Dexter Tennant war gerade mal sechs Jahre alt, als er im Lake George ertrunken ist, wofür Jack, Dexters älterer Bruder, sein Leben lang ihren gemeinsamen Vater, Colonel Gil Tennant, verantwortlich gemacht hat, weil dieser statt auf Dex aufzupassen lieber seinem täglichen Whiskey-Konsum frönte. Folglich brach Jack vor fünfzehn Jahren mit seiner Familie und zog nach Georgia, wo er nach zwei Studienabschlüssen an einer drittklassigen Provinzuni als Dozent für Amerikanische Literatur arbeitet und eine glückliche Beziehung mit Hahva Finn unterhält.
Die Nachricht, dass Vater Tennant einen heftigen Schlaganfall erlitten hat und nun unter dem seltenen Locked-in-Syndrom leidet, was ihn quasi bewegungsunfähig macht, lässt Jack nach Hause zurückkehren, obwohl er einen tiefen Hass seinem Vater gegenüber empfindet. Schließlich hat dieser nicht verhindern können, dass der geliebte Dexter ertrunken ist, sondern – so Jack – auch das Leben seines älteren Bruders Pressman und Jacks Traum von der Karriere als Konzertpianist zerstört. Und nun soll ausgerechnet Jack seinen Vater pflegen …
„Alle anderen schlafen, und hier bin ich, allein mit meinem aufgezogenen Vater. Er sieht mich an. Ich sehe ihn an. Und mir wird etwas klar: Mein Vater ist nicht mehr der Herr des Schweigens in diesem Haus, sondern ihr Opfer. Er stürzt jetzt auf das Große Schweigen, das Ewige Schweigen zu, während ich hier so lange sitzen kann, wie ich will. Ich kann reden oder nicht. Ich kann die Wortlosigkeit verordnen. Er kann das Zimmer nicht verlassen. Er kann mich nicht ignorieren. Er kann nicht verweigern, widersprechen, fortschicken, verschmähen oder vorenthalten.“ (S. 136)Allerdings muss Jack nach seiner erzwungenen Rückkehr in sein Elternhaus auch feststellen, dass er seinen Vater nie richtig kennengelernt hat. Hahva hält es nicht mehr aus, wie sich Jack in seinem ehemaligen Zuhause aufführt, und reist wütend ab. Jack versucht derweil, über seinen Kumpel sein altes Auto zu verkaufen, um für Hahva einen kleinen Verlobungsring kaufen zu können. Und immer wieder hängt ihm sein Bruder Press in den Ohren, dass die Pflege ihres Vaters ihr Erbe auffrisst, dass es nur gerecht wäre, Vater von seinem Dasein zu erlösen, doch eher scheint sich Jack selbst in die ewigen Jagdgründe schicken zu wollen …
Der in Louisville, Kentucky geborene und als Dozent für Englische Literatur an der University of Georgia und am Savannah College of Art & Design tätige Adam Davies hat mit „Goodbye Lemon“ einen wunderbar leichtfüßigen wie humorvollen, dabei aber auch tief berührenden und vielschichtigen Roman über das Schweigen und die daraus resultierenden Missverständnisse geschrieben. Es ist aber auch eine Geschichte über das Erinnern und Vergessen, über Schuld und Vergebung, um die Sprach- und Verständnisbarrieren zwischen Eltern und Kindern, aber auch zwischen Liebenden, und schließlich ist es ein Roman über den Mut, das Leben in die eigene Hand zu nehmen.
Leseprobe Adam Davies - "Goodbye Lemon"
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