein Haus auf dem Land nicht weit von Löderup zur Besichtigung anbietet. Seit sein Vater gestorben ist, denkt Wallander immer wieder daran, aus der Mariagatan im Zentrum von Ystad auszuziehen und sein Leben zu verändern, indem er aufs Land zieht und sich einen Hund anschafft. Doch als sich Wallander auf dem Grundstück umsieht, stolpert er fast über eine skelettierte Hand, die leicht aus dem Boden ragt. Bei der Untersuchung des Tatort stoßen die Polizisten nicht nur auf die dazugehörige Leiche einer Frau, die zum Zeitpunkt ihres Todes gut fünfzig Jahre alt war, sondern auch auf die eines Mannes. Die Frau wurde offenbar gehängt, der Mann erschlagen. Allerdings liegen die beiden Körper seit vielen Jahren dort, was die Aufklärung des Verbrechens schwierig macht, zumal keine Personen in dem Alter als vermisst gemeldet wurden. 
Also versuchen es Wallander und seine Kollegen, darunter auch seine Tochter Linda, mit den Grundbucheinträgen und möglichen Zeitzeugen, die allerdings schwer aufzutreiben sind… 
„Wallander hatte schon vor vielen Jahren gelernt, dass Geduld mit sich selbst eine der vielen Tugenden war, über die ein Polizist verfügen sollte. Es gab immer Tage, an denen nichts geschah, an denen eine Ermittlung festgefahren war und sich weder vorwärts noch rückwärts bewegte. Dann brauchte man Geduld, um den Moment abzuwarten, in dem das Problem zu lösen war.“ (S. 97) 
Auch wenn „Mord im Herbst“ als zehnte Wallander-Erzählung gilt, lässt sie sich doch kaum mit den zehn Romanen vergleichen, mit denen Mankell in kurzer Zeit die internationale Krimi-Welt begeistert hat. Das liegt vor allem in der Kürze von gerade mal 120 Seiten, in denen nur kurz die Opfer und die an ihnen verübten Verbrechen skizziert werden und dann trotz lange fehlender Anhaltspunkte der Fall recht schnörkellos aufgeklärt wird. Da bleibt kein Raum für ausschweifende Charakterisierungen, philosophische und sozialkritische Betrachtungen und die alltäglichen Hürden minutiöser Polizeiarbeit. Einzig Wallanders Wunsch nach einem Haus auf dem Land und die nicht immer leichte Beziehung zu seiner Tochter, mit der er zusammenlebt, bringen eine persönliche Note in die Geschichte, ansonsten reduziert Mankell die Geschichte wirklich auf das Nötigste. 
Das mag als literarische Übung interessant erscheinen, lässt allerdings jegliche Spannung vermissen. Weit informativer ist das Nachwort des Autors, der die Gelegenheit wahrnimmt, um zu rekapitulieren, wie er die Figur Kurt Wallander erfand, über welche Eigenschaften er verfügen sollte und wie er zu einer sehr menschlichen Identifikationsfigur wurde, die sich vor allem immer wieder über die offensichtliche Zerrüttung der Sitten und Moral in Schweden beklagte. 
Für Wallander-Fans ist „Mord im Herbst“ schon wegen des Nachworts ein Muss, auch wenn das Vergnügen sehr kurz bemessen ist. 

 

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