Donald R. Miller hat es gut getroffen. Als Mann der wohlhabenden Tochter noch wohlhabenderer Eltern fristet der Mittvierziger ein beschauliches Leben in der idyllischen Einöde von Saskatchewan in Kanada, indem er gelegentlich wohlwollende Filmkritiken für das Anzeigenblättchen verfasst, das seine Frau Sammy herausgibt, und auf den gemeinsamen Sohn Walt aufpasst. Doch das Familienglück gerät arg ins Wanken, als eines Tages der Labrador Herby verschwindet und Donald das ausgeweidete Tier unweit der Bushaltestelle im Schnee auffindet.
Sofort werden Donalds Erinnerungen an seine wenig glorreiche Kindheit in Schottland wachgerufen, die die dunklen Vorahnungen größeren Unglücks heraufbeschwören.
„Zum ersten Mal, seit wir hier lebten, wurde unser Glück bedroht. Und das wirklich Beunruhigende daran war, dass ich das dumpfe Gefühl hatte, als hätte ich so etwas … erwartet. Nicht genau das, was geschehen war, aber etwas in der Art. Als hätte ich unterschwellig ständig mit dem Schlimmsten gerechnet, weil ich wusste: Mein Glück war nur erschlichen, und früher oder später musste der Schwindel auffliegen. Du hast das große Los gezogen. Den Sechser im Lotto. Hast du wirklich geglaubt, das würde immer so weitergehen? Dass das Karma so etwas zulassen würde? Aber du glaubst ja nicht an Karma. Greise Nazi-Kriegsverbrecher liegen in Südamerika an ihren Swimming Pools, während anderswo Babys von Lastwagen überrollt werden. Nichts als wirre nächtliche Gedanken, allein der Übermüdung geschuldet. Eine totale Überreaktion auf den Tod eines Haustiers, das von einem Wolf gerissen wurde. Was hast du denn erwartet, als du hier raus in die Wildnis gezogen bist?“ (S. 62)Doch die eigenen, nicht wirklich überzeugenden Beschwichtigungen werden bald in ihre Einzelteile zerlegt, als auch Sammy nach einem außerplanmäßigen Meeting nicht nach Hause kommt, und die Polizei mit einem Hubschrauber auf dem verschneiten, zwei Hektar großen Grundstück landet …
Der schottische Autor John Niven hat mit „Kill Your Friends“ eine bissige Satire auf die Musikindustrie abgeliefert, mit „Coma“ einen etwas anderen Golf(-Sport)-Thriller und schließlich mit „Gott bewahre“ eine gar blasphemische Gottesgeschichte. Mit „Das Gebot der Rache“ legt er erstmals einen überraschend konventionellen Thriller vor, der ganz ohne den typischen John-Niven-Humor auskommt, dafür aber knallhart das bislang beschauliche Leben seines Ich-Erzählers zerpflückt. Dabei kommt erst in den sukzessive eingestreuten Rückblenden ans Licht, was zu den grausamen Ereignissen geführt hat, mit denen sich der Protagonist auseinandersetzen muss – einschließlich überraschender Wendungen und einem furiosen Showdown!
Leseprobe John Niven – „Das Gebot der Rache“
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