Lee Child – (Jack Reacher: 10) „Way Out“

Samstag, 10. August 2019

(Blanvalet, 448 S., HC)
Jack Reacher, ehemals hochdekorierter Ermittler bei der Militärpolizei ohne festen Wohnsitz, fahrbaren Untersatz und mit gerade soviel Kleidung ausgestattet, wie er am Leib tragen kann, weiß guten Kaffee zu schätzen. Aus diesem Grund bricht er mit seiner eigenen Regel, sich innerhalb von 24 Stunden niemals am selben Ort blicken zu lassen, und genießt an zwei aufeinanderfolgenden Abenden einen wunderbaren Espresso in einem Café auf der Westseite der Sixth Avenue in New York City. Am ersten Abend bemerkt er einen Mann, der zielstrebig auf eine viertürige Mercedes-Limousine im Parkverbot zugeht, in den Wagen hineinsteigt und davonfährt. Als am darauffolgenden Abend ein Ex-SAS-Agent namens John Gregory auf ihn zukommt und sich nach Reachers Beobachtungen erkundigt, lernt Reacher wenig später Edward Lane kennen, Geschäftsführer von Operational Security Consultants. Von ihm erfährt Reacher, dass seine Frau Kate und ihre Tochter Jade vor über 24 Stunden entführt worden ist und Reacher die Abholung des Lösegeldes in Höhe von einer Million Dollar beobachtet habe.
Lane ist von Reachers Beobachtungsgabe und offensichtlichen Ermittler-Qualitäten beeindruckt und engagiert ihn, vor allem die Entführten und natürlich die Entführer aufzuspüren. Wie Reacher erfährt, ist bereits Lanes erste Frau Anne vor fünf Jahren entführt und getötet worden. Reacher soll eine Million Dollar als Erfolgsprämie erhalten, doch nimmt er den Job weniger wegen Lane oder der Belohnung an, sondern wegen der wunderschönen Frau und dem Mädchen, die er auf einem eindrucksvollen Portrait gesehen hat. Als Reacher mit seiner Arbeit beginnt, lernt er die Schwester der verstorbenen Anne Lane kennen, Patti Joseph, die Reacher gegenüber behauptet, dass Lane Anne ermorden ließ, dafür aber keine Beweise habe, weshalb sie mit dem Polizisten Brewer und der Privatdetektivin Laura Pauling Lane beobachtet.
Pauling war als FBI-Agentin damals mit der Entführung Anne Lanes befasst und gibt sich nach wie vor die Schuld für den Tod der Frau. Als Reacher mit Pauling die Suche nach Kate Lane und ihrer Tochter beginnt, kommen sie sehr schnell dahinter, dass es sich bei den Entführern um einen Insider handeln muss. Doch Reacher und Pauling sind sich unsicher, ob Lane nicht auch diesmal eine Entführung vortäuscht, um seine Frau ermorden zu lassen …
„Er mochte Termine. Er mochte es, ein Problem kurzfristig lösen zu müssen. Er mochte es, in ruhiger Umgebung arbeiten zu können. Und er mochte es, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der wie er dachte. Deshalb bezweifelte er anfangs nicht im Geringsten, dass Pauling und er es schaffen würden, den Fall bis zum nächsten Morgen zu lösen.
Dieses Gefühl hielt ungefähr eine halbe Stunde lang an.“ (S. 261) 
Es ist ein längst bewährtes Konzept, mit Lee Child seinen Helden Jack Reacher quasi zufällig in brisante Situationen manövriert, in die kein normal Sterblicher geraten würde. Seit dem Ende seiner Militärzeit vor sieben Jahren lässt sich Reacher einfach durch die USA treiben, und der Leser erfährt weder, wie Reacher zu Beginn einer Romanhandlung da gelandet ist, wo die Probleme, die nur Reacher lösen kann, ihren Anfang nehmen, noch wohin er nach Erledigung seiner Mission verschwindet. Der Autor, der während seiner langjährigen Zeit beim Fernsehen gelernt hat, kurz und prägnant zu schreiben, lässt Reacher und der Leserschaft nicht viel Zeit für eine Einführung. Stattdessen wird der hochintelligente Ex-Militärcop gleich in einen Entführungsfall verwickelt, der durch seine Verbindung zum Söldner-Milieu schnell eine eigene Dynamik entwickelt und bei dem nichts so zu sein scheint, wie Entführungen normalerweise verlaufen. Schließlich lernt Reacher während seiner Ermittlungen einige Leute kennen, die ihn auf die besonderen Umstände hinweisen, die bei der Entführung von Lanes erster Frau zu deren Tod geführt haben, so dass Reacher die berechtigte Sorge umtreibt, dass auch Kate und Jade ein solches Schicksal beschieden sein könnte. Lee Child gelingt es, den Plot von Beginn an packenden Plot mit genügend Wendungen auszustatten, dass lange Zeit unklar bleibt, wohin die Reise geht, und selbst Reacher gelangt zu fatalen Fehlschlüssen, die er erst in einem dann doch wieder vorhersehbaren Showdown geradebiegen kann. Mit Laura Pauling bekommt Reacher auch noch eine attraktive Weggefährtin zur Seite gestellt, mit der natürlich auch ins Bett steigt und die ihm als Stichwortgeber für die weitere Vorgehensweise bei dem Fall dienen darf. Außerdem wird einerseits die Praxis thematisiert, wie das Pentagon private Sicherheitsorganisationen wie hier die OSC engagiert, um weltweit in Krisengebieten zu den gewünschten Ergebnissen zu kommen, wobei für die Söldner nur das Geld zählt, nicht die moralische Rechtfertigkeit für die Mission.
Dagegen wird Reacher nach wie vor von einem starken Gerechtigkeitsbedürfnis geleitet, weshalb es ihm hier nicht schwerfällt, die Seiten zu wechseln, sobald er erkennt, auf welcher Seite die Bösen stehen. Er macht schließlich ganz zu Anfang schon klar, dass es ihm um Kate und Jade geht, nicht um seinen Auftraggeber oder die Belohnung.
„Way Out“ zählt vielleicht nicht zu den stärksten Romanen der Reacher-Reihe, sorgt mit interessanten Wendungen und knallharter Action aber für den gewohnt kurzweiligen Spannungs-Faktor und Lesegenuss.
Leseprobe Lee Child - "Way Out"

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen