David Morrell – (Thomas De Quincey: 1) „Der Opiummörder“

Montag, 7. Dezember 2015

(Knaur, 524 S., Tb.)
Mit fast drei Millionen Einwohnern ist London im Jahr 1854 die größte Stadt der Welt. Entsprechend groß ist die Aufregung und Angst, als ein Mörder den Besitzer eines Ladens, dessen Frau und die beiden Töchter grausam abschlachtet. Der vierzigjährige Detective Inspector Sean Ryan und sein junger Constable Joseph Becker übernehmen die Ermittlungen und stellen anhand der Fußabdrücke und eines wenig später gefundenen Rasiermessers fest, dass der Täter aus gut betuchten Kreisen stammen muss.
Commissioner Mayne sieht sofort Parallelen zu den Morden von Ratcliffe Highway, die London im Dezember 1811 erschütterten. Der Klöpfel eines Schiffszimmermanns mit den Initialen J.P. ist nämlich auch bei den aktuellen Morden am Tatort aufgetaucht.
Als Täter wurde damals der junge Seemann John Williams ausgemacht, der sich allerdings im Gefängnis erhängt hat. Für die neuen Morde hat der einflussreiche Lord Palmerston auch schon einen Verdächtigen: den skandalumwitterten Sensationsautoren Thomas De Quincey, der nicht nur seine Opiumsucht öffentlich gemacht hat, sondern sich mit seinem Aufsatz „Der Mord als eine schöne Kunst betrachtet“ als Experte für diese Art von Mehrfachmorden ausgewiesen hat.
Während Palmerston De Quincey ins Gefängnis sperrt, um die Bevölkerung zu beruhigen, machen sich Ryan, Becker mit De Quinceys Hilfe auf die Suche nach dem wirklichen Täter …
„Die Nachricht von den Morden hatte sich unverkennbar selbst hier, am südlichen Ufer der Themse und weit entfernt vom Ratcliffe Highway, auf die Stimmung der Menschen ausgewirkt. Die Fußgänger bewegten sich nicht mehr gemächlich voran. Die Mienen waren nachdenklich und wachsam. Ein Mann, der Bratkartoffeln von einem Karren verkaufte, machte den Eindruck, als misstraute er jedem, der sich ihm näherte, aus Angst, von einem Kunden angegriffen zu werden. Becker hatte die Erlaubnis erhalten, seine Uniform gegen Zivilkleidung auszutauschen, damit er weniger Aufmerksamkeit erregte. Es war ein weiterer Schritt hin zu seinem Ziel, Polizeidetektiv zu werden, aber jetzt wünschte er sich, es sei unter anderen Umständen geschehen.“ (S. 159) 
Die Spuren führen schließlich nach Indien, wo das britische Königreich massiv seine Hände im Opiumschmuggel hat …
Der promovierte Literaturwissenschaftler David Morrell ist mit seinen „Rambo“-Romanen zu einem international anerkannten Spannungsautoren avanciert, der mit „Der Opiummörder“ für sich neues Terrain erobert. Inspiriert von Jon Amiels Darwin-Biopic „Creation“ hat sich Morrell zwei Jahre lang intensiv mit den historischen Fakten auseinandergesetzt, die das Leben in London in der Mitte des 19. Jahrhunderts geprägt haben – vor allem hat er sich intensiv die Schriften von Thomas De Quincey zu Gemüte geführt, die nicht nur Wegbereiter für Freuds Theorien des Unterbewussten waren, sondern auch zur Erfindung des Detektivromans geführt haben.
„Der Opiummörder“ ist nicht nur spannend geschrieben, sondern führt dem Leser das London jener Zeit ganz lebendig vor Augen. Morrell gelingt es, in der meisterhaft konstruierten Atmosphäre starke Figuren zusammenzuführen, wobei wechselnde Erzählperspektiven für zusätzliche Abwechslung in einem ohnehin sehr kurzweiligen und packenden historischen Thriller in bester Jack-the-Ripper-Tradition sorgen.
Leseprobe David Morrell - "Der Opiummörder"

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