Patrick Redmond - „Der Musterknabe“

Freitag, 20. November 2009

(C. Bertelsmann, 448 S., HC)
Als der siebzehnjährigen Anna Sidney 1945 in der Londoner Provinz Hepton von ihrem Arzt eröffnet wird, dass sie schwanger sei, kommt eine Abtreibung für sie nicht in Frage. Fest davon überzeugt, dass der Vater des Kindes nach dem Krieg wie versprochen zu ihr zurückkehrt, gewährt ihrem nach dem Schauspieler Ronald Colman benannten Sohn Ronnie all ihre Liebe, auch wenn sie bei der Familie ihrer Verwandten Stan und Vera nicht viel zu lachen hat und Ronnie auch von den Kindern als Bastard bezeichnet wird.
Natürlich wird Annas Hoffnung auf die Rückkehr ihres Geliebten enttäuscht. Um sich und ihren Sohn zu ernähren, nimmt sie einen Job im entfernten Kendleton als Gesellschafterin an und heiratet schließlich den verunstalteten Charles Pembroke, um endlich wieder ihren geliebten Ronnie zu sich holen zu können. Der hübsche wie gescheite Junge hat schon bei seiner Pflegefamilie nichts zwischen sich und seiner Mutter kommen lassen. Nun lernt er mit Susie ein Mädchen kennen, das früh ihren geliebten Vater verlor und von ihrem brutalen Stiefvater Albert missbraucht wurde. Für sie ist ihre Schwester Jennifer das Objekt all der Fürsorge, die sie selbst nie erfahren hat. Sie und Ronnie entdecken eine Seelenverwandtschaft, in der vor allem Ronnie vollkommen aufgeht, die für Susie aber bald zu eng wird. Aber Ronnie hat auch schon früher der Gerechtigkeit mit Gewalt nachgeholfen… Patrick Redmond beschreibt das Böse auf sehr anschauliche, psychologisch fundierte Weise, doch baut sich die Spannung leider nur schleppend auf und leidet etwas unter dem wenig inspirierten Erzählstil.

Leif Davidsen - „Die guten Schwestern“

(Zsolnay, 544 S., HC)
Etwas deprimiert liegt der alternde dänische Sowjetexperte Teddy Pedersen auf seinem Bett in einem Hotel in der slowakischen Hauptstadt Pressburg und sehnt sich nach dem kalten Krieg und dem großen Imperium zurück, als er noch ein gefragter Mann war und zu etlichen Kongressen eingeladen wurde. Diese glorreichen Zeiten sind nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion passé. Als Teil einer Reisegruppe kehrt er noch einmal in den Osten zurück und wird von einer Frau angesprochen, die sich nicht nur als seine Halbschwester Maria vorstellt, sondern ihm auch zu erzählen versucht, dass sein als längst verstorben gegoltener Vater erst vor einem Jahr gestorben ist.
Offensichtlich ist er geflohen, als seine Vergangenheit in der Waffen-SS publik geworden ist, und hat sich in Kroatien in eine neue Frau verliebt und ein neues Leben begonnen. Zurück in Kopenhagen muss Teddy zudem erfahren, dass seine andere Schwester, Irma, als mutmaßliche Stasi-Agentin namens „Edelweiß“ festgenommen worden ist. Per Toftlund, der von seiner alten Chefin Jette Vuldom für den polizeilichen Nachrichtendienst reaktiviert wurde, übernimmt die Übermittlungen im Fall „Edelweiß“ und folgt verschiedenen Spuren der Familie Pedersen durch verschiedene osteuropäische Länder und sieht sich mehreren Attentaten ausgesetzt, während seine hochschwangere Frau zuhause auf seine Rückkehr wartet… Faszinierender Politthriller, der eine Brücke von den Nazi-Greueln bis zu den aktuellen Krisen im Balkan zieht, aber auch auf sympathische Weise die Protagonisten zeichnet.

Leslie Silbert - „Der Marlowe Code“

Samstag, 7. November 2009

(Blanvalet, 416 S., HC)
Als der englische Dramatiker Christopher Marlowe an einem Frühlingsabend des Jahres 1593 den Jahrmarkt an der London Bridge besucht, lässt er sich von einer seltsamen Alten die Karten legen, wobei ihm ein früher, gewaltsamer Tod prophezeit wird. Doch der selbstbewusste Bühnenautor, der zu den pfiffigsten Spionen seiner Majestät, Königin Elizabeth I., zählt, lässt sich von dieser Prognose nicht beirren. Doch die Wahrsagerin sollte Recht behalten. Gerade als Marlowe herauszufinden versucht, was es mit der geplanten Verschwörung gegen seine Königin auf sich hat, wird er in eine Falle gelockt und ermordet, die Umstände seines Todes verschleiert, so dass die Beweise für die Verschwörung unentdeckt bleiben…
Im heutigen London macht sich ein adliger, die Katze genannter Meisterdieb auf elegante Weise an einem Safe zu schaffen, der ein Jahrhunderte altes Manuskript enthält, doch bevor er seinen Coup genießen kann, wird der Baron gestellt, worauf sich dieser schnell selbst vergiftet. Das Manuskript gelangt in die Hände des smarten Geschäftsmannes Cidro Medina, der es in New York Kate Morgan übergibt, einer früheren Literaturwissenschaftlerin und Renaissance-Expertin, die nun für eine dem CIA zugehörige private Ermittlungsagentur arbeitet. Sie entschlüsselt das geheimnisvolle Manuskript als eine Sammlung von brisanten Spionageberichten, die der britische Spion Thomas Phelippes zusammengetragen hat und auch heute noch von hoher Brisanz ist. Kate macht sich auf den Weg nach London, muss aber schnell feststellen, dass ihr Leben in Gefahr gerät… Vielschichtiger, raffiniert zwischen den Epochen springender Spionage-Thriller mit interessantem historischem Background.

Ian Rankin - „Die Kinder des Todes“

Freitag, 6. November 2009

(Manhattan, 543 S., HC)
Während Detective Inspector John Rebus seine mysteriösen Brandverletzungen an den Händen im New Royal Infirmary in Edinburgh auskuriert, berichtet ihm seine Partnerin Detective Sergeant Siobhan Clarke von einem schrecklichen Fall, bei dem an einer Schule im kleinen Küstenstädtchen South Queensbury zwei Schüler getötet und einer verletzt wurde, während sich der vermeintliche Todesschütze, der ehemalige Soldat Lee Herdman, offensichtlich selbst eine Kugel in den Kopf schoss. Rebus hat zwar mit einer internen Ermittlung zu kämpfen, weil der Gauner Marty Fairstone bei einem Brand in seiner Wohnung ums Leben gekommen war und Rebus ihm nachweislich kurz vorher einen Besuch abgestattet hatte.
Rebus wird wegen Tatverdachts zunächst vom Dienst suspendiert, hilft seinen Kollegen Clarke und Hogan aber bei der Auflösung der Bluttat an der Port Edgar Academy. Man vermutet gemeinhin, dass Herdman seine soldatische Vergangenheit psychisch noch nicht verarbeitet hat, aber es bleibt ein Rätsel, warum er ausgerechnet in den Aufenthaltsraum der Schule ging und die drei Jungs erschießen wollte, von denen James Bell, der Sohn des Parlamentariers Jack Bell, mit einer Schulterverletzung mit dem Leben davonkam. Recht schnell schalten sich allerdings zwei Ermittler von der Royal Army ein, so dass Rebus vermutet, dass mehr hinter dem Fall steckt. Und tatsächlich, bei dem Beziehungsgeflecht der involvierten Jugendlichen und Herdmans zwielichtigem Bekanntenkreis tun sich ganz andere Abgründe auf, die die Tragödie heraufbeschworen haben… Gewohnt spannender, atmosphärisch dicht erzählter John-Rebus-Krimi vom Meister des britischen Krimis.

Ian Rankin - „Die Tore der Finsternis“

(Manhattan, 542 S., HC)
Ehe er sich versieht, muss Detective Inspector John Rebus in Tulliallan die Schulbank des Scottish Police College drücken, nachdem er gegenüber seiner Vorgesetzten, Detective Chief Superintendent Gill Templer, ausgerastet war und sie mit einem Becher Tee beworfen hatte. Zusammen mit fünf weiteren aufsässigen Kollegen aus den Reihen der schottischen Polizei soll Rebus seine Kenntnisse in korrektem Verhalten auffrischen und Teamarbeit lernen. Dafür setzt sie ihr Ausbilder, DCI a.D. Tennant, auf einen älteren, ungelösten Fall an, den Mord an Eric Lomax.
Da Rebus damals bei den Ermittlungen beteiligt gewesen ist, bemüht er sich, die neu aufgenommene Ermittlungsarbeit zu verschleppen und sich auf einen frischen Fall zu konzentrieren, von dem er gerade abgezogen worden war, der Ermordung des Kunsthändlers Edward Marber. Zusammen mit seiner Kollegin Siobhan Clarke sucht Rebus Motive und Beweise und stößt schnell auf den Kriminellen M.G. Cafferty, der sich aber schwer dingfest machen lässt. Je weiter die Ermittlungen von Rebus und Clarke auf der einen Seite, am Fall Lomax auf dem College aber vorangehen, um so mehr treten die Verbindungen zwischen beiden Morden zutage. Als die beiden Detectives schließlich erkennen, dass die Spuren der Mörder nicht nur in Edinburghs Unterwelt führen, sondern bis in die höchsten Polizeikreise, wird die Situation für die Ermittler äußerst brenzlig. Raffinierter und komplexer Krimi um den beliebten Serienhelden John Rebus.

Max Dax/Robert Defcon - „Nur was nicht ist ist möglich. Die Geschichte der Einstürzenden Neubauten“

Donnerstag, 5. November 2009

(Bosworth, 320 S., HC)
Einem international bedeutsamen kulturellen Phänomen wie den Einstürzenden Neubauten kann man sich auf verschiedene Weise nähern, will man ihre aufregende Geschichte in Buchform fassen, als reich bebilderte Biographie, wie sie Neubauten-Intimus Klaus Maeck mit „Hör mit Schmerzen“ vorgelegt hat, als ausführlich kommentierte Diskographie (Kirsten Borchardts „Einstürzende Neubauten“) oder eben als aussagekräftige O-Ton-Collage, wie es jetzt Max Dax und Robert Defcon getan haben. In einem Zeitraum von zwei Jahren haben die beiden engagierten Autoren 49 Einzelinterviews mit den Mitgliedern und Vertrauten der Einstürzenden Neubauten geführt und die ausführlichen Statements nach bestimmten Themenkomplexen sortiert und ohne die einleitenden Fragen kommentarlos neu zusammengesetzt und aneinandergereiht.
So erfahren wir im ersten Kapitel „Ich“, wie die Neubauten-Mitglieder zu ihren außergewöhnlichen Namen kamen, im nachfolgenden „Westberlin“ reflektieren Blixa Bargeld, Alexander Hacke & Co. die wilden Tage und Nächte im Berlin der Achtziger, die von Hausbesetzungen und Atomkriegängsten geprägte Endzeitstimmung. Die Neubauten wollten damals eigentlich keine Musik machen, sondern nur nerven, Interesse erzeugen. Auf über 300 Seiten erfährt der interessierte Leser eine Menge Intimes, Interessantes und Aufschlussreiches aus den Mündern der Macher selbst, über ihre Ansichten, Arbeitsweisen, Tourneen und das Selbstverständnis nach 25 Jahren Einstürzende Neubauten. Einen intimeren Einblick in das Wesen dieser wichtigen Band wird man wohl kaum noch bekommen.

Maximilian Dax & Johannes Beck - „The Life And Music Of Nick Cave - An Illustrated Biography“

(Die Gestalten Verlag, 178 S., Softcover im Großformat)
Bereits der kleine Photo-Band in dem Box-Set zum 93er Live-Album „Live Seeds“ dokumentierte nicht nur die unglaubliche Bühnenpräsenz, die Nick Cave bei seinen Live-Performances ausstrahlt, sondern legte vor allem Zeugnis über die ganz besondere Aura ab, die den charismatischen Künstler stets zu umgeben scheint. Die ausdrucksstarken Schwarz-Weiß-Fotographien können aus heutiger Sicht als Appetitanreger gedient haben für die längst überfällige deutschsprachige Biographie des australischen Ausnahmemusikers, wobei sich das von Maximilian Dax und Johannes Beck sorgfältig recherchierte und kurzweilig geschriebene Werk durch ein schönes Gleichgewicht von informativem Text und ausdrucksvollen Ganzseiten-Fotos auszeichnet.
Den beiden Autoren war von Beginn an daran gelegen, nicht weiter einer Mystifizierung des Rockstars Nick Cave zuzuarbeiten, sondern seinen Werdegang auch stets im Lichte der Zeit und der besonderen Lebensumstände zu betrachten, die Dinge zu erwähnen, die Cave antrieben und behinderten. Nach dem Vorwort von Johannes Beck bekommt der Leser erst einmal auf sieben durchgehenden Seiten rein visuelle Eindrücke aus Nick Caves Kindheit und Schulzeit vermittelt, und so bietet das großzügig mit über 100 Bildern aus Caves Leben ausgestattete Werk immer wieder Inseln emotional ansprechender Momentaufnahmen, die dem Leser Leben und Werk des außergewöhnlichen Künstlers nahebringen. Der dazugehörige Text schildert nicht nur Stationen von Nick Caves Leben und Werk, sondern bietet in konzentrierter Form auch unterhaltsame Episoden aus seinen Etappen zum Erfolg, setzt sich mit den einzelnen Alben und künstlerischen Einflüssen auseinander, läßt andere Künstler zu Wort kommen und wartet schließlich auch mit einer umfassenden Diskographie und Bibliographie auf und rundet damit ein farbenprächtiges, lustvoll designtes Werk ab, das man immer wieder gern zur Hand nimmt.

Douglas Coupland - „Alle Familien sind verkorkst“

Sonntag, 1. November 2009

(Hoffmann und Campe, 335 S., HC)
Mit seinem 1991 veröffentlichten Debüt „Generation X“ hat der 1961 geborene amerikanische Autor Douglas Coupland nicht nur ein beißend ironisches Portrait der Nach-Baby-Boom-Generation der zwischen 1960 und 1970 Geborenen gezeichnet, sondern sich sogleich in den Olymp der Kult-Autoren geschrieben. Wie in seinen nachfolgenden Romanen erweist sich Coupland auch mit seinem neuesten Streich als intelligenter Beobachter der amerikanischen Mittelschicht und ihrer Träume.
Er erzählt die kuriose wie liebenswerte Geschichte der Familie Drummond, deren Mitglieder eigentlich in ganz Nordamerika verstreut sind. Doch zum Weltraumausflug der Contergan-geschädigten Tochter und Schwester Sarah finden sich alle in Cape Canaveral zusammen: Die pillensüchtige, extrem sparsame Mutter Janet, ihr bankrotter Ex-Mann Ted, ihr Sohn Wade, der irgendwie auch immer blank ist und mit dem Gesetz auf Kriegsfuß steht, ihr anderer Sohn Bryan, dessen hysterische Frau mit dem Fantasienamen Shw das gemeinsame Kind abzutreiben gedenkt. Sie alle nehmen allerlei Schwierigkeiten bei ihrer Odyssee nach Orlando auf sich und kommen sich bei aller Hass-Liebe ausgerechnet durch einen deutschen Pharma-Erben wieder näher. Coupland beschreibt diese irrwitzigen Abenteuer so lebhaft und liebenswert, dass einem die schrägen Drummond-Vögel schon nach ein paar Seiten ans Herz wachsen. Die Coen-Brüder sollten sich die Filmrechte sichern.

Daniel Wallace - „Big Fish“

(Knaur, 222. S., Tb.)
Mit Filmen wie „Beetlejuice“ und „Edward mit den Scherenhänden“ hat Regisseur Tim Burton bislang am beeindruckendsten sein Faible für märchenhafte Geschichten in Szene setzen können. In dieser Tradition steht auch sein Film „Big Fish“, der auf dem Roman von Daniel Wallace basiert. Dieser schildert im Gegensatz zu seiner farbenprächtigen Leinwand-Adaption in knappen Sätzen ein wahrlich bezauberndes Märchen, in dem William Bloom seinen Vater erst richtig kennen lernt, als dieser bereits im Sterben liegt.
Bis dahin war das Leben von Edward Bloom eine Aneinanderreihung von unglaublichen Geschichten. Da rettete er einer Meerjungfrau das Leben, indem er ihr eine Giftschlange vom Leibe hielt. Oder er verschonte die kleine Gemeinde Ashland vor dem Riesen Karl, indem Edward ihm beibrachte, Gemüse anzubauen (während er im Film mit dem Karl auf Reisen ging). Bezaubernd auch, wie er das Herz seiner ersten großen Liebe zu erobern versuchte und wie er die Stadt Specter aufkaufte. Die sehr kurze Romanvorlage wurde von Tim Burton weitaus farbenprächtiger, witziger und märchenhafter umgesetzt, die schwierige Vater-Sohn-Beziehung besser herausgearbeitet. Dennoch bietet auch die Romanvorlage ein bezauberndes Lesevergnügen.

Mari Jungstedt - „Näher als du denkst“

Mittwoch, 14. Oktober 2009

(Heyne, 416 S., HC)
Mit ihrem Debüt „Den du nicht siehst“ konnte sich die Stockholmer Schriftstellerin Mari Jungstedt gleich in die Riege skandinavischer Top-Autorinnen wie Karin Fossum und Helene Tursten einreihen. Ihr neuer Roman führt sie auf die Insel Gotland, wo sich der heruntergekommene ehemalige Starfotograf Henry „Blitz“ Dahlström mit seinen Freunden Bengan, Gunsan, Monica und Kjelle auf der Trabrennbahn von Visby vergnügt. Mit seinem Tipp auf den Außenseiter Ginger Star macht er einen Gewinn von 80.000 Kronen, wovon er gleich einen Teil mit seiner Clique vertrinkt.
Wenig später wird Dahlström in seiner Dunkelkammer im Keller seiner Mietwohnung erschlagen aufgefunden. Anders Knutas und sein Team finden die Wohnung verwüstet vor. Bei ihren Ermittlungen stoßen die Kriminalbeamten auf hohe Bareinzahlungen auf Dahlströms Konto sowie die Tatsache, dass er bei einigen gut betuchten Kunden umfangreiche Handwerksarbeiten schwarz ausgeführt hatte. Während die Polizei fieberhaft nach dem Täter fahndet, wird die 14-jährige Fanny vermisst, die ohne Freunde bei ihrer alkoholsüchtigen Mutter aufwächst und in ihrer Freizeit im Pferdestall verbringt. Und Johan Berg bekommt es nicht nur mit Gewissensbissen bei seiner Berichterstattung über den Mord und das vermisste Mädchen zu tun, sondern auch mit der schwierigen Beziehung zur verheirateten Emma, die ihren Mann und ihre beiden Kinder partout nicht verlassen möchte … Leidlich spannender, schnörkellos geschriebener Schweden-Krimi mit einigen psychologischen Feinheiten.

Mari Jungstedt - „Den du nicht siehst“

(Heyne, 384 S., HC)
Seit den sensationellen Bestseller-Erfolgen von Henning Mankell und Hakan Nesser haben Krimis aus Schweden und überhaupt aus dem skandinavischen Raum hierzulande Hochkonjunktur. Da erscheinen dann auch mal Erstlingsromane im Hardcover, so wie das Romandebüt der Stockholmer Radio- und Fernsehjournalistin Mari Jungstedt.
So wie jeden Sommer verbringen die beruflich eingespannten Helena und Per auch dieses Jahr zu Pfingsten etwas Zeit auf der idyllischen Ferieninsel Gotland, wo sie den Mittsommer mit ein paar Freunden feiern. Als Helena dabei etwas zu eng mit ihrem Jugendfreund Kristian tanzt, flippt der eifersüchtige Per aus und bringt die Party vorzeitig zu einem unerwarteten Ende. Am kommenden Morgen bricht Helena mit ihrem Hund Spencer zu einem Strandspaziergang auf und wird Stunden später von einem Spaziergänger ebenso wie der Hund ermordet aufgefunden, mit einer Axt grausam verstümmelt, dem Slip in den Mund gestopft. Was zunächst wie ein Eifersuchtsdrama aussieht, entpuppt sich schnell als Beginn einer Serie von Morden, bei denen die Frauen jeweils enthauptet und mit ihrer eigenen Unterwäsche geknebelt werden. Als endlich eine Verbindung zwischen den Frauen hergestellt werden kann, schwebt das letzte vermeintliche Opfer bereits in großer Lebensgefahr... Der Leser tappt wie Hauptkommissar Anders Knutas und seine Kollegen bis zum Schluss im Dunkeln, doch gibt Jungstedt immer wieder Einblicke in die Psyche des Killers. Spannendes Lesefutter in bester Schweden-Krimi-Tradition.

Chelsea Cain - „Furie“

Montag, 12. Oktober 2009

(Limes, 386 S., HC)
Zehn Jahre lang hat Archie Sheridan die Soko Beauty Killer gearbeitet und war letztlich der Serienkillerin Gretchen Lowell selbst ins Netz gegangen. Nachdem sie ihn zunächst fast umgebracht hätte, rettete sie ihm doch noch das Leben und sitzt nun selbst im Gefängnis, das Sheridan noch jeden Sonntag besucht, um von ihr die Fundorte aller noch vermisster Opfer in Erfahrung zu bringen. Doch nun erfordert eine neue Mordserie, der junge und hübsche Mädchen zum Opfer fallen, Sheridans volle Aufmerksamkeit. An der Seite der Reporterin Susan, die in ihrer begleitenden Story zum „Heimweg-Mörder“ die schrecklichen Ereignisse von damals wieder lebendig werden lässt, werden vor allem die Lehrer der Cleveland High unter die Lupe genommen, an die Susan keine gute Erinnerungen hat und nun mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert wird.
Sheridan und seine Truppe müssen bald erkennen, dass der Killer ungemein raffiniert ist, so dass Sheridan nicht umhin kommt, Gretchen Lowell um Unterstützung zu bitten! Mit Gretchen Lowell hat Thriller-Debütantin Chelsea Cain eine wirklich beängstigende Serienkillerin geschaffen und mit „Furie“ einen atemberaubenden Thriller, der Lesern von Karin Slaughter, Jilliane Hoffman, Tess Gerritsen und Kathy Reichs zusagen dürfte.

Tess Gerritsen - (Rizzoli & Isles: 4) „Schwesternmord“

Montag, 5. Oktober 2009

(Limes, 415 S., HC)
Als die Pathologin Dr. Maura Isles von einem Kongress in Paris nach Boston zurückkehrt, wimmelt es in ihrer Straße von Polizeiwagen. Dort nimmt sie die hochschwangere Polizistin Jane Rizzoli etwas entgeistert in Empfang. Der Grund für die allgemeine Verwunderung wird der Pathologin klar, als sie ein Blick auf die Leiche wirft. Die im vor ihrer Haustür parkenden Auto erschossene Frau gleicht Dr. Isles bis aufs Haar.
Tatsächlich sind die beiden Frauen Zwillingsschwestern, die nach ihrer Geburt zur Adoption freigegeben wurden und nichts voneinander wussten. Detective Rizzoli macht auch bald die Mutter der beiden ausfindig: Amalthea Lank sitzt wegen Mordes an zwei Schwestern im Gefängnis und warnt sie vor der „Bestie“, die offensichtlich auch ihre Schwester getötet hat. Derweil begibt sich Dr. Isles auf die Spuren ihrer Schwester und bezieht für kurze Zeit ihr abgelegenes Haus, in dessen Nähe bei Bauarbeiten die Skelette eines Ehepaars gefunden werden. Auch hier ist die Frau hochschwanger gewesen, aber das Skelett des Kindes fehlt. Derweil reißt die Mordserie an hochschwangeren Frauen nicht ab. Auf der Suche nach dem mutmaßlichen Komplizen ihrer Mutter begibt sich Dr. Isles selbst in höchste Gefahr … Wie schon mit ihren Bestsellern „Die Chirurgin“, „Der Meister“ und „Todsünde“ bietet auch der neue Roman der ehemaligen Ärztin psychologisch packende Thriller-Unterhaltung mit überraschendem Ende.

Tess Gerritsen - (Rizzoli & Isles: 5) „Scheintot“

(Limes, 415 S., HC)
Die Gerichtsmedizinerin Dr. Maura Isles will an einem späten Sommerabend gerade ihren Bericht über den Tod einer fünfzigjährigen Frau beenden, als sie im Kühlraum ein Geräusch hört und zur Kontrolle einen Leichensack nach dem anderen öffnet. Als sie dabei das Gesicht einer blassen jungen Frau in einer durchnässten Bluse entdeckt, kann sie an der schon bläulich verfärbten Frau nur kalte Haut fühlen, doch dann schlägt die vermeintliche Leiche die Augen auf. Dr. Isles bringt die unterkühlte Frau sofort ins Krankenhaus und wird am nächsten Tag bei einem Kontrollbesuch Zeugin, wie die Unbekannte einem Wachmann die Pistole entwendet und diesen erschießt. Zur gleichen Zeit wird Mauras Freundin, die hochschwangere Polizistin Jane Rizzoli in dasselbe Krankenhaus gebracht. Sie nimmt die Pathologin als Geisel, bringt dann aber weitere Patienten als Geiseln, auch Jane.
Zum Glück kann sich Maura befreien und mit Janes Ehemann Gabriel auf eigene Faust ermitteln. Denn auf einmal reißen die Bundesbehörden den Fall an sich und wollen die Geiselnahme notfalls auch blutig schnell zu einem Ende bringen. Maura und Gabriel läuft die Zeit davon. Als sie bei ihren Recherchen auf einen Rüstungsriesen stoßen, scheint dies das starke Interesse der Bundesbehörden zu erklären, den Fall schnell abschließen zu wollen …  
Tess Gerritsen ist auch mit „Scheintot“ wieder ein vielschichtiger, atemlos spannender Psychothriller um die sympathischen Freundinnen Maura Isles und Jane Rizzoli gelungen.

Tess Gerritsen - (Rizzoli & Isles: 3) „Todsünde“

(Limes, 414 S., HC)
In der Bostoner Graystone Abbey werden während einer eiskalten Dezembernacht die Leiche der jungen Novizin Camille Maginnes und die schwer verletzte Schwester Ursula aufgefunden. Bei der Obduktion des jungen Mädchens stellt die Pathologin Maura Isles fest, dass diese kurz vor ihrem Tod ein Kind entbunden haben muss, dessen von einem schweren Geburtsfehler gezeichnete Leiche wenig später in einem anliegenden See gefunden wird. Ist der attraktive Priester Brophy vielleicht der Vater? Im Kloster will man von Camilles Schwangerschaft jedenfalls nichts gewusst haben. Von der mit schweren Kopfverletzungen ins Krankenhaus eingelieferten Schwester Ursula erhält man leider keine Hinweise auf den Täter. Sie verstirbt im Krankenbett, obwohl sie sich bereits auf dem Weg der Besserung befand.
Wenig später wird eine entsetzlich entstellte Frauenleiche aufgefunden. Ihr Körper ist mit merkwürdigen Pusteln übersät, ihr wurde die Gesichtshaut abgezogen, die Hände und Füße abgehackt. Als die ermittelnde Polizistin Jane Rizzoli erfährt, dass Schwester Ursula Dienst in einer indischen Siedlung geleistet hatte, die bei einem Massaker zerstört worden ist, scheint sich eine Verbindung zwischen den beiden Fällen abzuzeichnen. Doch nicht nur die Lösung des komplizierten Falles verbindet die beiden Frauen. Nach drei Jahren taucht plötzlich Mauras geschiedener Mann Victor Banks auf, der als Chef der Hilfsorganisation One Earth auch über das Massaker in Indien Bescheid weiß. Detective Rizzoli ist dagegen von einem ihrer, allerdings in Washington arbeitenden Kollegen schwanger, dem sie aber nicht so recht in ihr Leben zu treten gestattet…
Mit der Pathologin Maura Isles und der Polizistin Jane Rizzoli hat Tess Gerritsen zwei engagierte und sympathische Heldinnen geschaffen, die auch in „Todsünde“ ihre fordernde Arbeit mit einem nicht minder anstrengenden Privatleben verbinden müssen. Die ausgewogene Balance zwischen hartem Thriller und menschlichem Drama macht „Todsünde“ so lesenswert.

Thomas Harris - „Hannibal Rising“

Donnerstag, 1. Oktober 2009

(Hoffmann und Campe, 345 S., HC)
Wenn man sich erst einmal mit einem psychopathischen Serienkiller angefreundet hat, will man irgendwann vielleicht auch erfahren, wie diese Bestien zu dem geworden sind, was sie sind. So geschehen bei Norman Bates, dessen Kindheitstraumata wir nach drei „Psycho“-Filmen in „Psycho IV: The Beginning“ zu sehen bekamen, und nun ist es nach „Roter Drache“, „Das Schweigen der Lämmer“ und „Hannibal“ auch an der Zeit, etwas tiefer in die Vergangenheit von Hannibal Lecter einzutauchen. Thomas Harris, dem das seltene Glück zuteil geworden ist, dass alle seine Romane auch verfilmt worden sind, schrieb parallel zu seinem neuen Roman passenderweise gleich das Drehbuch dazu, so dass der Film zum Roman auch schon Mitte Februar in den deutschen Kinos zu sehen ist. Hannibal wächst in der von Hannibal dem Schrecklichen (1365-1428) erbauten Burg Lecter in Litauen auf und muss zum Ende des Zweiten Weltkriegs in dem Jagdhaus, in dem die Familie die Kriegswirren zu überleben versuchte, miterleben, wie nicht nur seine Eltern von desertierten Osttruppen-Soldaten ermordet werden, sondern auch seine geliebte Schwester Mischa. Wenig später greifen sowjetische Soldaten den völlig verstörten und verstummten Jungen im Wald auf und bringen ihn ins nächste Dorf.
1946 wird Hannibal im Alter von dreizehn Jahren von seinem Onkel Robert nach Frankreich geholt und entwickelt für die japanische Frau seines Onkels, Lady Murasaki, zunehmend zärtlichere Gefühle. Der aufgeweckte und extrem gelehrige Junge beginnt mit medizinischen Studien und begeht seinen ersten Mord an einem Metzger, der Lady Murasaki zu beleidigen wagte. Auch wenn ihm die Tat nicht nachgewiesen werden konnte, steht Hannibal fortan unter Verdacht des Polizeiinspektors Popil. Doch Hannibal, der nur noch von dem Wunsch angetrieben wird, Rache an all jenen zu nehmen, die seine Familie auslöschten, entzieht sich immer wieder geschickt dem Zugriff der Polizei … Thomas Harris ist mit „Hannibal Rising“ ein vielschichtiges Psychogramm eines jungen Menschen gelungen, der mit großer intellektueller Präzision und ohne jegliche emotionale Beteiligung seine Auffassung von Gerechtigkeit lebt.

Thomas Harris - „Hannibal“

(Hoffmann und Campe, 527 S., HC)
Dass sich Thomas Harris mit der Fortsetzung seines Psychothriller-Megaerfolgs „Das Schweigen der Lämmer“ Zeit lassen würde, war vorherzusehen. Immerhin vergingen bislang stets jeweils mindestens sechs Jahre zwischen seinen Romanen, die allesamt Bestseller und verfilmt wurden, nur wurde bislang keines seiner Bücher dermaßen heiß erwartet wie die zwangsläufige Fortsetzung des 1988 veröffentlichten, unter der Regie von Jonathan Demme mit Jodie Foster und Anthony Hopkins verfilmten Hits „Das Schweigen der Lämmer“. Wenn man „Hannibal“ zur Hand nimmt und die ersten Seiten liest, kommt es einem nicht so vor, als lägen über elf Jahre zwischen dem zweiten und dritten Hannibal-Lecter-Roman, so lebendig ist einem das nervenaufreibende Psycho-Duell zwischen der jungen, noch in der Ausbildung befindlichen FBI-Agentin Clarice Starling und dem hochintelligenten Psychokiller Dr. Hannibal Lecter noch in Erinnerung.
Dass Starling unter Mithilfe von Lecter schließlich den gesuchten Serienmörder Jame Gumb ausfindig und unschädlich machen konnte, war allerdings für die Karriere der jungen Agentin nicht unbedingt förderlich. Der frühe Überraschungserfolg brachte viele Neider auf den Plan, die Starling einige Steine in den Weg auf der Erfolgsleiter gelegt haben. Mittlerweile steht Starling mal hier, mal dort auf Abruf bereit und wird gleich die tragische Hauptfigur einer verpfuschten Drogenrazzia, bei der zwei ihrer Kollegen ebenso draufgehen wie die zu verhaftende Drogenproduzentin Evelda Drumgo, worauf Starling auf der Titelseite des National Tattler als „Killermaschine des FBI“ bezeichnet wird. FBI-Direktor Tunberry möchte Starling zur Beruhigung der Massen opfern, doch kann Jack Crawford, der Starlings Karriere von Beginn an gefördert hat, in letzter Minute mit einem Deal verhindern. Starling, die kurz nach dem Drogenrazziadebakel einen Brief von Hannibal Lecter erhält, soll sich mit Mason Verger treffen, der früher Patient bei Lecter gewesen ist und - wenn auch grausig von ihm verstümmelt - der einzig Überlebende unter Lecters Opfern ist. Er hat ein Kopfgeld auf Lecters Ergreifung ausgesetzt und scheut vor keinen Mitteln zurück, Lecter auch zu fassen zu kriegen.
Neben der weiterhin faszinierenden Beziehung zwischen Lecter und Starling erhält „Hannibal“ seine atemlose Spannung eben gerade auch durch dieses prickelnde Psychoduell zwischen Patient und Doktor, zwischen Täter und Opfer.

Robert Ludlum (mit Eric Van Lustbader) – „Das Bourne Attentat“

Montag, 21. September 2009

(Heyne, 607 S., HC)
Nachdem Jason Bourne bei seinem letzten Abenteuer („Der Bourne Betrug“) seinen Freund Martin Lindros verloren hatte und die CIA an höchster Stelle von einem arabischen Terroristen infiltriert und der Direktor ermordet wurde, versucht die neue CI-Chefin Veronica Harts das Chaos in ihrem Geheimdienst in den Griff zu bekommen. Dass Luther LaValle, Geheimdienstchef des Pentagon, alles daran setzt, auch die CI unter sein Kommando zu bekommen, erleichtert ihre Aufgabe nicht zwingend.
Mit ganz anderen Schwierigkeiten hat Jason zu kämpfen, der von Moira Trevor das Angebot erhält, sich in ihrer Firma um die Sicherheitsvorkehrungen zu kümmern. In zwei Wochen soll an dem gerade fertiggestellten Flüssiggas-Terminal in Long Beach die erste Lieferung eintreffen, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit im Visier von Terroristen befindet. Doch Jason ist sich nicht sicher, ob er sein Leben als Linguistik-Professor unter dem Namen David Webb aufgeben soll. Ziemlich schnell stellt er allerdings fest, dass sein akademisches Leben ganz mit seiner toten Frau Marie zusammenhing. Beim Frühstück mit seinem Uni-Mentor Dominic Specter will Jason die Karten auf den Tisch legen, da wird Specter vor Bournes Augen auf der Straße entführt. Und schon hängt Jason Bourne wieder in einem heiklen Fall drin, der seine ganze Intelligenz und Kampfkraft erfordert. Nachdem er Specter aus den Fängen seiner Entführer befreit hat, lernt er Specters andere Identität kennen. Dieser hat sich nämlich zur Aufgabe gemacht, die Überbleibsel der Schwarzen Legion aus dem Dritten Reich auszumerzen. Also schickt er Jason auf eine gefährliche Mission nach Moskau und München, bis er erfährt, was für ein Spiel Specter wirklich treibt. Derweil bekämpfen sich die NSA und die CI mit allen erlaubten wie unerlaubten Mitteln … Mit gewohnt viel Action, hinterhältigen Manövern listenreichen Wendungen und lässt Robert Ludlum seinen Helden durch die Mafia-Clans in Moskau kämpfen und falsche Identitäten lüften. Die vielen Nebenhandlungen und –Personen machen den Plot dabei manchmal unnötig komplex, und so manche Szene wirkt wie bei James Bond etwas unglaubwürdig, doch spannend ist die rasante Agenten-Hatz wieder allemal.

Robert Ludlum (mit Eric Van Lustbader) – „Der Bourne Betrug“

(Heyne, 669 S., HC)
Wenn der notorische Einzelgänger Jason Bourne in seiner Vergangenheit eines gelernt hat, dann dass er vor allem seinen eigenen Leuten bei der CIA nicht trauen kann. Dort ist er vor allem dem Direktor ein Dorn im Auge, doch da sein Stellvertreter Martin Lindros große Stücke auf den unbequemen, aber extrem effektiven Agenten und für einen echten Freund hält, wird Bourne immer mal wieder für außergewöhnlich schwierige Missionen eingesetzt. Als Bourne gerade bei dem Psychologen Dr. Sunderland an der Regeneration seines Gedächtnisses arbeitet und vor allem die Erinnerung an ein totes Mädchen in seinen Armen zu verstehen versucht, erhält er einen Anruf von Anne Held, der Assistentin des „Alten“, wie der CIA-Direktor intern gern bezeichnet wird.
Bourne soll unverzüglich ins Hauptquartier kommen, da Lindros sich bei einem streng geheimen Einsatz seines streng geheimen Typhon-Projekts nicht mehr zurückgemeldet hat. Seiner Freundschaft zu Lindros gewissenhaft verpflichtet, macht sich Bourne auf den Weg nach Äthiopien, wo sich Lindros‘ Spur verloren hat, und entdeckt in einer Höhle die Leiche eines Mannes, dessen Körper offensichtlich von radioaktiver Strahlung zerfressen wurde. Dermaßen alarmiert vermutet Bourne einen terroristischen Hintergrund für das Verschwinden seines Freundes und kommt einer islamischen Gruppe auf die Spur, die Amerikas Herz im tiefsten Innern zu zerstören versucht …
Auch wenn der renommierte Thriller-Autor Robert Ludlum im Jahre 2001 verstorben ist, erblicken noch immer Romane aus seinem Nachlass beständig das Licht der literarischen Welt. Seine Reihe um den CIA-Agenten Jason Bourne, der von seiner Dienststelle zu einem Killer ohne Gedächtnis ausgebildet worden ist, zählt zu den komplexesten und spannendsten Geheimdienst-Thrillern und wurde bislang dreimal höchst erfolgreich und spektakulär mit Matt Damon verfilmt. „Der Bourne Betrug“ reiht sich nahtlos in die Thriller-Serie ein, überrascht mit etlichen Wendungen und Täuschungsmanövern, wartet mit packender Action und undurchschaubaren Intrigen auf und hält die Spannung stets auf höchstem Niveau. Bei dem rasenden Tempo stören einzig die vielen Zufälle und plötzlich auftretenden Freunde, die Jason Bourne immer wieder zur rechten Zeit aus der Patsche helfen. Und auch die anscheinend unauffällige Annahme falscher Identitäten von hochrangigen Geheimdienst-Mitarbeitern durch die Terroristen wirkt unglaubwürdig. Davon abgesehen bietet „Der Bourne Betrug“ wieder beste Geheimdienst-Action in bester James-Bond-Manier.

Salley Vickers - „Die Versuchungen des Mr. Golightly“

(Claassen, 318 S., HC)
Als Mr. Golightly, ein alternder Herrscher über ein mächtiges Firmenimperium, für einen Sommer ins verschlafene Great Calne in der englischen Grafschaft Devon zieht, will er eigentlich nur sein vor Ewigkeiten geschriebenes Buch überarbeiten, das schnell zum Bestseller und Klassiker wurde, seiner Meinung nach aber einen neuen Anstrich vertragen könne. Doch mit der Ruhe ist es nicht weit her; wo die Einwohner dem Vertrauen erweckenden Mann begegnen, nehmen sie seine Zeit und Aufmerksamkeit voll in Anspruch, erwarten von ihm Hilfe in allen Lebens- und Liebenslagen.
Da ist der resignierende Filmregisseur Sam Noble, der einst hoffte, mit einem Film über weibliche Jockeys die Goldene Palme in Cannes zu gewinnen, und sich nun nach Sensationen in dem unscheinbaren Dorf sehnt, in dem er hängen geblieben ist und Mr. Golightly im örtlichen Pub anbietet, sein Buch zu verfilmen. Oder Morning Claxon, die in einer ehemaligen Teestube ein alternatives Gesundheitszentrum zu errichten versucht, Nicky Pope, die nur mit Mühe die Pension ihrer verstorbenen Mutter Emily weiterführen kann, weil das Spring Cottage erhebliche Mängel in seiner Ausstattung aufweist. Oder Ellen Thomas, die den Verlust ihres geliebten Mannes Robert nur schwer verkraftet und während eines Spaziergangs eine Stimme vernimmt, die Ellen verkündet, sie sei die Liebe, bevor sich in ihrem Haus der wegen Vergewaltigung für zehn Jahre Gefängnis verurteilte flüchtige Verbrecher Jos Bainbridge einnistet. Die Beschäftigung mit all diesen zunächst etwas skurril erscheinenden, aber nur mit allzu menschlichen Problemen belasteten Einwohnern nimmt Mr. Golightly so gefangen, dass er seinen ursprünglichen Plan bald aufgibt. Erst am Ende wird auf amüsante Art das Geheimnis gelüftet, wer Mr. Golightly eigentlich ist…