Jack Ketchum - „Evil“

Montag, 1. März 2010

(Heyne, 334 S., Tb.)
Der 41-jährige David verdient gut an der Wall Street, hat zwei kinderlose Ehen hinter sich und betrachtet sich als erfolgreich, ausgeglichen und großzügig. Doch die schmerzvollen Erinnerungen an den Sommer des Jahres 1958 lassen ihn nicht zur Ruhe kommen. Damals sind die beiden Schwestern Megan und Susan Loughlin aus New York nach dem Unfalltod ihrer Eltern zu ihren Cousins Donny und Willie gezogen. Sie und ihre Mom, Ruth Chandler, wohnten gleich neben David. Ihr Mann Willie senior hat sie irgendwann mit drei Kindern auf einem Haufen Schulden in der Laurel Avenue sitzen gelassen und hat nun nichts Besseres zu tun, als die beiden Neuankömmlinge zu malträtieren.
David wundert sich zwar, dass er Susan gar nicht mehr zu Gesicht bekommt, aber wie grausam es in der Sackgasse zuging, in der aufwuchs, wusste er bereits durch das „Spiel“: Im Apfelgarten hatte der ausgewählte Kommandant die Möglichkeit, mit Äpfeln die Soldaten in ihren Verstecken abzuwerfen, bevor er selbst entdeckt und an einen Apfelbaum gefesselt wurde. Oftmals musste er dort bis zum Abend verharren, und als Denise anfing mitzuspielen, stellten die Jungs auch mehr Sachen mit ihr an, als sie nur an den Baum zu fesseln … Doch das richtige Grauen spielte sich im „Bunker“ ab, jenen Keller, den Willie Chandler senior zu Chruschtschows Zeiten als eine Art Atombunker ausgebaut hat, den die Kinder zum „Erschrecken“ aufsuchten. Als Megan beim Kommandanten-Spiel mitmachen sollte, überschritten die Teenager allerdings einige Grenzen …
In seinem Vorwort zu Jack Ketchums vielleicht besten Romans meint Stephen King, dass Jack Ketchum „für die Leser des Genres zu einer Kultfigur und für Autoren von Horrorgeschichten zu einem Helden geworden ist“. Tatsächlich dürften nur Clive Barker und Richard Laymon ähnlich drastisch und dabei so erfolgreich im Horror-Genre wirken, allerdings kommt bei Ketchum eine „verzweifelte Weltsicht“ hinzu, wie King ebenfalls bemerkt. Bei ihm erscheint die Brutalität, mit der Menschen aufeinander zugehen, erschreckend natürlich, und das macht seine Romane wirklich gruselig.

Jo Nesbø - (Harry Hole: 5) „Das fünfte Zeichen“

Donnerstag, 18. Februar 2010

(Claassen, 490 S., HC)
Ausgerechnet in der Urlaubszeit, die auch das Morddezernat verwaisen lässt, wird Oslo von einer beunruhigenden Mordserie heimgesucht. Erst wird über der Wohnung von Vibeke Knutsen und Anders Nygard eine junge Frau nackt und tot in ihrer Dusche aufgefunden. Ihr linker Zeigefinger wurde abgetrennt, unter einem ihrer Augenlider fand man einen roten Diamanten. Wenig später meldet der Theater-Produzent Willy Barli seine Frau Lisbeth als vermisst, von der kurz darauf der linke Mittelfinger ins Morddezernat geschickt wird.
Dort wird unter Leitung des magenkranken Chefs Møller ein Ermittlungsteam zusammengestellt, bei dem sich der aufstrebende Tom Waaler und der abgehalfterte Harry Hole zusammenraufen müssen. Hole kann es noch immer nicht verwinden, dass seine Kollegin Ellen Gjelten ermordet worden ist, und rollte den Fall noch einmal auf, bis er sogar Waaler verdächtigt hatte. Es folgten vier Wochen Zwangsurlaub, die Hole überwiegend im Suff verbrachte. Erst als die Empfangsdame einer Anwaltskanzlei tot in der Damentoilette ihrer Firma aufgefunden wird und eine Verbindung mit den beiden anderen Fällen hergestellt werden kann, beginnt sich Hole wieder zusammenzureißen und stürzt sich mit gewohnt kriminalistischem Gespür auf die schwierigen Ermittlungen … Mit seinem fünften Fall um den eigenbrötlerischen Kommissar Harry Hole ist dem norwegischen Krimi-Autor Jo Nesbø ein hochkarätiger Thriller gelungen, der die besten Motive skandinavischer Krimi-Tradition und amerikanischen Bestsellern à la Thomas Harris, James Patterson und Jeffery Deaver miteinander vereint.

Håkan Nesser - „Kim Novak badete nie im See von Genezareth“

Mittwoch, 17. Februar 2010

(btb, 287 S., HC)
Nachdem der schwedische Krimi-Autor Håkan Nesser in den letzten Jahren mit seinem Kommissar Van Veeteren ähnlich erfolgreich gewesen ist wie sein Landsmann Henning Mankell mit seinen Kurt-Wallander-Krimis, veröffentlicht der btb-Verlag mit „Kim Novak“ nun einen frühen Roman aus dem Jahr 1998, als Van Veeteren noch nicht auf den Plan getreten war. „Kim Novak“ ist weniger ein klassischer Krimi als die Schilderung von Kindheitserinnerungen.
Im Sommer 1962 verbringen der vierzehnjährige Erik und sein Freund Edmund zusammen mit Eriks älteren Bruder Henry die Ferien in einem Sommerhaus namens Genezareth. Henriks hübsche Freundin Emmy kommt allerdings doch nicht mit. Dafür taucht eines Abends die hübsche Aushilfslehrerin Ewa Kaludis auf, die Verlobte des ehemaligen Handball-Stars Berra Albertsson. Die beiden Jungen, deren Mütter entweder im Sterben liegen oder eine Alkohol-Entziehungskur durchmachen, beobachten eines Nachts die Henry und Ewa beim Liebesspiel und sind gleichermaßen erregt wie verstört. Wenige Tage später findet man ganz in der Nähe im Wald die Leiche von Ewas Verlobtem. Henry wird zwar in Untersuchungshaft genommen, doch kann man ihm den Mord nicht nachweisen. 25 Jahre später ist der unaufgeklärte Mord verjährt.
Erst jetzt kommt die Wahrheit ins Licht. Im Mittelpunkt des brillant geschriebenen Romans steht auch weniger der Mord und das Geheimnis seiner überraschenden Auflösung, sondern die Initiation zum Erwachsenen, die Einführung in die Mysterien von Liebe, Leidenschaft, Sex und Tod.

Håkan Nesser - (Van Veeteren: 9) „Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod“

(btb, 572 S., HC)
Eigentlich wollte sich Hauptkommissar Van Veeteren längst zur Ruhe gesetzt haben und sich nur noch um sein Antiquariat und seine niedliche Enkeltochter kümmern. Doch eines Tages bittet der junge Priester Tomas Gassel den seit vier Jahren permanent vom Dienst befreiten Van Veeteren um ein Gespräch, das dieser wegen eines Zahnarzttermins nicht wahrnehmen kann. Wenig später erfährt der aus der Zeitung, dass der Pfarrer von einem Zug überfahren worden ist, und setzt sich mit Eva Moreno, der ermittelnden Kommissarin, in Verbindung. Etwa zur gleichen Zeit werden Martina Kammerle und dann auch ihre sechzehnjährige Tochter Monica erwürgt aufgefunden.
Da der Name des Pastors auf einem Notizblock im Zimmer des Mädchens gefunden wird, scheinen die Fälle miteinander verknüpft zu sein. Die einzigen Spuren zum Mörder, der weitere Frauen erwürgt, sind aus der Literatur bekannte Namen, derer sich der geheimnisvolle Mörder bedient, und seltene Gedichtbände. Während seine aktiven Kollegen lange Zeit im Dunkeln tappen, verlässt sich Van Veeteren bei seinen eigenen Ermittlungen ganz auf seine Intuition und stößt auf den elitären Universitätszirkel der Sukkulenten. Doch wie soll Van Veeteren den mutmaßlichen Verdächtigen ohne handfeste Beweise überführen? Mit Van Veeterens neunten Fall hat Hakan Nesser endgültig bewiesen, dass er sich vor seinem Bestseller-Kollegen Henning Mankell nicht zu verstecken braucht. Spannend und dazu noch sprachgewandter taucht Nesser wieder tief in die Seele eines Psychopathen ein, lässt zum Schluss aber leider einige wichtige Fragen offen.

Håkan Nesser - (Van Veeteren: 8) „Der Tote vom Strand“

(btb, 352 S., HC)
In seiner schwedischen Heimat genießt Håkan Nesser schon längst einen Ruf als erstklassigen Schriftsteller, der sich hinter Henning Mankell keineswegs zu verstecken braucht. Auch hierzulande haben seine Romane um Kommissar Van Veeteren immer mehr an Popularität gewonnen. Schon die ersten beiden Kapitel seines neuen Romans demonstrieren, warum Nesser so geschätzt wird. Die einleitende Erklärung, dass einem jungen Mädchen der Schädel gespalten wurde, weil sie offensichtlich ihre Pläne geändert hatte, wird von einer kurzen Szene gefolgt, in der der Leser ein Stück weiter ins Geheimnis eingeweiht wird.
Die sechzehnjährige Winnie Maas trifft sich mit ihrem Freund am Strand, erzählt ihm von der Änderung ihrer Entscheidung, worauf dieser eine Idee hat. Szenenwechsel. Der achtzehnjährigen Mikaela soll an ihrem Geburtstag etwas mitgeteilt werden. Auch diesmal bleibt der Leser im Dunkeln. Schließlich soll die 32jährige Kommissarin Ewa Moreno an ihrem ersten Urlaubstag noch dem gerade gefassten Kleinverbrecher Lampe-Leermann ein Geständnis entlocken. Und schon sieht sie sich in einen äußerst mysteriösen Fall verwickelt, bei dem es nicht nur um die verschwundene Mikaela geht, die ihren Vater erstmals nach sechzehn Jahren in der psychiatrischen Anstalt besuchen wollte, sondern auch um zwei ungelöste Mordfälle. Die spannende Story gefällt auch durch den recht poetischen Stil, der das Buch zu einem echten Lesegenuss macht.

Henning Mankell - (Kurt Wallander: 8) „Die Brandmauer“

Dienstag, 16. Februar 2010

(Zsolnay, 576 S., HC)
Ähnlich wie Stephen King einst der Begeisterung für das Horror-Genre den Weg geebnet hat, ist es in den letzten Jahren vor allem dem schwedischen Autor Henning Mankell gelungen, ein breites Interesse an seiner liebenswerten Figur, den Polizeikommissar Kurt Wallander und seinen oft ungewöhnlich brutalen Fällen wachzurufen. Mittlerweile gesellen sich zu den oft gleichzeitig in den Bestsellerlisten befindlichen Krimis die dazu passenden Verfilmungen, wofür auch Mankells neuer Streich prädestiniert sein dürfte.
In „Die Brandmauer“ hat es der schwedische Spürhund gleich mit mehreren ungewöhnlichen Mordfällen zu tun: Ein penibler Mann wird bei einem Abendspaziergang vor einem Bankautomaten ermordet, seine Leiche aus der Pathologie gestohlen und wieder an den Tatort zurück befördert; zwei junge Mädchen überfallen einen Taxifahrer, töten ihn mit einem Küchenmesser und zeigen bei der Verhörung nicht die geringsten Schuldgefühle. Schließlich wird nach einem Stromausfall in ganz Schonen eine verkohlte Leiche in der Transformatorstation gefunden. Wallander kommt einem gewaltigen Computerverbrechen auf die Spur und erlebt dabei, wie sein zerrüttetes Privatleben ebenfalls in die Turbulenzen des schwierigen Falles hinein gezogen wird. Spannende Leseabende sind hier wie immer garantiert.

Henning Mankell - „Kennedys Hirn“

(Zsolnay, 400 S., HC)
Als die Archäologin Louise Cantor aus Griechenland zurückkehrt, um in Schweden einen Vortrag zu halten, will sie ihren 25-jährigen Sohn Henrik besuchen, findet ihn aber tot in seiner Stockholmer Wohnung vor. Doch an Selbstmord will sie trotz der Schlafmittelvergiftung nicht glauben, dazu war es in der Wohnung zu aufgeräumt, und Henrik schlief stets nackt und nicht im Schlafanzug, wie sie ihn vorfand. Für Louise beginnt eine Odyssee, die sie zunächst nach Australien führt, wo sie ihren untergetauchten Ex-Mann Aron sucht und findet.

Mit ihm gemeinsam versucht sie die Bedeutung der Unterlagen zu ergründen, die sie in Henriks Kleiderschrank zum Verschwinden von John F. Kennedys Hirn nach dessen Obduktion gefunden hat. Die Spur führt die beiden nach Barcelona, wo Henrik eine Wohnung unterhielt, dann verschwindet Aron spurlos, Louise zieht es nach Maputo in Mosambik. Da Henrik HIV-positiv war, vermutet Louise, hier die Ursache für Henriks Tod zu finden. Je mehr sie bei Henriks Freunden und Freundinnen nachfragt, umso mehr lernt sie, dass sie ihren Sohn nicht wirklich gekannt hat. Sie selbst muss aber erst einmal das Leben in Afrika und die Mentalität der armen und kranken Menschen verstehen und stößt schließlich auf ein namenloses Asyl für AIDS-Kranke …
Mankell hat, nachdem er mit den Kommissar-Wallander-Romanen abgeschlossen hat, einen packenden Roman geschrieben, der als Krimi getarnt vor allem die sozialen Probleme in Afrika beschreibt und damit auch das Versagen der Industrienationen anprangert.