Jim Thompson – „Ein Satansweib“

Dienstag, 7. Juni 2022

(Diogenes, 226 S., Tb.) 
Jim Thompson hat sich nicht nur als Drehbuchautor für Stanley Kubricks Meisterwerke „Wege zum Ruhm“ und „Die Rechnung ging nicht auf“ einen Namen gemacht, sondern vor allem als Autor gnadenloser Hard-boiled-Krimis, die nichts für schwache Gemüter sind. Dabei verwendet er zwar die Konventionen des Noir-Genres, verleiht ihnen aber stets einen eigenen Dreh und unterläuft so geschickt die Erwartungshaltung des Lesers. Der 1954 am Ende seiner produktivsten Phase entstandene Roman „A Hell of a Woman“, der 1988 zunächst unter dem Titel „Höllenweib“ bei Ullstein erschienen war, wurde 1996 in neuer Übersetzung als „Ein Satansweib“ durch Diogenes wiederveröffentlicht. 
Als Handelsvertreter für die Pay-E-Zee-Kette tingelt Frank „Dolly“ Dillon mit seinem Musterkoffer von Haustür zu Haustür und versucht seinen potentiellen Kunden überteuerten Ramsch anzudrehen, den sie sich oft genug nur per Ratenzahlung leisten können. Dillon ist nicht nur von dem Job und seinem Chef Staples angeödet, sondern auch von seiner Frau Joyce, die er für eine nichtsnutzige Schlampe hält. Als er einem säumigen Zahler namens Pete Hendrickson auf der Spur ist, lernt er eine alte, hässliche Vettel kennen, die sich für einen Kasten mit Silberbesteck interessiert und Dillon als Bezahlung die Dienste ihrer hübschen Nichte Mona anbietet. 
Dillon ist sofort hingerissen von dem scheuen Geschöpf und denkt gar nicht daran, das bereits nackte Mädchen zu verführen, was ihn allerdings noch mehr für sie attraktiv macht. Als Dillon wegen seiner Mauscheleien verhaftet wird, ist es tatsächlich Mona, die ihn mit einer Zahlung von dreihundert Dollar auslöst, worauf sie ihm mitteilt, dass ihre Tante noch auf hunderttausend Dollar sitzt. Offenbar hat die geizige Alte einst Mona entführt und die wohlhabenden Eltern um diese Summe erpresst, aber selbst nach dem Tod der Eltern nie etwas von dem Geld angerührt. 
Nachdem Joyce bereits Mann und Haus verlassen hat, sieht Dillon nun die Möglichkeit, mit Mona ein ganz neues Leben anzufangen, doch die Art und Weise, wie die Alte aus dem Weg geräumt werden kann, ohne dass der Verdacht auf Dillon und Mona fällt, will gut überlegt sein. Kompliziert wird es für Dillon, als Joyce wieder in sein Leben zurückkehrt und Staples ihm immer näher auf die Pelle rückt… 
„Er konnte einfach nichts wissen. Die Bullen wussten nichts, wie sollte er etwas wissen? Also worüber zum Teufel regte ich mich auf? Irgendwie war ihm aufgefallen, dass mir ein wenig unbehaglich zumute war. Hatte es bemerkt und sofort angefangen darauf herumzuhacken und versucht, die Wahrheit aus mir herauszusticheln. Er schlug wild um sich, in jede Richtung, in der Hoffnung, dass die blinden Schläge irgendwie treffen würden.“ (S. 168) 
Schon mit dem Titel „A Hell of a Woman“ führt Thompson seine Leser in die Irre, suggeriert er doch die für den Noir so typische Konstellation, dass ein zunächst unbescholtener Mann durch eine Femme fatale zu einer folgenschweren Dummheit verführt wird. Tatsächlich ist die Ausgangssituation hier ähnlich gelagert. Der Ich-Erzähler Dillon gerät aber nicht erst durch die Kenntnis der hunderttausend Dollar auf die schiefe Bahn, auf denen die alte Vettel sitzt, die keine Skrupel besitzt, ihre vermeintliche Nichte für sich zu prostituieren. Dillon ist nämlich kein sympathischer Zeitgenosse, der einfach nur Pech in seinem Leben hatte. Er macht keinen Hehl daraus, dass ihm seine Arbeit keinen Spaß macht, dass ihm seine Frau auf die Nerven geht, dass sein Leben eigentlich nicht lebenswert ist. Durch die Aussicht, bald ein reicher Mann sein zu können, wird das kriminelle Element seiner Natur nur zusätzlich motiviert. 
Thompson macht es seinem Protagonisten auch nicht leicht. Sowohl Joyce als auch Mona entpuppen sich nicht als Traumfrauen, die ewigen Betrügereien drohen Dillon irgendwann das Genick zu brechen, und sein Vorgesetzter Staples hängt wie eine nervige Klette an ihm. Thompson gelingt es immer wieder, dem Plot eine interessante Wendung zu verleihen, doch ist die Geschichte des Losers Dillon nicht so packend gelungen wie viele andere von Thompsons Werken. Das liegt nicht nur an der Sprache, die der Autor seinem Ich-Erzähler angepasst hat, sondern auch der am Ende arg konstruiert wirkenden Aufösung. 

 

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