James Herbert – „48“

Samstag, 4. April 2009

(Bastei Lübbe, 391 S., Tb.)
Der britische Autor James Herbert, dessen Roman „Besessen“ erfolgreich als „Haus der Geister“ verfilmt worden ist, hat mit „‘48“ ein intensives, hochdramatisches Kammerspiel inszeniert. Der Roman spielt im Nachkriegs-London, wobei die Stadt 1948 durch eine Wunderwaffe völlig zerstört worden ist. Nur wenige Menschen, nämlich die Angehörigen der Blutgruppe AB-negativ, entkommen dem schleichenden Tod. Fünf recht unterschiedliche Menschen suchen Zuflucht in den Ruinen eines verlassenen Grandhotels und müssen der Zerstörungswut von draußen durch Zusammenhalt standhalten.
Doch die Lage spitzt sich immer dramatischer zu, je näher sich die zwei befreundeten Frauen, ein undurchsichtiger Deutscher, ein weltfremder Engländer vom Zivilschutz und ein Kriegsfreiwilliger aus Kanada kennenlernen.
James Herbert verband so in „‘48“ seine bekannte Vorliebe für apokalyptische Szenarien, die er besonders eindrucksvoll in seiner Ratten-Trilogie zeichnete, mit nervenaufreibendem psychologischem Grauen zu einem klaustrophobisch beängstigenden Roman.

Bill Willingham, Kevin Nowlan u.a. - “Sandman: Was Sie schon immer über Träume wissen wollten…”

(Speed/Tilsner, 42 S., Pb.)
Der eigentliche „Sandman“-Zyklus, der gemeinhin als „das größte Epos in der Geschichte der Comics“ (Los Angeles Time Magazine) betrachtet wird, war mit dem elften Band „Das Erwachen“ eigentlich beendet, aber sein Schöpfer Neil Gaiman wird wohl doch immer mal wieder neue „Sandman“-Geschichten aus seinem Hut zaubern.
Das gerade mal 42 Seiten umfassende „Sandman“-Special „Was Sie schon immer über Träume wissen wollten…“ ist auf der einen Seite eine kleine Einführung in das farben- und figurenprächtige Universum von Sandman und seinen Geschwistern, den Ewigen, die kurz vorgestellt werden, gefolgt von kurzen Inhaltsangaben der elf „Sandman“-Bände, die in einheitlicher Aufmachung bei Speed neu aufgelegt wurden. Schließlich werden auch die wichtigsten der ständig präsenten Nebendarsteller vorgestellt, wie der Kürbiskopf Mervyn, der Rabe Matthew, der Bibliothekar Lucien, Luzifer, die „zweihunnertunfuffzich“ Jahre alte Hexe Mad Hettie und andere, ehe in kurzen und amüsanten Comic-Stories die Fragen beantwortet werden, wodurch Alpträume verursacht werden, ob Traumgestalten schlafen und selber auch Träume haben, warum so viele Träume sexueller Natur sind, warum manche Leute in Farbe und manche in Schwarz-Weiß träumen, was immer wiederkehrende Träume verursacht, ob in Träumen universelle Symbole auftauchen, die von Fachleuten gedeutet werden können, warum man Schlafwandler nicht aufwecken soll, wieso man sich oft nur schlecht an seine Träume erinnern kann. Ein zweiseitiges Portrait von Neil Gaiman und eine Bibliographie runden das kleine Heft schließlich ab.

Brian K. Vaughan, Pia Guerra, José Marzán, Jr. - „Y - The Last Man – Entmannt“

(Tilsner, 128 S., Pb.)
Ohne ersichtlichen Grund sterben in Brooklyn, New York, alle Jungen und Männer in der Bevölkerung auf grausame, blutige Weise. Bald stellt sich heraus, dass überhaupt jedes Lebewesen, das ein Y-Chromosom in sich trägt, Opfer dieser geheimnisvollen Seuche geworden ist. Allein Yorick Brown und sein Kapuzineräffchen scheinen immun gegen die männervernichtende Krankheit zu sein.
Derweil toben in Nablus, Westbank, Straßenkämpfe, die amerikanische Forscherin Dr. Frozan wird in Al Karak, Jordanien, Opfer eines Attentats, und Dr. Mann, Biotechnologin, erwartet in Boston, Massachusetts, ihren eigenen Klon auf die Welt zu bringen... Zwei Monate später sammeln die überlebenden Frauen noch immer die männlichen Leichen von der Straße, aus Bürocentern und ihren Wohnungen, um sie in Krematorien zu verbrennen. Zugleich fordern sie die politischen Ämter und hochdotierten Jobs der verstorbenen Männer ein, so dass sich eine ganz neue Frauenbewegung herauskristallisiert. Gut getarnt begibt sich Yorick auf den Weg nach Washington, wo seine Mutter Abgeordnete im Unterhaus ist, und versucht mit ihr die bohrende Frage zu beantworten, warum ausgerechnet er überlebt hat... Spannende, originelle Story, die sich wirklich aufdrängt, verfilmt zu werden.

Brian K. Vaughan, Pia Guerra, Jose Marzán, Jr. - “The Last Man – Tage wie diese”

(Vertigo/Speed, 128 S., Pb.)
Wir erinnern uns: Im Sommer 2002 hat eine unbekannte Seuche innerhalb weniger Stunden die komplette männliche Weltbevölkerung, Menschen, Spermien, Föten und Tiere ausgelöscht. Einzig der Amateur-Entfesselungskünstler Yorick Brown und sein ebenfalls männliches Kapuzineräffchen Ampersand sind wie durch ein Wunder von dieser Katastrophe verschont geblieben.
In Teil 1 der intelligenten Comic-Geschichte „The Last Man“ machte sich Yorick auf den Weg nach Washington zu seiner Mutter, einer Kongressabgeordneten, wo er zusammen mit der Regierungsagentin 355 nach Boston geschickt wird, um die Klon-Spezialistin Dr. Allison Mann ausfindig zu machen. Zu dritt machen sie sich auf den Weg nach Kalifornien, um ein Daten-Backup machen zu können, nachdem Terroristen Dr. Manns Laboratorium in Schutt und Asche gelegt haben. Doch ihnen sind die „Töchter der Amazonen“ auf den Versen, Männer hassende und –mordende Frauen, die auch den letzten Mann auf Erden beseitigen wollen. In Teil 2 kann Yorick mit einer Gasmaske als Frau verkleidet ein Ticket für einen Zug raus aus Boston ergattern, doch werden sie dort von den Amazonen aufgespürt und gezwungen, ihre Reise vorzeitig zu beenden. Sie landen in dem malerischen Ort Marrisville, Ohio, wo sich Yorick in seine schöne Pflegerin Sonia verliebt. Doch wie sich sehr bald herausstellt, lauern auch in Marrisville neue Gefahren, zumal auch die Amazonen, unter ihnen auch Yoricks Schwester Hero, auf Herausgabe des letzten lebenden Mannes drängen…

Brian Michael Bendis/Marc Andreyko - „Torso“

(Speed, 280 S., Pb.)
Zusammen mit dem „100 Bullets“-Autoren Brian Azzarello zählt Brian Michael Bendis zu den wichtigsten Erneuerern des US-Crime Comics. Gemeinsam mit Marc Andreyko („Dr. Strange: What is it that disturbs you, Stephen?“, “The Lost”) kreierte er mit “Torso” eine “true crime graphic novel”, die sich mit dem berühmten Ermittler Eliot Ness beschäftigt. Nachdem er und seine schlagkräftige Truppe (die „Untouchables“) Al Capone das Handwerk gelegt haben, wartet ein neuer Schlagzeilen machender Fall auf ihn.
Als neuer Polizeidirektor von Chicago räumt er nicht nur mit den Alkohol-Schmugglern und Casino-Betreibern, sondern auch der Korruption innerhalb der Polizeibehörde auf. Doch dann hat er es mit einem Killer zu tun, der überall in der Stadt schrecklich zugerichtete Leichen hinterlässt. Da der so genannte „Torso-Killer“ die Leichen ohne Kopf, Hände und Füße zurücklässt, bleiben die Leichen unidentifizierbar. Methodische, stets gleich ausgeführte Schnitte lassen ähnlich wie bei Jack The Ripper auf einen Experten auf dem Gebiet der menschlichen Anatomie schließen, außerdem weisen die Leichen Spuren einer merkwürdigen Chemikalie auf, die der Täter selbst erfunden zu haben scheint. Eine spannende Jagd auf den gerissenen Killer und gegen die Zeit beginnt, denn es steht die Wahlversammlung der Republikaner an. Bald wird auch ein Verdächtiger festgenommen, der angeblich ein Geständnis abgelegt haben soll, am nächsten Tag aber erhängt in seiner Zelle aufgefunden wird. Die Spur führt schließlich in das Elendsviertel an den Hafendocks, von wo die meisten anonymen Opfer herzukommen scheinen… Ausdrucksstark in Schwarz-Weiß gezeichneter, mit authentischen Fotos verzierter Thriller, den Andreyko bereits für Miramax für die große Landwand umzusetzen beginnt.

Craig Thompson - „Blankets“

(Speed, 592 S., Pb.)
Craig lebt mit seinem jüngeren Bruder Phil und seinen streng christlichen Eltern in einer Kleinstadt in Wisconsin, wo er mit seinen langen Haaren als Außenseiter gilt und als Mädchen oder Schwuchtel beschimpft wird. Nicht immer verhält sich Craig loyal seinem kleinen Bruder gegenüber und macht sich Vorwürfe, dass er seine Beschützerrolle vernachlässigt, wenn es gefährlich wird, zum Beispiel, wenn Phil vom Babysitter sexuell missbraucht wird, was Craig mehr ahnt als wirklich weiß. Dass er in der Schule Gedichte über Leute schreibt, die ihre Exkremente essen, hilft ihm auch nicht viel weiter. Als Flucht aus der bedrohlichen Realität dient Craig das Zeichnen, doch irgendwann bemerkt er, dass die Zeichnungen nur Erinnerungen darstellen, die er verbrennen möchte.
Nicht mal im christlichen Weihnachtscamp erfährt Craig die ersehnte Anerkennung – bis er dort das Mädchen Raina kennen lernt. Doch das Camp geht viel zu schnell vorbei. Die beiden frisch Verliebten schreiben sich, dann besucht Craig Raina für zwei Wochen in Michigan. Dort kommen sie sich zwar näher, doch Raina scheint vollkommen von ihrer Beschützerrolle ihrer geistig behinderten Adoptivgeschwistern Ben und Laura aufgezehrt zu werden…
Mit viel Gefühl beschreibt und zeichnet Craig Thompson in „Blankets“ die schwierige Zeit des Erwachsenwerdens, die Wunder der ersten Liebe und die Restriktionen einer fundamentalistisch christlichen Erziehung in ehrlichen Worten und zarten Schwarz-Weiß-Zeichnungen.

Kate Atkinson - „Die vierte Schwester“

(Droemer, 400 S.,, HC)
Während der Mathematiker Victor sich ganz um seine wichtigen Studien kümmert, ist seine Frau Rosemary – immerhin eine frühere Krankenschwester – völlig mit der Erziehung ihrer vier Töchter Sylvia, Amelia, Julia und Olivia überfordert. Allein das dreijährige Nesthäkchen Olivia erfüllt die Familie mit Sonnenschein. Doch eines Nachts im Jahr 1970 verschwindet die Kleine aus einem Zelt im Garten und wird nicht mehr aufgefunden. Dreißig Jahre später stirbt Victor, und die Schwestern wundern sich über die Blaue Maus Olivias, die sie im Haus ihres Vaters finden, die Olivia aber nie aus den Händen gegeben hatte …
1994 verschafft sich ein Unbekannter Zutritt zur Kanzlei von Theo Wyre, sticht auf einen Kollegen ein und tötet dabei auch gleich Theos innig geliebte Tochter Laura, die in der Kanzlei ihrem Vater zuliebe einen Ferienjob angenommen hatte. Der Mörder wird jedoch nie gefunden. Nach zehn Jahren nimmt Theo die Ermittlungen selbst in die Hand … An einem Samstag im Spätsommer 1979 scheitert Michelle an der eigenen Ambition, alles perfekt machen zu müssen, spaltet mit einer Axt den Kopf ihres Mannes Keith und wartet auf die Polizei. Nach ihrer Verurteilung und der Entlassung aus dem Gefängnis verschwindet Michelle spurlos …
Der Privatdetektiv Jackson Brodie, der selbst noch damit zu kämpfen hat, dass ihn seine Frau verlassen hat, wird mit den drei Fällen beauftragt, macht sich aber keine Illusionen, dass er sie auch lösen könne. Dafür dringt er tief in die von Trauer, Leid und unerfüllten Sehnsüchten geprägten Lebensgeschichten der Beteiligten ein und wird dadurch schmerzlich an das Drama seines eigenen Lebens erinnert … Psychologisch vielschichtiger und spannender Roman, der vor allem die zerstörerischen Qualitäten familiärer Tragödien aufzeigt.