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Don Winslow – (Frank Decker: 2) „Germany“

Sonntag, 6. März 2016

(Droemer, 379 S., Pb.)
Ex-Marine und Ex-Cop Frank Decker hat es sich zur Aufgabe gemacht, vermisste Menschen zu finden. Obwohl ihn die Suche nach dem fünfjährigen afroamerikanischen Mädchen Hailey Hansen seinen Job und seine Ehe gekostet hat, kann sich Decker nicht mehr vorstellen, etwas anderes zu tun. Nachdem er mit seinen alten Kriegskameraden in Miami ein feuchtfröhliches Wiedersehen gefeiert hat, erzählt ihm sein Kumpel Charlie Sprague, der Decker im Irak das Leben gerettet hat und seitdem durch eine Brandwunde im Gesicht halbseitig entstellt ist, dass seine Frau Kim verschwunden ist.
Die junge Schönheitskönigin, die von Decker zur Hochzeit mit dem milliardenschweren Bauunternehmer zum Altar geführt worden ist, wollte nur ins Einkaufszentrum und ist seitdem nicht mehr aufzufinden.
Während Sergeant Dolores Delgado die erforderlichen Angaben in die Systeme speist und den polizeilichen Ermittlungsweg beschreitet, fängt Decker damit an, Kims beste Freundin Sloane aufzusuchen und den Spuren nach Kims Eltern nachzugehen, die gar nicht so tot sind, wie zunächst angenommen worden ist. Offensichtlich ist Kim als Carolynne May Woodley in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, von ihrer Mutter von einem Schönheitswettbewerb zum nächsten gefahren, ist von einem Jungen schwanger geworden und dann unter neuem Namen ein neues Leben begonnen, in dem ihre Eltern keine Rolle mehr spielten.
Da Kims Vater als Gefängniswärter arbeitet, vermutet Decker zunächst einen Racheakt des inhaftierten DeMichael Morrison, dem Woodley übel mitgespielt hat, doch tatsächlich führt die Spur weiter zu einer elitären Escort-Agentur und Menschenhändlern aus der Ukraine, die ihre Zentrale mittlerweile nach Deutschland verlegt haben.
Decker hat mehrere Theorien über Kims Verschwinden zu überprüfen. Sie könnte Opfer einer Säuberungsaktion der Russen oder eines Konflikts zwischen Morrison und Woodley sein, aber auch Charlie könnte hinter die Vorgeschichte seiner Frau gekommen sein und sie umgebracht haben, bevor der Skandal größeren Schaden anrichten konnte.
„Tatsächlich gab es sogar noch eine vierte Möglichkeit.
Kim war einfach gegangen. Sie hatte ihr Leben sattgehabt und war irgendwohin, wo sie sich erneut selbst erfinden wollte. Wenn es so war, dann war das ihr gutes Recht; aber andererseits hatte Charlie auch das Recht, es zu erfahren.“ (S. 211) 
Decker grast in Deutschland die Rotlichtbezirke in den Großstädten ab und landet über München, Hamburg, Lüneburg und Berlin schließlich in Erfurt, wo es zum großen Showdown und einigen Überraschungen kommt.
Mit Frank Decker hat der amerikanische Bestseller-Autor Don Winslow wie schon mit seiner ersten Serien-Figur Neal Carey einen besonders hartnäckigen Ermittler kreiert, der im Gegensatz zum jungen Akademiker, der Carey eigentlich sein will, durch seine Vergangenheit als Marine und Cop extrem kampferprobt ist und weiß, wie Ermittlungen zu führen sind. Ähnlich wie bei Deckers ersten Auftrag in „Missing: New York“ führen die Spuren wieder in die Szene von Menschenhandel und dem Geschäft mit Sex, wieder muss Decker einer Vielzahl ganz unterschiedlicher Spuren folgen, bis er sein Ziel vor Augen hat. Die knackige Prosa und der Charakter seines Helden rufen Erinnerungen an Lee Childs coole Jack-Reacher-Romane wach und lassen sich ebenso spannend lesen. Im Gegensatz zu Winslows komplexeren und wuchtigeren Werken, die im Drogenmilieu angesiedelt sind, dürfte die Frank-Decker-Reihe auch Fans von James Patterson und Linwood Barclay ansprechen.
Leseprobe Don Winslow - "Germany"

Michael Connelly – (Mickey Haller: 5) „Götter der Schuld“

Montag, 1. Februar 2016

(Droemer, 509 S., HC)
Seit einer seiner Fälle als Vorlage für den Film „Der Mandant“ mit Matthew McConaughey in der Hauptrolle verfilmt worden ist, läuft es zwar noch nicht richtig rund in seiner Kanzlei, doch hat Strafverteidiger Mickey Haller nun mit dem Problem zu kämpfen, nicht mehr der einzige Anwalt zu sein, der sein Tagesgeschäft in einer Lincoln-Limousine verrichtet.
Vor allem setzt ihm aber der Umstand zu, dass er seine 17-jährige Tochter Hayley nach der verlorenen Wahl und dem damit zusammenhängenden Skandal nur noch aus der Ferne beim Fußball-Training sieht. Doch nun wird seine Aufmerksamkeit ganz von einem neuen Mordfall in Anspruch genommen: Andre La Cosse wird beschuldigt, die Prostituierte Giselle Dallinger ermordet zu haben, für die er die Internet-Präsenz verwaltete.
Erst als Haller herausfindet, dass Dallinger früher Gloria Dayton hieß und bei einem Fall einen Drogendealer mit Kontakten zum mexikanischen Kartell verpfiffen hatte, worauf sie unter neuem Namen in Hawaii ein neues Leben beginnen sollte, werden ihm die Zusammenhänge klar. Offensichtlich änderte sie zwar ihren Namen, blieb aber in Los Angeles und arbeitete nicht nur weiterhin als Prostituierte, sondern auch als Informantin für den DEA-Agenten Marco. Der wiederum ist in einen anderen Fall involviert, mit dem Haller auch zu tun bekommt, denn Gloria Dayton soll in Marcos Auftrag dem inhaftierten mexikanischen Kartell-Mitglied Hector Arrande Moya eine Waffe untergeschoben haben, damit er lebenslänglich hinter Gitter kommt.
Zusammen mit seinem Ermittler Cisco, dessen Frau (und Hallers Ex-Frau) Lorna, der aufgeweckten Nachwuchsanwältin Jennifer und seinem Fahrer Earl macht sich Haller auf die nervenaufreibende Spuren- und Beweissuche.
„Ich war überzeugt, dass mein Mandant alles Mögliche war, aber ein Mörder war er nicht. Ich war sicher, dass er der Anklagepunkte nicht schuldig war, und deshalb musste ich alle zwölf Götter der Schuld dazu bringen, am Tag der Urteilsverkündung auf mich herabzulächeln.“ (S. 315) 
Als „Götter der Schuld“ bezeichnet der Ich-Erzähler Haller in seinem fünften Fall immer wieder die zwölf Geschworenen, die über Schuld oder Unschuld der Angeklagten zu entscheiden haben. Obwohl sich Haller selbst sicher ist, diesmal einen wirklich Unschuldigen zu vertreten, ist der Weg, dies auch zu beweisen, auch diesmal schwierig und erfordert einige Tricks, mit denen er seine gewünschte Strategie erfolgreich umzusetzen versucht.
Dabei gibt es allerdings einige beklagenswerte Opfer zu betrauern, und auch an dem problematischen Verhältnis zu seiner Tochter versucht Haller zu arbeiten.
Connelly erweist sich in „Götter der Schuld“ einmal mehr als hervorragender Justiz-Thriller-Autor, der mit Mickey Haller einen charismatisch-smarten Anwalt geschaffen hat und einen vielschichtigen Fall bearbeitet, bei dem die Zeugen der Verteidigung auch mal als „feindlich“ eingestuft werden und für bewusst gesteuerte Verwirrung im Gerichtssaal sorgen.
Leseprobe Michael Connelly - "Götter der Schuld"

Steve Mosby – „Der Kreis des Todes“

Montag, 14. September 2015

(Droemer, 430 S., Pb.)
Seit sich seine depressive Frau Marie vor zweieinhalb Jahren von der Brücke stürzte, zieht Alex Connor rastlos von einem Ort zum anderen. Erst als er im Fernsehen in den Nachrichten sieht, dass seine Freundin Sarah Pepper seit fünf Tagen vermisst wird und sein Bruder James mit dem Vorfall in Verbindung gebracht wird, bricht er von Venedig aus wieder nach England auf. Obwohl James ein Geständnis abgelegt hat, seine Freundin im stark alkoholisierten Zustand getötet zu haben, kann ihre Leiche nicht gefunden werden.
Gleichzeitig sucht Detective Kearney nach der verschwundenen Rebecca Wingate. Zusammen mit seinem Partner Todd Dennis ist er seit vier Jahren an der Operation Butterfly beteiligt, die die Morde an drei Frauen und das Verschwinden zweier weiterer Opfer aufzuklären versucht.
Getrieben von Gewissensbissen, dass er nicht für Sarah da gewesen ist, als sie ihn brauchte, nachdem sie für ihn nach Maries Tod eine starke Stütze gewesen war, macht er sich in der Wohnung von Sarah und James auf die Spurensuche und stößt in Sarahs Sachen auf drastische Fotos von Leichen, darunter auch eines von Marie.
Schließlich gelangt Alex auf die Website doyouwanttosee.co.uk, auf der ein User namens Christopher Ellis ein mit dem Handy aufgenommenes Video von Maries Freitod eingestellt hat.
„Seit ich das Foto in James‘ Wohnung gefunden hatte, befand ich mich emotional im freien Fall. Jetzt musste ich herauskriegen, was passiert war und was ich tun konnte. Das Erstere war zum Teil offensichtlich. Während Sarah zu einem Artikel recherchiert hatte, war ihr dieses Video mit dem Tod meiner Frau, der Frau ihres Freundes, untergekommen und hatte zu den weiteren Nachforschungen geführt. Vielleicht so, wie ein Krebs geweckt und zu unaufhaltsamem Wachstum aktiviert wird. Als die Besessenheit von dem Thema sie immer mehr ergriff, zog sie sich von ihren Freunden und ihrer Arbeit zurück und vernachlässigte die Beziehung zu James. Es hatte sie total vereinnahmt.“
(S. 125) 
Währenddessen fasst die Polizei einen Mann namens Thomas Wells, in dessen Wagen sie drei Liter Blut in Flaschen und die Handtasche von Rebecca Wingate finden. Weitere Nachforschungen führen zu dem angesagten Künstler Timms, dessen Portraits teilweise mit dem Blut der Frauen gemalt worden sind, die Kearney als Opfer des Vampir-Killers identifizieren kann …
„Der Kreis des Todes“ ist der fünfte Roman des britischen, in Leeds lebenden Autors Steve Mosby und erschien zwei Jahre nach seinem Drittwerk „Der 50/50-Killer“, mit dem er 2007 seinen internationalen Durchbruch feiern durfte. Seither zählt Mosby zwar zu den bekanntesten Krimi-Schriftstellern Englands, doch sein Werk ist von durchwachsener Qualität. In dem Paperback „Der Kreis des Todes“, das jetzt als deutsche Erstveröffentlichung erschienen ist, entwickelt Mosby einen wirklich interessanten Plot und vor allem verschiedene Handlungsstränge, die sich einmal um Alex Connor und den Tod seiner Frau Marie und dann seiner besten Freundin Sarah, dann um die Ermittlungsarbeit von Kearney und Dennis im Fall des Vampir-Killers drehen. Allerdings gelingt es Mosby nicht so recht, echte Spannung zu erzeugen und die Motivation seiner Figuren transparent zu gestalten. Er springt so oft zwischen den Figuren, Schauplätzen und Zeiten hin und her, dass der Erzählfluss merklich ins Stocken gerät und die Dramaturgie immer wieder darunter leiden muss, dass sich der Autor in seinen zugegebenermaßen sehr bildhaften Schilderungen zu verlieren droht.
So bleibt „Der Kreis des Todes“ eine leidlich unterhaltsame Aneinanderreihung von wechselhaft spannenden Episoden, die nicht wirklich zu einem stimmigen Ganzen zusammengefügt werden.
Leseprobe Steve Mosby - "Der Kreis des Todes"

Don Winslow – (Art Keller: 2) „Das Kartell“

Sonntag, 28. Juni 2015

(Droemer, 831 S., Pb.)
Der US-amerikanische Drogenfahnder Art Keller hat sich ganz dem Kampf gegen die mexikanischen Kartelle verschrieben. Nachdem er sich in das Herz der dortigen Drogenmafia eingeschleust hatte und reihenweise Händlerringe auffliegen ließ, wurde aus dem Jäger Keller auf einmal selbst der Gejagte und sein ehemaliger Freund Adán Barrera zu seinem erbittertsten Feind. Mit seinen eigenmächtigen Aktionen zog sich Keller zwar auch den Zorn Washingtons zu, aber am Ende lag die weltweit mächtigste Drogenorganisation El Federación am Boden, ihr Anführer Barrera landete im Gefängnis, Keller zog sich in ein Kloster zurück.
Doch als Barrera einen neuen Deal aushandelt und fliehen kann, muss auch Keller seine Oase des Friedens verlassen und erneut den Kampf gegen seinen Erzfeind aufnehmen. Denn Barrera setzt wieder alles daran, das Gleichgewicht zwischen den Kartellen zu unterminieren und aus der neuen Alianza de sangre wieder die alte Federación zu etablieren. Dazu muss Barrera auch seinen Platzhalter Osiel Contreras ausschalten, der sich selbst als neuen patrón betrachtet. Was aus amerikanischer Sicht die Jagd auf Contreras, der direkt nach Bin Laden ganz oben auf der Fahndungsliste steht, schwierig macht, ist die Tatsache, dass dieser die mexikanischen Polizeibehörden in der Tasche hat. Gerardo Vera und Luis Aguilar haben mit ihren AFI- und SIEDO-Truppen zunächst das Tijuana-Kartell zerschlagen, nun machen sie zusammen mit Keller Jagd auf Barrera. Doch in diesem Krieg ist nie wirklich klar, wer auf welcher Seite steht. In dem komplexen Krieg zwischen den Kartellen sterben nicht nur die Kämpfenden, sondern auch Frauen, Kinder, Polizisten, schließlich auch Journalisten.
Als der anonyme Internet-Blog Esta Vida die Grausamkeiten des Drogenkriegs dokumentiert, gerät auch Pablo ins Visier der Drogenmafia.
„Früher hat er lange und tief geschlafen, sich wohlig hin und her gewälzt, seine Träume ausgekostet. Jetzt hasst und fürchtet er den Schlaf. Denn mit dem Schlaf kommen die Alpträume. Das ist schlecht für einen Mann, der Tausende von Morden gesehen hat. Und die Tausend ist keine rhetorische Ziffer, wie er nachts einmal nachgerechnet hat, nein, es waren wirklich so viele Morde. Nicht die Morde direkt, natürlich, obwohl er manchmal nur Minuten später am Tatort stand, sondern die Folgen. Die Toten, die Sterbenden, das Grauen. Die Verstümmelten, die Enthaupteten, die Gehäuteten.“ (S. 755) 
Zehn Jahre nach seinem Meisterwerk „Tage der Toten“, mit dem der amerikanische Bestseller-Autor Don Winslow („Zeit des Zorns“, „Missing – New York“) auf fiktive Weise die realen Hintergründe des ebenso komplexen wie brutalen mexikanischen Drogenkrieges verarbeitete, legt Winslow nun mit „Das Kartell“ eine Fortsetzung nach, die in jeder Hinsicht ein epochales Thriller-Epos darstellt.
Dabei lässt er mit den Adán Barrera und Art Keller nicht nur die beiden charismatischen Protagonisten aus „Tage der Toten“ wieder aufeinandertreffen, sondern führt einige weitere interessante Figuren ein, die mit ihren Lebensgeschichten jeweils genug Stoff für einen eigenen Roman bieten würden. Das betrifft nicht nur die einzelnen Anführer der Kartelle oder die Polizeichefs, Winslow zeichnet auch die Frauenfiguren und die Journalisten so vielschichtig und authentisch, dass der Leser sich mitten in diesem äußerst blutigen Krieg zu befinden scheint.
Dabei vermischt Winslow auf gekonnte Weise die Fakten mit einer spannenden Handlung, die von unberechenbaren Figuren vorangetrieben wird.
Es ist zwar hilfreich und auch unbedingt zu empfehlen, „Tage der Toten“ gelesen zu haben, aber „Das Kartell“ bildet ein ganz eigenständiges Werk, in dem es nicht nur um die Wahrung und Ausweitung von Machtverhältnissen geht, um gesicherte Transportwege für Drogen- und Waffenlieferungen bis nach Europa, sondern auch um Korruption und Rache. Selbst Art Keller wandelt hier auf einem schmalen moralischen Grat.
Vielleicht ist „Das Kartell“ der beste Thriller des Jahres, auf jeden Fall wirkt dieses atmosphärisch dicht geschriebene, pulsierend spannende Werk lange nach.
Leseprobe Don Winslow - "Das Kartell"

John Katzenbach – „Der Psychiater“

Freitag, 3. April 2015

(Droemer, 573 S., HC)
Nach 99 trockenen Tagen befürchtet der Historiker Timothy Warner, wieder rückfällig zu werden, weshalb er sich mit seinem Onkel zum Treffen der Anonymen Alkoholiker in der First Redemption Church verabredet. Als dieser aber nicht in der Redeemer One, wie sie die Kirche scherzhaft nennen, auftaucht, macht sich Moth, wie Timothy seit der Highschool genannt wird, auf dem Weg zur Praxis seines Onkels und trifft ihn erschossen in seinem eigenen Blut liegend vor. Auch wenn die Polizei unter Leitung der Staatsanwältin Susan Terry, die wegen ihres Kokain-Problems ebenfalls zu den AA-Treffen in der Redeemer One geht, von einem Selbstmord ausgeht, ist sich Moth ebenso sicher, dass sein Onkel ermordet wurde.
Weil er nicht weiß, wie er seinen Plan, den Mörder zu finden und zur Rechenschaft zu ziehen, umsetzen soll, wendet sich Moth an seine Ex-Freundin Andrea, die nach dem Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft selbst nicht ganz bei sich ist. Bei ihren Recherchen stoßen sie bald auf weitere Fälle, in denen Studienkollegen von Timothys Onkel unter ähnlich mysteriösen Umständen zu Tode gekommen sind.
Von Jeremy Hogan, dem damaligen Dozenten der vier betroffenen Psychiater, erhoffen sich Moth und Andy endlich die Hinweise, die sie zum bislang so cleveren Killer führt.
„Moth wusste nicht weiter. Fieberhaft überlegte er, wie er das Gespräch fortsetzen sollte. Die Fragen, die er an Professor Hogan hatte, kamen alle auf einmal und steckten ihm im Halse fest. Er suchte nach Antworten und brachte kein Wort heraus. So sicher er war, sich auf der richtigen Spur zu befinden, hatten ihm alle befragten Personen bisher nicht die ersehnten Fakten oder Zeugen liefern können. Doch die Stimme in der Leitung war anders. Sie hatte Gewicht.“ (S. 240) 
Schließlich können Moth und Andy auch Susan Terry dazu bewegen, den Fall noch einmal zu untersuchen und sie bei der Suche zu unterstützen. Es hat den Anschein, als jagten sie ein Phantom. Doch das hat schon längst die Fährte seiner Verfolger aufgenommen …
Der ehemalige Gerichtsreporter John Katzenbach hat sich mit Bestsellern wie „Der Patient“ und „Die Anstalt“ in die erste Liga amerikanischer Spannungsautoren geschrieben. Wie in seinen vorangegangenen Werken entwickelt Katzenbach auch in seinem neuen Psychothriller „Der Psychiater“ vom ersten Satz an einen Sog, dem man sich nicht mehr entziehen kann. Im Gegensatz zu spektakulären Wendungen, die seine Kollegen zum Finale hin oftmals konstruieren, um die Spannungsschraube noch mal anzuziehen, darf sich Katzenbach ganz auf sein Geschick verlassen, die ausgefeilte Psychologie seiner Figuren in der Arena auf sich wirken zu lassen.
Vor allem im zweiten Teil, der treffenderweise mit „Wer ist die Katze und wer die Maus“ untertitelt ist, ist es spannend zu verfolgen, wie die mit ihren eigenen Problemen kämpfenden Moth und Andy gemeinsam zu einem effizienten Team werden, mit dem der Killer zu rechnen hat.
Auch wenn die Umstände ihrer Ermittlungen manchmal etwas unglaubwürdig wirken, ist das Katz-und-Maus-Spiel zwischen den beiden Jung-Akademikern und dem ominösen „Student Nr. 5“ fesselnd geschrieben, wobei Katzenbach vor allem die psychologischen Motivationen gut herausgearbeitet hat und seinen Leser so einen packenden Pageturner präsentiert.
Leseprobe John Katzenbach - "Der Psychiater"

Don Winslow – (Frank Decker: 1) „Missing. New York“

Montag, 3. November 2014

(Droemer, 395 S., Pb.)
Frank Decker ist noch Ermittler bei der Polizei in Lincoln, Nebraska, als er einen „Code 64“ übermittelt bekommt, eine Vermisstenmeldung. Da er sich gerade in der Nähe befindet, steuerte er den Bungalow in dem Viertel Russian Bottoms an und unterhält sich mit der Mutter des gerade mal fünf Jahre jungen afroamerikanischen Mädchens Hailey Hansen. Nach Aussage der alleinerziehenden Mutter ist das Mädchen beim Spielen im Vorgarten verschwunden, als sie selbst kurz auf Toilette gegangen war. Decker weiß so gut wie jeder, der mit Vermisstenfällen von Kindern zu tun hat, dass die Chancen, die Kinder lebend zu finden, mit jeder verstrichenen Stunde dramatisch schwinden.
Als mit Brittany Morgan ein weiteres, diesmal weißes Mädchen verschwindet, hilft die Zeugenaussage eines Jungen der Polizei, Harold Gaines festzunehmen, der vor fünf Jahren wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt worden war und seit kurzem wieder auf freiem Fuß ist. Als Brittany tot aufgefunden wird, schmeißt Decker seinen Job hin, setzt seine ohnehin kriselnde Ehe in den Sand und widmet sich fortan nur noch der Suche nach Hailey, weil er ihrer Mutter versprochen hat, sie zurückzubringen. Seine Spur führt ihn zu einer Tankstelle nach Jamestown, wo Hailey mit ihrem Spielzeugpferd beim Verlassen der Toilette gesehen wurde, und schließlich nach New York, wo Decker den prominenten Modefotografen Clay Welles und ein Model kennenlernt, das eine verblüffende Ähnlichkeit mit Hailey besitzt … Der Aufenthalt in New York führt Decker in einen undurchsichtigen Sumpf aus altem Geldadel mit bizarren Vorlieben, exklusiven Bordellen und einem weit verzweigten Handel mit Mädchen. Schließlich bekommt er es sogar mit der Mafia und einigen üblen Schlägern zu tun.
„Ich sah wirklich aus wie Scheiße. Ich arbeitete an einem Dreitagebart, meine blau gehauenen Augen changierten in ein morbides Lila, meine Kinnpartie war verquollen, im Mundwinkel hatte ich getrocknetes Blut. Irgendwann hatte es wieder angefangen zu bluten, und ich hatte es nicht gemerkt.
Ich musste fast lachen.
Das war nicht mehr der Frank Decker aus Lincoln.
Von dem trennten mich ein Jahr, ein paar tausend Meilen und ein Haufen Erfahrungen.
Das Lustige war, ich konnte mich kaum noch an den Kerl erinnern. Der steckte irgendwo noch in mir drin, aber wo?“ (S. 342)
Der New Yorker Thriller-Autor Don Winslow hat es innerhalb weniger Jahre geschafft, zu einem der meistprämierten Genre-Größen zu avancieren. Nicht zuletzt Oliver Stones Verfilmung von „Zeit des Zorns“ machte den Amerikaner auch hierzulande populär, wo er 2011 mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet wurde.
Mit „Missing. New York“ präsentiert Droemer nun den Start einer neuen Reihe, mit der Winslow den ehemaligen Cop Frank Decker vermisste Personen aufspüren lässt, für die sich die dafür zuständigen Behörden recht schnell nicht mehr interessieren. Winslow hält sich nicht lange mit einer Einführung auf, sondern stellt seinen Protagonisten Frank Decker als tatkräftigen Mann dar, der zwar seine Ehe ruiniert hat, aber sonst zu seinem Wort steht.
Der Roman entwickelt sich ab der ersten Seite zu einem echten Pageturner. Das liegt nicht nur an dem emotional aufgeladenen Vermisstenfall, sondern auch an der rasant inszenierten Handlung. Auch wenn die Geschichte den Verlauf eines Jahres abdeckt, beschränkt sich Winslow nur auf die Episoden, in denen auch etwas passiert. Und sobald Decker erst einmal im Schmelztiegel New York angekommen ist, überschlagen sich schließlich auch die Ereignisse bis zu einem packenden Finale, das Lust auf weitere Decker-Abenteuer macht.
Leseprobe Don Winslow - "Missing. New York"

John Katzenbach – „Der Wolf“

Samstag, 27. Oktober 2012

(Droemer, 510 S., HC)
„Ihr kennt mich nicht, aber ich kenne euch. Es gibt drei von euch. Ich habe beschlossen, euch
Rote Eins
Rote Zwei
Rote Drei
zu nennen. Ich weiß, dass sich jede von euch im Wald verirrt hat. Und genauso wie das kleine Mädchen im Märchen seid ihr auserwählt zu sterben.“
So endet der kurze Brief mit New Yorker Poststempel, den drei Frauen mit auffallend roten Haaren zur gleichen Zeit in ihrem Briefkasten finden. Verfasst hat sie ein mäßig erfolgreicher Thriller-Autor, der sich dem Rotkäppchen-Märchen entsprechend Böser Wolf nennt und hinter seiner unauffälligen bürgerlichen Fassade mit großer Präzision den Mord an der Internistin Dr. Karen Jayson, der College-Studentin Jordan Ellis und der Lehrerin Sarah Locksley plant, die noch immer nicht den Tod ihres Mannes und ihrer Tochter verkraftet hat.
Nach den Briefen folgen Hinweise auf YouTube-Links zu Videos, die die Frauen in alltäglichen Situationen zeigen. Doch die Internet-Links geben den Frauen die Gelegenheit, miteinander in Kontakt zu treten. Obwohl jede von ihnen gerade eine Lebenskrise zu meistern hat, schöpfen sie den Mut, sich nicht ihrem Schicksal zu ergeben und darauf zu warten, bis der Böse Wolf zuschlägt, sondern sie planen, den Spieß umzudrehen und ihren Peiniger aufzuspüren. Derweil ahnt der Böse Wolf nicht, dass ihm noch von ganz unerwarteter Seite eine Bedrohung naht, die es abzuwenden gilt. Doch in dem Wettkampf mit seinen Opfern strahlt er nach wie vor eine unerschütterliche Zuversicht aus:
„Der Böse Wolf war stolz darauf, wie er seine fiktionalen Welten perfekt mit der Realität in Deckung brachte. In beiden Welten war er ein Mörder. Für ihn gab es kaum noch einen Unterschied zwischen den drei Roten und ihrer Verarbeitung zu Romanfiguren. Beide Welten, die Wirklichkeit und die Fiktion, meisterte er souverän. Die Gewissheit, an beiden Schauplätzen so routiniert zu sein, erfüllte ihn mit einer diebischen Freude.“ (S. 404f.) 
In seiner langjährigen erfolgreichen Schriftstellerkarriere hat der amerikanische Autor John Katzenbach („Die Anstalt“, „Der Patient“) regelmäßig authentisch wirkende Psychopathen geschaffen, die mit akribischer Leidenschaft ihre Taten planten und ausführten. An diese Qualität schließt „Der Wolf“ nahtlos an. Was den Thriller dabei so interessant macht, sind die drei Handlungsebenen, auf denen Katzenbach agiert. Natürlich nimmt der Plan des Bösen Wolfs, seine drei Opfer nach minutiöser Berechnung zu töten, zunächst den größten Raum der Geschichte ein, doch das Gleichgewicht verschiebt sich, sobald die drei im Visier ihres Peinigers stehenden Frauen sich zusammenfinden und ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Und zuletzt greift auch die ganz und gar biedere Ehefrau des Bösen Wolfs ins Geschehen ein, was dem Roman eine packende Dynamik verleiht. Katzenbach versteht es, seine Figuren psychologisch fundiert zu zeichnen und sie in außergewöhnlichen Situationen aufeinander wirken zu lassen, was „Der Wolf“ zu einem äußerst spannenden, kurzweiligen Lesevergnügen macht.

Lotte & Søren Hammer – „Schweinehunde“

Samstag, 25. Juni 2011

(Droemer, 504 S., HC)
Seit die schwedischen Bestseller-Autoren Henning Mankell und Hakan Nesser die Lust an skandinavischen Krimis geweckt haben, hat sich auch hierzulande ein reges Interesse an skandinavischer Spannungsliteratur entwickelt, das seinen vorläufigen Höhepunkt durch die gefeierte „Millennium“-Trilogie von Stieg Larsson erreichte. In diesem Zuge erscheinen natürlich auch Krimis, die den hohen Standard bereits bekannter Autoren allerdings nicht halten können – wie das thematisch aufwühlende Debüt des dänischen Geschwisterpaars Liselotte Hammer Jacobsen und Søren Hammer Jacobsen.
In Bagsvaerd, einem Vorort von Kopenhagen, finden zwei Kinder in der Turnhalle ihrer Schule eines Morgens fünf nackte Männer von der Decke hängen, akkurat aufgeknüpft und bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Als Kriminalhauptkommissar Konrad Simonsen von seinem abgebrochenen Urlaub mit seiner 16-jährigen Tochter an den Tatort kommt, macht sich schnell der Hausmeister Per Clausen verdächtig, der mit seinen irreführenden Antworten die Polizei an der Nase herumführt.
Doch bevor seine Ermittler Nathalie „Comtesse“ von Rosen, der spielsüchtige Arne Pedersen, die junge Pauline Berg und der pensionierte, aber erfahrene Kaspar Planck den hochdekorierten Statistiker, der nach dem Tod seiner Tochter völlig aus der Bahn geworfen wurde, weiter befragen können, setzt Per Clausen seinem Leben ein Ende. Als die Presse die Identität einiger Opfer enthüllt und verlauten lässt, dass es sich um Pädophile handelt, beginnt in der Öffentlichkeit eine erbarmungslose Hetzjagd gegen alle, die irgendwann einmal wegen Unzucht mit Minderjährigen in Verruf geraten sind. Organisationen werden gegründet, um sich für härtere Strafen gegen die Kinderpornographie einzusetzen, Webseiten werden ins Leben gerufen, Massenmails verschickt.
Five paedophiles executed in Denmark.
Die Überschrift der Mail ging einem direkt unter die Haut, ihr Inhalt war ein manipulierendes Sammelsurium aus Fiktion und Fakten: Um den Kinderpornographie-Export des Landes nicht zu gefährden, verschweige der Staat, dass es sich bei den fünf Hingerichteten um Pädophile handele, was aber gut zur Tatsache passé, dass Dänemark pädophile Vereinigungen und Internetseiten zulasse und sich standhaft weigere, eine bindende polizeiliche Zusammenarbeit mit den übrigen EU-Staaten einzugehen. Das Strafmaß für den sexuellen Missbrauch von Kindern sei lächerlich niedrig und wirke eher wie der Nachweis der offiziellen Akzeptanz dieses Verbrechens.“ (S. 147)
Da sich in der dänischen Bevölkerung immer mehr die Überzeugung durchsetzt, dass die hingerichteten Opfer ihre Strafe verdient haben, stoßen Simonsen und sein Team vielerorts auf taube Ohren und wenig Bereitschaft zur Mithilfe bei der Auflösung des Verbrechens. Aber auch mit der Presse und den Politikern hat die Polizei ihre Probleme …
Das Setting von „Schweinehunde“ hat eigentlich alles, was einen guten Krimi auszeichnet: einen Aufsehen erregendes Verbrechen, ein interessantes Ermittlerteam, dessen einzelne Persönlichkeiten auch Raum für private Seitenwege lassen und ein auch gesellschaftlich brisantes Thema. Doch das über 500 Seiten starke Buch schwächelt gleich auf mehreren Ebenen: Nicht nur die allzu trockene Sprache, die keine Empathie weder für die Handlung noch die Figuren aufkommen lässt, verleidet den Lesegenuss, auch die frühzeitige Erkenntnis über den Täter und seinen Hintergrund nehmen die Spannung weg. Die Handlung konzentriert sich zunehmend darauf, Kinderpornographie und Pädophilie und die zu laschen Strafen in Dänemark zu thematisieren, worauf wenig glaubwürdig ein Szenario beschrieben wird, in dem die Polizei ohnmächtig gegen eine zur Selbstjustiz aufgehetzte Öffentlichkeit ankämpft. Zum Ende hin nimmt das etwas zu langatmige Krimidrama zum Glück wieder etwas Fahrt auf und kommt auch sprachlich geschliffener daher, so dass die Hoffnung genährt wird, dass die Fortsetzungen etwas spannender und interessanter zu lesen sind. Vom „besten dänischen Kriminalroman seit langem“, wie das K. Dagblad meint, ist  so noch weit entfernt.

John Katzenbach – „Der Professor“

Montag, 15. November 2010

(Droemer, 555 S., HC)
Seit drei Jahren ist der vor kurzem pensionierte Psychologieprofessor Adrian Thomas Witwer und verliert den letzten Lebenswillen, als ihm der Arzt die seltene Lewy-Körper-Demenz im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert, bei der rasch mit fortschreitendem Verlust von Körperfunktionen, des kritischen Denkvermögens, sowie von Kurz- und Langzeitgedächtnis zum Krankheitsbild gehören, bis nach fünf bis sieben Jahren mit dem Tod zu rechnen ist. Nun, die im Nachttisch aufbewahrte Neun-Millimeter-Halbautomatik dürfte dem Leiden ein schnelleres Ende bereiten. Noch einmal begibt sich Thomas auf dem Wanderweg zum Mount Pollux hinauf, blickt auf den Universitätscampus hinab, erfreut sich an den Frühlingsboten und hängt schönen Erinnerungen an sein vergangenes Leben nach. Doch auf dem Rückweg bemerkt er ganz in der Nähe seines Hauses ein Mädchen im Teenageralter, dann einen weißen Kleinlastwagen. Plötzlich ist das Mädchen verschwunden. Nur eine rote Baseballkappe erinnert noch daran, dass es eben noch hier war.
Der bereits unter Wahnvorstellungen leidende Thomas berät sich zunächst mit seiner toten Frau, dann auch mit seinem durch eigene Hand gestorbenen Bruder Brian und beschließt, erst die Polizei zu informieren und dann auf eigene Faust zu ermitteln. Während Detective Terri Collins zunächst davon ausgeht, dass Jennifer Riggins einen weiteren Ausreißversuch unternommen hat, befindet sich das Mädchen allerdings in der Hand eines perfiden Verbrecherpaars, das einem wohlsituierten Publikum die filmische Dokumentation ihrer Folter verkauft.
„Das Schöne an Whatcomesnext.com war die Kunst des Unberechenbaren. Niemand konnte je im Voraus wissen, was die Kamera einfangen würde. Niemand sollte den nächsten Schachzug vorhersagen können. Weder die tatsächliche Dauer der Serie noch das spezielle Thema ahnten sie. Ein fast nackter Teenager, der in einem anonymen Raum an eine Wand gekettet war, bot eine Folie für unendlich viele Möglichkeiten.“ (S. 218 f.)
Jennifers Leben hängt vor allem davon ab, dass sie ihr Publikum zu unterhalten versteht. Wird sie nicht vorher gefunden und beginnt sie ihr zahlendes Publikum zu langweilen, ist sie ebenso wie Adrian Thomas dem Tod geweiht …
John Katzenbach hat sich bereits mit Bestsellern wie „Die Anstalt“ und „Der Patient“ erschreckend intensiv mit den Abgründen der menschlichen Psyche auseinandergesetzt. Das Thema, das er sich für „Der Professor“ ausgesucht hat, ist vielleicht nicht gerade neu, aber durchaus packend umgesetzt worden. Zwar werden alle Beteiligten mit ihren Motivationen ausführlich vorgestellt und begleitet, aber der titelgebende Professor steht mit seiner Suche nach dem entführten Mädchen im Mittelpunkt. Spannende Psycho-Thriller-Kost für stahlharte Nerven!