Nachdem Walter Moers durch seine oft politisch unkorrekten Comics um das „Kleine Arschloch“ und „Adolf“ bereits zur Kultfigur avancierte, überraschte er 1999 mit seinem ersten Roman „Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär“, der nur wenig mit der aus der „Sendung mit der Maus“ bekannten Figur gemeinsam hatte, dafür dem Leser die wunderbare Welt Zamoniens vorstellte. Seither hat er mit Werken wie „Rumo & die Wunder im Dunkeln“ und „Die Stadt der Träumenden Bücher“ gefeierte Meisterwerke der Fantasy-Literatur veröffentlicht, die er selbst liebevoll und reichhaltig illustrierte. An letztgenanntes Werk schließt auch „Das Labyrinth der Träumenden Bücher“ an.
Hildegunst von Mythenmetz suhlt sich im Licht seines literarischen Ruhms, vernachlässigt aber seine künstlerische Mission. Zweihundert Jahre nach der Feuersbrunst, die der Schattenkönig ausgelöst und damit Buchhaim, die Stadt der Träumenden Bücher, vernichtet hat, führt ein geheimnisvoller Brief mit den vertrauten Worten „Hier fängt die Geschichte an“ zurück nach Buchhaim, wo Mythenmetz eine völlig veränderte Stadt vorfindet. Lebende historische Zeitungen bringen Mythenmetz die Ereignisse der vergangenen Jahre ins Bewusstsein, er begegnet seinem Schriftstellerkollegen Ovidios, der ihm erklärt, warum Buchhaim wieder so ein blühendes Zentrum des Buchhandels geworden ist.
„Der letzte Brand von Buchhaim verursachte keinen Exodus, sondern eine Zuwanderung, wie sie die Stadt noch nie erlebt hatte. Abenteurer, Buchverrückte, Dichter und Möchtegern-Dichter, Verleger ohne Verlag, Lektoren ohne Anstellung, Übersetzer ohne Auftrag, Drucker, Leimsieder, Maurer, Buchbinder, Dachdecker, Buchhändler, kurz: Kopfarbeiter und Handwerker aller Art wurden von der halbzerstörten, frisch erblühenden Stadt magnetisch angezogen. Nirgendwo sonst konnte man so fundamental neu anfangen wie in Buchhaim. Egal, ob mit der Schreibfeder oder mit der Mörtelkelle. Nur in dieser wahnsinnigen Stadt konnte man an einer kollektiven Wiedergeburt teilhaben. Und nirgendwo sonst konnte man, wenn einem das Glück hold war, so verdammt reich werden.“ (S. 106)Mittlerweile wird die Stadt der Träumenden Bücher von so skurrilen Spezialisten wie den Biblionisten, Bibliodromen, Bibionären, Biblioklasten, Bibliogeten, Bibliodonten, Bibliophanten, Bibliophagen etc. bevölkert, wie Mythenmetz von Ovidios erfährt, doch die eigentliche Attraktion verbirgt sich im Puppetismus. Mythenmetz‘ alte Vertraute, die Schreckse Inazea Anazazi, führt ihn in die mannigfaltigen Spielarten einer Kunst ein, deren höchste Vervollkommnung das „Unsichtbare Theater“ zu sein scheint. Um es zu erleben, wird Mythenmetz allerdings gezwungen, in die gefürchteten Katakomben Buchhaims zurückzukehren …
Es braucht nur wenige Worte, bis der geneigte Leser ganz in die wunderbare Zamonien-Welt eingetaucht ist, die Walter Moers mit seinen bisherigen Romanen so eindrucksvoll geschaffen hat. Mit sichtlicher Fabulierfreude, unzähligen liebevollen Illustrationen und allerlei aufwändigen grafischen Spielereien, die das mit Worten Geschilderte sogleich lebendig werden lassen, ohne die Phantasie des Lesers zu bemühen, lässt Moers seinen erfolgsverwöhnten, doch längst vom Orm verlassenen Helden die Veränderungen erleben, die Buchhaim seit seinem Abschied vor zweihundert Jahren durchgemacht hat. Allerdings wird so viel beschrieben und erklärt, dass die Handlung viel zu kurz kommt und ein spannender Erzählfluss erst entsteht, als sich „Das Labyrinth der Träumenden Bücher“ dem Ende nähert. Dann, im Nachwort des „Übersetzers“, als der Walter Moers für die Erlebnisse seines Protagonisten fungiert, erfahren wir, dass aus dem einen geplanten Werk nun zwei werden. Wollen wir also hoffen, dass sich in der Fortsetzung die Handlung etwas straffer entwickelt als in diesem sicher lesenswerten, über lange Strecken allerdings etwas ermüdenden Roman.
Lesen Sie im Buch: Walter Moers – „Das Labyrinth der Träumenden Bücher“
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