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Thomas Harris - „Hannibal Rising“

Donnerstag, 1. Oktober 2009

(Hoffmann und Campe, 345 S., HC)
Wenn man sich erst einmal mit einem psychopathischen Serienkiller angefreundet hat, will man irgendwann vielleicht auch erfahren, wie diese Bestien zu dem geworden sind, was sie sind. So geschehen bei Norman Bates, dessen Kindheitstraumata wir nach drei „Psycho“-Filmen in „Psycho IV: The Beginning“ zu sehen bekamen, und nun ist es nach „Roter Drache“, „Das Schweigen der Lämmer“ und „Hannibal“ auch an der Zeit, etwas tiefer in die Vergangenheit von Hannibal Lecter einzutauchen. Thomas Harris, dem das seltene Glück zuteil geworden ist, dass alle seine Romane auch verfilmt worden sind, schrieb parallel zu seinem neuen Roman passenderweise gleich das Drehbuch dazu, so dass der Film zum Roman auch schon Mitte Februar in den deutschen Kinos zu sehen ist. Hannibal wächst in der von Hannibal dem Schrecklichen (1365-1428) erbauten Burg Lecter in Litauen auf und muss zum Ende des Zweiten Weltkriegs in dem Jagdhaus, in dem die Familie die Kriegswirren zu überleben versuchte, miterleben, wie nicht nur seine Eltern von desertierten Osttruppen-Soldaten ermordet werden, sondern auch seine geliebte Schwester Mischa. Wenig später greifen sowjetische Soldaten den völlig verstörten und verstummten Jungen im Wald auf und bringen ihn ins nächste Dorf.
1946 wird Hannibal im Alter von dreizehn Jahren von seinem Onkel Robert nach Frankreich geholt und entwickelt für die japanische Frau seines Onkels, Lady Murasaki, zunehmend zärtlichere Gefühle. Der aufgeweckte und extrem gelehrige Junge beginnt mit medizinischen Studien und begeht seinen ersten Mord an einem Metzger, der Lady Murasaki zu beleidigen wagte. Auch wenn ihm die Tat nicht nachgewiesen werden konnte, steht Hannibal fortan unter Verdacht des Polizeiinspektors Popil. Doch Hannibal, der nur noch von dem Wunsch angetrieben wird, Rache an all jenen zu nehmen, die seine Familie auslöschten, entzieht sich immer wieder geschickt dem Zugriff der Polizei … Thomas Harris ist mit „Hannibal Rising“ ein vielschichtiges Psychogramm eines jungen Menschen gelungen, der mit großer intellektueller Präzision und ohne jegliche emotionale Beteiligung seine Auffassung von Gerechtigkeit lebt.


Thomas Harris - „Hannibal“

(Hoffmann und Campe, 527 S., HC)
Dass sich Thomas Harris mit der Fortsetzung seines Psychothriller-Megaerfolgs „Das Schweigen der Lämmer“ Zeit lassen würde, war vorherzusehen. Immerhin vergingen bislang stets jeweils mindestens sechs Jahre zwischen seinen Romanen, die allesamt Bestseller und verfilmt wurden, nur wurde bislang keines seiner Bücher dermaßen heiß erwartet wie die zwangsläufige Fortsetzung des 1988 veröffentlichten, unter der Regie von Jonathan Demme mit Jodie Foster und Anthony Hopkins verfilmten Hits „Das Schweigen der Lämmer“. Wenn man „Hannibal“ zur Hand nimmt und die ersten Seiten liest, kommt es einem nicht so vor, als lägen über elf Jahre zwischen dem zweiten und dritten Hannibal-Lecter-Roman, so lebendig ist einem das nervenaufreibende Psycho-Duell zwischen der jungen, noch in der Ausbildung befindlichen FBI-Agentin Clarice Starling und dem hochintelligenten Psychokiller Dr. Hannibal Lecter noch in Erinnerung.
Dass Starling unter Mithilfe von Lecter schließlich den gesuchten Serienmörder Jame Gumb ausfindig und unschädlich machen konnte, war allerdings für die Karriere der jungen Agentin nicht unbedingt förderlich. Der frühe Überraschungserfolg brachte viele Neider auf den Plan, die Starling einige Steine in den Weg auf der Erfolgsleiter gelegt haben. Mittlerweile steht Starling mal hier, mal dort auf Abruf bereit und wird gleich die tragische Hauptfigur einer verpfuschten Drogenrazzia, bei der zwei ihrer Kollegen ebenso draufgehen wie die zu verhaftende Drogenproduzentin Evelda Drumgo, worauf Starling auf der Titelseite des National Tattler als „Killermaschine des FBI“ bezeichnet wird. FBI-Direktor Tunberry möchte Starling zur Beruhigung der Massen opfern, doch kann Jack Crawford, der Starlings Karriere von Beginn an gefördert hat, in letzter Minute mit einem Deal verhindern. Starling, die kurz nach dem Drogenrazziadebakel einen Brief von Hannibal Lecter erhält, soll sich mit Mason Verger treffen, der früher Patient bei Lecter gewesen ist und - wenn auch grausig von ihm verstümmelt - der einzig Überlebende unter Lecters Opfern ist. Er hat ein Kopfgeld auf Lecters Ergreifung ausgesetzt und scheut vor keinen Mitteln zurück, Lecter auch zu fassen zu kriegen.
Neben der weiterhin faszinierenden Beziehung zwischen Lecter und Starling erhält „Hannibal“ seine atemlose Spannung eben gerade auch durch dieses prickelnde Psychoduell zwischen Patient und Doktor, zwischen Täter und Opfer.