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Håkan Nesser – (Van Veeteren: 1) „Das grobmaschige Netz“

Samstag, 16. November 2019

(btb/Weltbild, 256 S., HC)
 Als der Gymnasial-Lehrer Janek Mitter morgens um zwanzig nach acht aufwacht, spürt er nur die unangenehmen Nachwirkungen des Saufgelages vom vorigen Abend. Nicht mal an seinen Namen kann er sich erinnern. Immerhin ist er bei sich zuhause, wie ihm erste Schritte durch die Wohnung verraten. Merkwürdig ist nur, dass die Badezimmertür von innen verriegelt ist. Mit einem Schraubenzieher öffnet er die Tür und sieht sich mit einer furchtbaren Entdeckung konfrontiert: Seine Kollegin Eva Ringmar, mit der er seit drei Monaten verheiratet ist, liegt mit seltsam verrenkten Gliedmaßen tot in der Badewanne. JM, wie er üblicherweise genannt wird, wirft zwei weitere Schmerztabletten ein und informiert die Polizei.
Da er vorgibt, unter einem völligen Gedächtnisverlust über den gestrigen Abend zu leiden, wird Mitter als Tatverdächtiger festgenommen, aber auch seinem Anwalt Rüger kann er keine weiteren Angaben machen. Vor Gericht wirkt Mitter seltsam unbeteiligt, was auch Kriminalkommissar Van Veeteren überrascht, der den Prozess eher aus Langeweile verfolgt und schon ans Aufhören denkt. Er gibt sich eine Woche Zeit, der Sache auf den Grund zu gehen, dann kündigt er oder macht zumindest erst einmal Urlaub in Australien. Sein Gefühl, dass irgendetwas merkwürdig an dem Fall ist, trügt Van Veeteren nicht, denn als der Angeklagte verurteilt und in ein Sanatorium eingeliefert, wo ihm seinem Gedächtnis wieder auf den Sprung geholfen werden soll, wird auch er ermordet. Zusammen mit seinem Kollegen Münster nimmt Van Veeteren die wenigen Freunde und Bekannten, vor allem aber das Kollegium der beiden Ermordeten ins Visier. Schon bald kommen die Ermittler zum Schluss, dass der Täter nicht zum ersten Mal getötet hat und sehr persönliche Motive gehabt haben muss. Dabei scheint sich vor allem Evas Vergangenheit zum Schlüssel für die Auflösung zu erweisen …
„Wenn Eva Ringmar eine Schattengestalt war, dann waren die Konturen ihres Mörders noch um einiges vager. Der Schatten eines Schattens war er. Van Veeteren fluchte und biss seinen Zahnstocher entzwei.
Sprach denn überhaupt irgendetwas dafür, dass er auf der richtigen Fährte war? Tappte er denn nicht in mehr als nur einer Hinsicht im Dunkeln? Und was, zum Henker, mochte der Mörder für ein Motiv haben?“ (S. 177) 
Es ist ein ungewöhnlicher Fall, mit dem sich der ausgebrannte Kriminalkommissar Van Veeteren in dem Romandebüt des schwedischen Schriftstellers Håkan Nesser aus dem Jahre 1993 herumschlägt. Dabei ist weniger der Umstand, dass sich der vermeintliche Täter nicht an die Ereignisse des Vorabends erinnern kann, so außergewöhnlich, sondern die geschilderte Ermittlungsarbeit und vor allem die gebrochene Figur von Van Veeteren, der auch heute noch zu den charismatischsten Ermittlern zählt, die das Krimi-Genre hervorgebracht hat. Als er nach 20 Seiten eingeführt wird, bekommt der Leser gleich einen Eindruck von dessen Persönlichkeit. Seine Frau hatte sich vor acht Monaten – eigentlich unwiderruflich – zum vierten oder fünften Mal von ihm getrennt, beginnt aber, ihn wieder anzurufen. Seine Anfang zwanzigjährige Tochter Jess lebt mit ihrer eigenen Familie weit entfernt in Borges, sein Sohn Erich sitzt im Staatsgefängnis von Linden eine zweijährige Strafe wegen Rauschgiftschmuggels ab. Sein Vater starb im Alter von zweiundfünfzig Jahren an den Folgen einer schweren Lungenentzündung.
Van Veeteren selbst ist seinen Job müde, allerdings zerreißt der Polizeichef regelmäßig seine Kündigungsschreiben. Mit seinem Kollegen Münster spielt er Badminton, geht ab und zu auch mit ihm einen trinken. Davon abgesehen lebt Van Veeteren letztlich doch für seine Arbeit. „Das grobmaschige Netz“ gibt trotz der kurzen Länge von gerade mal 250 Seiten einen guten Eindruck von den Verhörmethoden und dem verlässlichen Instinkt des Hauptkommissars, der so gar kein Identifikationspotenzial für den Leser hergibt, aber deutlich macht, dass Polizisten ebenso wie Opfer, Täter und Zeugen ganz normale Menschen mit ihren persönlichen Eigenschaften, Sorgen, Träumen und Hoffnungen sind, dass nie viel zu fehlen scheint, bis aus einem gesetzestreuen, unauffälligen Bürger ein Mörder wird.
Trotz des melancholischen Grundtons blitzt immer wieder ein leiser Humor in den Dialogen auf, sorgen die etwas zerpflückt aneinandergereihten Absätze für Sprünge im Handlungsverlauf und zwischen den beteiligten Figuren, die manchmal wie aus dem Nichts in die Szenerie zu fallen scheinen. Doch während die übrigen Beteiligten sehr blass bleiben, gewinnt Van Veeteren schon in seinem ersten literarischen Auftritt an interessanter Kontur, die in den nachfolgenden Romanen deutlich an Profil zulegt.

Håkan Nesser – „Intrigo“

Mittwoch, 17. Oktober 2018

(btb, 606 S., Pb.)
Vom schwedischen Bestseller-Autor Håkan Nesser sind seit dem Jahre 2000 etliche seiner Romane und Geschichten als Fernseh-Mini-Serie, Kino- oder Fernsehfilm adaptiert worden, u.a. „Das grobmaschige Netz“, „Das falsche Urteil“, „Münsters Fall“, Der unglückliche Mörder“ und „Mensch ohne Hund“. Nun hat sich der schwedische Filmemacher Daniel Alfredson (der sich bereits der beiden Stieg-Larsson-Bestseller „Verdammnis“ und „Vergebung“ angenommen hatte) an die Verfilmung dreier weiterer Geschichten von Håkan Nesser gemacht, die – beginnend mit „Tod eines Autors“ – nacheinander im Kino zu sehen sein werden.
Grund genug für den btb-Verlag, in dem bisher alle deutschen Übersetzungen von Nessers Werken erschienen sind, die drei zugrundeliegenden Storys „Tod eines Autors“, „In Liebe, Agnes“ und „Die Wildorchidee aus Samaria“ als Sammelband unter dem Namen „Intrigo“ neu herauszubringen und sie um eine neue und eine ältere zu ergänzen.
Eröffnet wird die Sammlung mit der neuen Geschichte „Tom“, in der die Endfünfzigerin Judith Bendler eines Nachts im Jahre 1995 vom Telefon geweckt wird, bei dem sich der Anrufer als Tom vorstellt, was unmöglich sein kann. Denn Tom, der Sohn ihres Mannes Robert aus erster Ehe, ist vor über zweiundzwanzig Jahren spurlos verschwunden … Zunächst bespricht sie den merkwürdigen Anruf mit ihrer Therapeutin Maria Rosenberg, mit der sie noch einmal die Umstände von Toms Verschwinden rekapituliert, die allerdings ebenso wenig mit der Drogengeschichte des damals siebzehnjährigen zu tun haben wie mit der Geschichte, die ihr Robert nach einem dramatischen Vorfall erzählt hat, der zu Toms Verschwinden geführt hat …
In „Rein (Tod eines Autors)“ kehrt ein renommierte Übersetzer nach A. zurück, um einer Spur seiner vor Jahren verschwundenen Ehefrau Ewa zu folgen, deren Husten er auf einer Konzertaufnahme gehört haben will, die im Radio übertragen wurde. Darüber hinaus wird er von seinem Verleger mit der Übersetzung des letzten Manuskripts des gerade verstorbenen Neomystikers Germund Rein beauftragt, der in einem begleitenden Brief darum bat, dass das Buch auf keinen Fall in seiner Muttersprache erscheinen darf. Je mehr der Übersetzer in das Manuskript eintaucht, umso stärker wächst ihn ihm der Verdacht, dass Rein ermordet wurde und in seinem letzten Text Hinweise zur Aufklärung des Verbrechens versteckt hat. Derweil sorgen auch die Ermittlungen bei der Suche nach Ewa für einige Überraschungen …
„Vielleicht war das eine Engagement auch notwendig zur Entlastung des anderen. Wenn ich zurückdenke, dann überrascht mich, wie oft ich damals voll und ganz dem einen oder dem anderen gewidmet haben muss. Entweder ich befand mich tief in Germund Reins Text, oder aber ich suchte mit Feuereifer nach meiner verschwundenen Ehefrau. Doch ich vermischte beides nie. Ich hielt meine Aufträge wie Öl und Wasser getrennt, und ich glaube auch, dass das genau die richtige Methode war.“ (S. 182) 
„In Liebe, Agnes“ stellt fast eine Art Briefroman dar, in der sich die beiden Jugendfreundinnen Agnes und Henny auf der Beerdigung von Agnes‘ Mann nur kurz wiedersehen, bis Henny per Brief den Kontakt zu ihrer einst besten Freundin wieder aufnimmt und sie darum bittet, ihren eigenen Mann David, der offensichtlich seit längerer Zeit eine Affäre unterhält, umzubringen. Da sie selbst die erste Tatverdächtige sein würde, soll Agnes ihn à la Hitchcocks „Der Fremde im Zug“ während einer Konferenz in Amsterdam umbringen, während Henny durch die Teilnahme an einem Übersetzer-Seminar in Berlin ein wasserdichtes Alibi haben wird. Während Agnes und Henny in ihrem Briefwechsel alte Erinnerungen austauschen und den Plan zu Davids Ermordung austüfteln, rekapituliert Agnes ihre eigenen Erinnerungen an die Jugendfreundschaft mit Henny …
Ähnlich wie in „Tom“ und „Tod eines Autors“ geht es auch in „Die Wildorchidee aus Samaria“ um einen verschwundenen Menschen, diesmal um die siebzehnjährige Vera Kall, die nach der Abiturfeier vor dreißig Jahren spurlos verschwand und vermutlich einem Triebtäter zum Opfer gefallen ist. Als der 49-jährige Sprachlehrer Henry Maartens von seiner Frau Clara erfährt, dass sie sich scheiden lassen will, erhält er kurz danach einen Anruf seines Schulkameraden Urban Kleerwot, der Henry darum bittet, einen Blick auf sein Krimi-Manuskript zu werfen. Sie verabreden sich in ihrer alten Heimatstadt K., wo Henry zwei Tage vorher in einem Hotel absteigt und eine Nachricht von Vera vorfindet, die um ein Treffen bittet. Doch warum sollte sich Vera nach über dreißig Jahren wieder bei Henry melden?
In der abschließenden, ebenso wie die „Samaria“-Geschichte zuvor in „Aus Doktor Klimkes Perspektive“ veröffentlichten Story „Sämtliche Informationen in der Sache“ versucht ein Lehrer, das Zeugnis einer kürzlich verstorbenen Schülerin fertigzustellen, und besucht dessen Eltern, die noch im Besitz des letzten Aufsatzes sind, den der Lehrer noch zur Benotung heranziehen möchte.
Vor allem in den der „Intrigo“-Film-Trilogie zugrundeliegenden Geschichten, aber auch in dem neuen Kurzroman „Tom“ erweist sich Håkan Nesser als großartiger Erzähler außergewöhnlicher Schicksale, die in mehr oder weniger geheimnisvollem Abtauchen und Verschwinden, Lügen, Intrigen und Morden gipfelt, wobei Nesser immer wieder geschickt falsche Fährten legt, indem die Glaubwürdigkeit der Ich-Erzähler und Erwartungen des Publikums nach und nach erschüttert werden und Nesser die Geschichten zu oft überraschenden Auflösungen führt.
Leseprobe Håkan Nesser - "Intrigo"

Håkan Nesser – „Der Fall Kallmann“

Freitag, 8. Dezember 2017

(btb, 572 S., HC)
Sieben Monate nach dem Verschwinden seiner Frau und seiner Tochter nimmt Leon Berger das Angebot seiner alten Freundin Ludmilla Kovacs an und verlässt die Metropole Stockholm für eine Anstellung als Lehrer in der Provinzstadt K. im Nordwesten Schwedens, wo er die Nachfolge von Eugen Kallmann antritt. Der angesehene, aber in sich verschlossene Mann war bei einem Sturz von einer Treppe ums Leben gekommen und hinterließ einige Tagebücher, die Berger bei der Durchsicht des Schreibtisches seines Vorgängers entdeckt und die von 1980 bis 1994 reichen. Doch als sich Berger näher mit Kallmanns Einträgen in den Büchern auseinandersetzt, stellt er fest, dass der Autor oft sehr unverständliches und wirres Zeug von sich gibt, ja sogar davon schreibt, seine Mutter umgebracht zu haben und in den Augen der Menschen erkennen zu können, ob sie ebenfalls jemanden getötet haben.
Berger ist neugierig geworden und bittet seine Freundin Ludmilla, die als Beratungslehrerin an der Schule tätig ist, und seinen Kollegen Igor, mit ihm herauszufinden, was an Kallmanns Schilderungen wahr sein könnte. Gleichzeitig wächst die Vermutung, dass Kallmann tatsächlich Opfer eines Gewaltverbrechens gewesen sein könnte. Aufschluss könnte ein fehlendes Tagebuch ab 1995 sein, das die gut fünf Monate bis zu Kallmanns Tod abdeckt, aber nicht an seinem Arbeitsplatz in der Schule zu finden ist.
Während der privaten Ermittlungen des Trios erschüttern einige antisemitische Vorfälle in der Schule die Kleinstadt, die in dem Mord an einem Jung-Nazi und einer Demonstration der rechtsradikalen Bewegung Die Zukunft Schwedens gipfelt.
„Alles ist schon einmal geschehen und geschieht wieder, es ist nicht gut für den Verstand, auf diese Bahn zu geraten. Ich denke, dass ich ziemlich viel dafür geben würde, zehn Minuten mit Eugen Kallmann sprechen zu dürfen; ich stelle mir vor, dass ich dann so manches begreifen würde, was im Moment knapp außerhalb der Reichweite meiner Auffassungsgabe tanzt.“ (S. 526) 
Der schwedische Bestseller-Autor Håkan Nesser präsentiert sich in seinem neuen Roman „Der Fall Kallmann“ nicht als allwissender Erzähler, sondern lässt jeweils die wichtigsten Figuren ihre Eindrücke, Gedanken und Gefühle aus der Ich-Perspektive zum Besten geben. Auf diese Weise erfährt der Leser recht schnell, wie Leon Berger durch den Umzug nach K. das Trauma des Verlusts seiner Familie hinter sich zu lassen versucht, wie Ludmilla eine Affäre mit ihm beginnt, während ihr Mann Klas sich mit einer jüngeren Fitness-Trainerin vergnügt, wie die beiden Freundinnen Andrea und Emma ebenfalls Interesse am Rätsel um Kallmanns Tod entwickeln, wie Igor, der an der Schule die engste Verbindung zu Kallmann gepflegt hatte, sich an den Toten erinnert.
Die nationalistischen Triebe, die Nesser in seinem Roman thematisiert tragen letztlich nicht wirklich zur Lösung des Falls Kallmann bei, sondern bringt eher ein aktuelles gesellschaftspolitisches Problem zur Sprache und etwas Action in einen sonst eher ruhig inszenierten Plot, der von Nachforschungen in der Vergangenheit geprägt ist.
Durch die verschiedenen Ich-Erzählperspektiven gelingt es Nesser allerdings, den Leser schnell ins Geschehen einzubinden und eine vertrauliche Beziehung zu den Figuren aufzubauen. Das Rätsel um Kallmanns Tod und seine auf einen ungeklärten Mord verklausulierten Hinweise werden dann behutsam wie ein komplexes Puzzle gelöst.
„Der Fall Kallmann“ fasziniert so als gut beobachtete psychologische Studie, als überzeugende, nicht übermäßig konstruierte Detektivgeschichte und als stimmiger Entwicklungsroman.
Leseprobe Håkan Nesser - "Der Fall Kallmann"

Håkan Nesser – „Die Lebenden und Toten von Winsford“

Mittwoch, 8. April 2015

(btb, 462 S., HC)
Im November mietet eine 55-jährige Schwedin unter dem Namen Maria Anderson mit ihrem Hund Castor für sechs Monate ein Haus in dem britischen Heidestädtchen Winsford. Als sie dort angekommen ist, blickt sie auf ihr bisheriges Leben als Frau des Schriftstellers Martin Holinek zurück, der sich im Oktober noch mit seinem Verleger Eugen Bergman getroffen hat, mit dem er ein vielsprechendes Projekt diskutierte. Darin spielen die Sommer Ende der 1970er, die Martin in Griechenland innerhalb einer Schriftsteller-Kommune um das promintente Autorenpaar Tom Herold und Bessie Hyatt verbracht hat, eine zentrale Rolle.
In der Abgeschiedenheit der englischen Heide, in der sich Maria bald mit dem einheimischen Mark Britton anfreundet, geht Maria Anderson die handschriftlichen Aufzeichnungen ihres Mannes zu den offensichtlich so interessanten Jahren durch, aber davon abgesehen geht es der Schriftsteller-Gattin vor allem darum, mit ihrer Vergangenheit abzuschließen, die einige tragische Höhepunkte zu verzeichnen hat.
Was an ihr aber vor allem nagt, ist die auch in den Medien diskutierte Vergewaltigung, derer ihr Mann angeklagt wurde.
„Ich hatte auf diesem polnischen Strand mein altes Leben abgestreift; so beiläufig, wie man den Knochen eines Hähnchens bricht, hatte ich einen Schlussstrich darunter gezogen. Hatte jede Lebensbedingung bis in ihre kleinsten Bestandteile hinein verändert. Oder etwa nicht? Wenn man so wollte, konnte man natürlich genauso behaupten, dass es Martin war, der diesen Schlussstrich herbeiführte, als er in einem Hotel in Göteborg diese Kellnerin vergewaltigte – oder zumindest sein Sperma auf ihrem Bauch hinterließ.“ (S. 180f.) 
Anderson verfolgt einen teuflischen Plan. Sie beantwortet über Martins Mail-Account seine Mails und lässt seine Kontakte glauben, dass er mit seiner Frau in Marokko an seinem neuen Werk arbeite. Doch dann wird Maria Anderson mit Vorkommnissen konfrontiert, die sie an ihrem Vorhaben zweifeln lassen: erst findet sie im Abstand von wenigen Tagen zwei tote Fasane vor ihrer Tür vor, dann verschwindet ihr Hund spurlos. Und irgendwie fühlt sich die Schwedin von einem Unbekannten verfolgt …
Dass der schwedische Erfolgsautor Håkan Nesser mit „Die Lebenden und Toten von Winsford“ keinen konventionellen Krimi abliefert, wird schon nach wenigen Seiten deutlich, als sich die Ich-Erzählerin, die sich unter falschem Namen in der südenglischen Moor- und Heidelandschaft von Exmoor niederlässt, vorstellt und sukzessive die Vergangenheit in ihren Erinnerungen heraufbeschwört. In dieser Hinsicht braut sich einiges zusammen, denn wie sich herausstellt, musste die 55-Jährige in ihrem Leben einige bittere Pillen schlucken. Und wie sich das Puzzle allmählich zusammenfügt, wird auch verständlich, warum es die Schwedin in die Einöde des entfernten England gezogen hat, und er erklärt ihre Handlungsweise.
Nesser erweist sich dabei als sorgsamer Erzähler, der sich viel Zeit nimmt, seine Ich-Erzählerin einzuführen, zwischen Gegenwart und verschiedenen wegweisenden Episoden aus der Vergangenheit zu wechseln, um allmählich Licht in das nebelverhangene Dunkel zu bringen.
Klassische Krimi-Fans mögen von dem unkonventionellen Plot vielleicht gelangweilt werden, aber Liebhaber skandinavischer Spannungsliteratur dürften die stimmungsvoll erzählte Geschichte, bei der die psychischen Befindlichkeiten der Erzählerin wunderbar mit der unheimlichen Landschaft korrelieren, mehr als zu schätzen wissen.
Leseprobe Håkan Nesser - "Die Lebenden und Toten von Winsford"

Håkan Nesser – (Gunnar Barbarotti: 5) „Am Abend des Mordes“

Dienstag, 16. Oktober 2012

(btb, 474 S., HC)
Nachdem seine Frau Marianne durch ein Aneurysma plötzlich verstorben ist, bekommt Inspektor Barbarotti von seinem Chef Asunander einen sogenannten „Cold Case“ zur alleinigen Bearbeitung. Offensichtlich will der Kommissar einen Monat vor seiner Pensionierung noch ein paar ungelöste Fälle abgearbeitet haben, vielleicht möchte er Barbarotti aber auch nur mit einem hoffnungslosen Fall beschäftigen, bis er wieder richtig bei der Sache sein kann. Vor fünf Jahren verschwand der damals 54-jährige Elektriker Arnold Morinder spurlos. Seine Lebensgefährtin Ellen Bjarnebo wurde deshalb verdächtigt, etwas mit dem Umstand zu tun zu haben, weil sie bereits 1989 den Beinamen „Die Schlächterin von Klein-Burma“ erhalten hatte, nachdem sie gestand, ihren Mann Harry Helgesson mit einem Vorschlaghammer erschlagen, zerstückelt und die Körperteile in Müllsäcken im naheliegenden Wald verstreut zu haben.
Während Barbarotti die alten Vernehmungsprotokolle durcharbeitet und alte Zeugen und mit dem Fall befasste Kriminalbeamte besucht, leitet seine Kollegin Eva Backman die Ermittlungen im Mordfall Raymond Fängström, Mitglied im Stadtrat von Kymlinge für die rechtspopulistischen Schwedendemokraten. Barbarotti nutzt die Reisen zu den Zeugen für einen Besuch seiner Tochter Sara in Stockholm, versucht, bei einem Trauertherapeuten mit dem Verlust seiner geliebten Frau umgehen zu lernen, befindet sich in einem Zwiegespräch mit Gott und hofft auf eine Zeichen, dass es Marianne im Jenseits gut geht.
„Die Trauer öffnete eine Tür zwischen Seele und Körper und wurde rein physisch empfunden. Nach Mariannes Tod hatte er gelernt, dass es so war – so sein konnte. Dass er tatsächlich gelähmt sein konnte, unfähig, aus dieser Position, dieser Gemengelage zu kommen, in der er sich befand. Wie gesagt, wie versteinert. Weil jede Bewegung, jede Handlung und jeder Gedanke völlig sinnlos waren. Unter dem schweren Druck der Trauer lag man platt. Das Atmen fiel ihm schwer, die Brust wurde zusammengepresst, statt sich zu weiten. War es das, was man gemeinhin panische Angst nannte? Er wusste es nicht. Man konnte nur abwarten, dass es aufhörte, zumindest ein klein wenig nachließ; das Einzige, was man eventuell tun konnte, war beten, aber wortlos, weil es keine Worte gab; als ein mehr oder minder heroischer Versuch, die Gedanken zu fokussieren. Auf sie. Auf die Hoffnung, dass sie in irgendeinem Sinne noch lebte. Darauf, dass es überhaupt so etwas wie einen Sinn gab.“ (S. 247) 
Bevor sich Barbarotti auf den Weg nach Lappland macht, um sich mit Ellen Bjarnebo zu treffen, warnt ihn Marianne vor der Gefahr, in die er sich begibt … Nach Van Veeteren hat der schwedische Bestseller-Autor Håkan Nesser mit dem halbitalienischen Inspektor Gunnar Barbarotti einen ebenfalls sehr sympathischen Protagonisten kreiert, der in „Am Abend des Mordes“ auch schon seinen fünften Fall bearbeitet. Dabei fügen sich gleich mehrere Fälle zusammen, die zunächst wenig miteinander gemein haben und bei denen sich erst allmählich herauskristallisiert, wie die Dinge wirklich liegen. Im Falle der „Cold Cases“ geschieht dies immer wieder durch Rückblenden, in denen vor allem die Beziehung zwischen der Verdächtigen und ihrem gehandicapten Sohn Billy im Zentrum stehen, aber auch ihr Verhältnis zu den beiden unbeliebten Männern, während Eva Backmans Fall eher im Hintergrund verläuft. Doch „Am Abend des Mordes“ überzeugt nicht nur allein durch Barbarottis Ermittlungsarbeit, die die Schwächen der vorangegangenen Verhöre und Schlussfolgerungen aufdeckt, sondern vor allem auch in der einfühlsamen Beschreibung von Barbarottis Innenleben nach seinem schmerzlichen Verlust. Das verleiht dem durchaus packenden Krimi eine zutiefst menschliche Note, für die Nesser wohlbekannt ist.
Leseprobe Håkan Nesser - "Am Abend des Mordes"

Claudie Gallay – „Die Brandungswelle“

Donnerstag, 29. September 2011

(btb, 558 S., HC)
Eine ehemalige Biologiedozentin an der Universität von Avignon hat sich nach dem Tod ihres Mannes zwei Jahre lang beurlauben lassen und arbeitet nun seit einem halben Jahr für das Ornithologische Zentrum von Caen. In La Hague, im Nordwesten der Normandie, zählt sie Vögel, ihre Nester und Eier, sucht Gründe für den Rückgang der Zugvögel in der Gegend. Sie liebt die Monotonie der Arbeit, die karge Natur am Ende der Welt, die Leere ihres Seelenlebens.
Doch kurz bevor ein mächtiger Sturm das kleine Fischerdorf heimsucht, taucht Lambert auf, ein geheimnisvoller Mann, der vor vierzig Jahren seine Eltern und seinen jüngeren Bruder bei einem Bootsunglück verloren hat. Er ist zurückgekommen, um das Unglück von damals aufzuklären. Eine Schlüsselrolle kommt dabei Théo zu, dem ehemaligen Leuchtturmwärter, der damals offensichtlich das Leuchtfeuer ausschaltete und damit den Tod von Lamberts Familie verschuldet haben könnte. Die Ornithologin ist fasziniert von dem Fremden, der kein wirklich Fremder ist, aber immer wieder gibt sie sich den Erinnerungen an ihren geliebten Mann hin, dessen Tod auch sie in gewisser Weise sterben ließ.
„Diese Gegend war dir ähnlich. Mich davon abzuwenden, hätte bedeutet, dich nochmal zu verlieren. Ich war wie besessen von deinem Körper gewesen. Ich kannte seine Umrisse, seine Unvollkommenheiten. Ich kannte seine ganze Kraft. Jeden Abend ließ ich dein Gesicht, die Bilder, die ganze Geschichte in einer Endlosschleife vor mir ablaufen. Dein Lächeln. Deine Lippen. Deine Augen. Deine Hände. Deine verfluchten Hände, viel größer als meine.“ (S. 111f.) 
Gallay gelingt es, die Verschrobenheiten ihrer Figuren in einer sehr poetischen, klaren Sprache zu schildern und sie so sehr plastisch dem Leser vor Augen zu führen. Es sind eigensinnige, zuweilen exzentrische Leute, mit denen es die Ich-Erzählerin zu tun hat, die alle ihre Bürden zu tragen haben – wie sie selbst, der Künstler, der auf einmal durch einen Fachartikel berühmt zu werden scheint; die Tochter, die ihren verhassten Vater pflegt, und dann taucht ein Foto auf, das all die sicher geglaubten Dinge in ein neues Licht rückt. Die französische Autorin lässt ihre Figuren in Worten sprechen, wie man sie sonst weniger hört. Aber die Skurrilität der Gespräche fügt sich nahtlos in das ohnehin sonderbare Ambiente der Handlung, Orte und verborgenen Geheimnisse ein, dass es eine Freude ist, die Puzzleteile am Ende wieder zusammengefügt zu wissen.
Leseprobe "Die Brandungswelle"

Håkan Nesser – „Die Perspektive des Gärtners“

Samstag, 5. März 2011

(btb, 320 S., HC)
Vor vierzehn Monaten beobachtete der Schriftsteller Erik Steinbeck am Küchenfenster seines Hauses in Saaren, wie ein Mann seine vierjährige Tochter Sarah im Garten ansprach und sie in sein grünes Auto einsteigen ließ. Bevor Erik an der Straße ankam, war der Wagen über alle Berge, die Polizei fand bis jetzt nicht einen einzigen Anhaltspunkt, was mit Sarah geschehen sein könnte. Vor allem Eriks Frau Winnie, die schon einmal eine Tochter in Sarahs Alter durch einen gewaltsamen Tod verloren hat, kam mit dem erneuten Verlust ihres Kindes nicht klar, verbrachte eine Zeit in einer psychiatrischen Anstalt und schlug schließlich vor, nach New York zu ziehen, um einen Neuanfang zu starten.
Doch Erik und Winnie finden nicht mehr zueinander und verbringen ihre Zeit meist getrennt voneinander. Während Winnie an einem fast fotografisch detaillierten Bild arbeitet, das die Entführungsszene aus Eriks Sicht darstellt und nur noch auf das Gesicht des Mannes wartet, an dessen Züge sich Erik aber nicht erinnern kann, arbeitet Erik in der Bibliothek an seinem neuen Roman. Als er Winnie zweimal überraschend in der Stadt sieht, leugnet sie jeweils, sich dort befunden zu haben. Dann behauptet sie plötzlich, Sarah sei noch am Leben. Erik macht sich Sorgen, dass Winnie wieder in ihren krankhaften Zustand nach dem Verschwinden ihrer Tochter zurückfällt.
„… wenn nun meine Ehefrau behauptet, unsere Tochter sei tatsächlich am Leben, dann will ich das nicht als Zeichen sehen, dass sie auf dem Weg zurück in die Dunkelheit ihrer Krankheit ist. Obwohl es natürlich so ist. Ich brauche eine gesunde Winnie – zumindest eine einigermaßen gesunde Winnie -, meine Kräfte reichen nicht für eine neue Welle des Wahnsinns. Guter Gott, denke ich, lass sie nicht den Verstand verlieren, lass nicht alles den Bach runtergehen. Lass etwas geschehen, das uns wieder ein bisschen Hoffnung gibt. Aber dass Sarah tatsächlich am Leben sein soll? Ich wage diesen Gedanken kaum zu denken.“ (S. 112f.)
Erik macht in der Bibliothek, in der er fast täglich arbeitet, die Bekanntschaft von Mr. Edwards, einem pensionierten Privatdetektiv, der dem Schriftsteller anbietet, herauszufinden, was Winnie mit ihrer Zeit, die sie nicht in ihrem Atelier verbringt, so treibt. Offensichtlich hat sie eine Parapsychologin namens Grimaux aufgesucht, und Erik fällt sofort der Zusammenhang mit dem gleichnamigen französischen surrealistischen Poeten auf, der ein Gedicht verfasst hat, das auf mysteriöse Weise Winnie und Erik einst zusammengeführt hat. Und je mehr Erik den immer geheimnisvolleren Hinweisen auf Winnie und Sarah folgt, desto mehr Rätsel geben Erik zu denken …
Dass der schwedische Bestseller-Autor Håkan Nesser nicht nur Krimis nach Schema F produziert, hat er bereits mit „Kim Novak badete nie im See von Genezareth“ bewiesen. Sein neuer Roman ist in New York angesiedelt, wo der Autor einige Jahre gelebt hat, und trägt von Beginn an jene surrealistischen Züge, die auch einige Romane des New Yorker Schriftstellers Paul Austers tragen.
„Die Perspektive des Gärtners“ wirft immer wieder Fragen nach Namen und Identitäten auf, lässt die Grenzen zwischen Realität, Traum, Vorsehung und Wahnsinn miteinander verschmelzen und immer wieder neue Rätsel die bisherigen Merkwürdigkeiten in neuem Licht erscheinen. Dabei tritt Sarahs Schicksal nicht unbedingt in den Hintergrund, aber zunehmend geht es auch um die Frage, was es mit Winnie auf sich hat. Dadurch, dass der Leser das Geschehen allein aus Eriks Perspektive verfolgen muss, bleibt lange Zeit ungewiss, inwieweit vielleicht Erik selbst dem Wahnsinn verfallen ist. Nesser erweist sich wieder einmal als sprachlich versierter Autor, der mit viel Liebe zum psychologischen Detail einen außergewöhnlichen wie verstörenden Roman geschaffen hat, der mit einem ebenso überraschenden Ende aufwartet.
Lesen Sie im Buch: Nesser, Håkan - Die Perspektive des Gärtners

Håkan Nesser - „Kim Novak badete nie im See von Genezareth“

Mittwoch, 17. Februar 2010

(btb, 287 S., HC)
Nachdem der schwedische Krimi-Autor Håkan Nesser in den letzten Jahren mit seinem Kommissar Van Veeteren ähnlich erfolgreich gewesen ist wie sein Landsmann Henning Mankell mit seinen Kurt-Wallander-Krimis, veröffentlicht der btb-Verlag mit „Kim Novak“ nun einen frühen Roman aus dem Jahr 1998, als Van Veeteren noch nicht auf den Plan getreten war. „Kim Novak“ ist weniger ein klassischer Krimi als die Schilderung von Kindheitserinnerungen.
Im Sommer 1962 verbringen der vierzehnjährige Erik und sein Freund Edmund zusammen mit Eriks älteren Bruder Henry die Ferien in einem Sommerhaus namens Genezareth. Henriks hübsche Freundin Emmy kommt allerdings doch nicht mit. Dafür taucht eines Abends die hübsche Aushilfslehrerin Ewa Kaludis auf, die Verlobte des ehemaligen Handball-Stars Berra Albertsson. Die beiden Jungen, deren Mütter entweder im Sterben liegen oder eine Alkohol-Entziehungskur durchmachen, beobachten eines Nachts die Henry und Ewa beim Liebesspiel und sind gleichermaßen erregt wie verstört. Wenige Tage später findet man ganz in der Nähe im Wald die Leiche von Ewas Verlobtem. Henry wird zwar in Untersuchungshaft genommen, doch kann man ihm den Mord nicht nachweisen. 25 Jahre später ist der unaufgeklärte Mord verjährt.
Erst jetzt kommt die Wahrheit ins Licht. Im Mittelpunkt des brillant geschriebenen Romans steht auch weniger der Mord und das Geheimnis seiner überraschenden Auflösung, sondern die Initiation zum Erwachsenen, die Einführung in die Mysterien von Liebe, Leidenschaft, Sex und Tod.

Håkan Nesser - (Van Veeteren: 9) „Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod“

(btb, 572 S., HC)
Eigentlich wollte sich Hauptkommissar Van Veeteren längst zur Ruhe gesetzt haben und sich nur noch um sein Antiquariat und seine niedliche Enkeltochter kümmern. Doch eines Tages bittet der junge Priester Tomas Gassel den seit vier Jahren permanent vom Dienst befreiten Van Veeteren um ein Gespräch, das dieser wegen eines Zahnarzttermins nicht wahrnehmen kann. Wenig später erfährt der aus der Zeitung, dass der Pfarrer von einem Zug überfahren worden ist, und setzt sich mit Eva Moreno, der ermittelnden Kommissarin, in Verbindung. Etwa zur gleichen Zeit werden Martina Kammerle und dann auch ihre sechzehnjährige Tochter Monica erwürgt aufgefunden.
Da der Name des Pastors auf einem Notizblock im Zimmer des Mädchens gefunden wird, scheinen die Fälle miteinander verknüpft zu sein. Die einzigen Spuren zum Mörder, der weitere Frauen erwürgt, sind aus der Literatur bekannte Namen, derer sich der geheimnisvolle Mörder bedient, und seltene Gedichtbände. Während seine aktiven Kollegen lange Zeit im Dunkeln tappen, verlässt sich Van Veeteren bei seinen eigenen Ermittlungen ganz auf seine Intuition und stößt auf den elitären Universitätszirkel der Sukkulenten. Doch wie soll Van Veeteren den mutmaßlichen Verdächtigen ohne handfeste Beweise überführen? Mit Van Veeterens neunten Fall hat Hakan Nesser endgültig bewiesen, dass er sich vor seinem Bestseller-Kollegen Henning Mankell nicht zu verstecken braucht. Spannend und dazu noch sprachgewandter taucht Nesser wieder tief in die Seele eines Psychopathen ein, lässt zum Schluss aber leider einige wichtige Fragen offen.

Håkan Nesser - (Van Veeteren: 8) „Der Tote vom Strand“

(btb, 352 S., HC)
In seiner schwedischen Heimat genießt Håkan Nesser schon längst einen Ruf als erstklassigen Schriftsteller, der sich hinter Henning Mankell keineswegs zu verstecken braucht. Auch hierzulande haben seine Romane um Kommissar Van Veeteren immer mehr an Popularität gewonnen. Schon die ersten beiden Kapitel seines neuen Romans demonstrieren, warum Nesser so geschätzt wird. Die einleitende Erklärung, dass einem jungen Mädchen der Schädel gespalten wurde, weil sie offensichtlich ihre Pläne geändert hatte, wird von einer kurzen Szene gefolgt, in der der Leser ein Stück weiter ins Geheimnis eingeweiht wird.
Die sechzehnjährige Winnie Maas trifft sich mit ihrem Freund am Strand, erzählt ihm von der Änderung ihrer Entscheidung, worauf dieser eine Idee hat. Szenenwechsel. Der achtzehnjährigen Mikaela soll an ihrem Geburtstag etwas mitgeteilt werden. Auch diesmal bleibt der Leser im Dunkeln. Schließlich soll die 32jährige Kommissarin Ewa Moreno an ihrem ersten Urlaubstag noch dem gerade gefassten Kleinverbrecher Lampe-Leermann ein Geständnis entlocken. Und schon sieht sie sich in einen äußerst mysteriösen Fall verwickelt, bei dem es nicht nur um die verschwundene Mikaela geht, die ihren Vater erstmals nach sechzehn Jahren in der psychiatrischen Anstalt besuchen wollte, sondern auch um zwei ungelöste Mordfälle. Die spannende Story gefällt auch durch den recht poetischen Stil, der das Buch zu einem echten Lesegenuss macht.