Lemony Snicket - Eine Reihe betrüblicher Ereignisse: "Der schreckliche Anfang (1)“ + „Das Haus der Schlangen (2)“ + „Der Seufzersee (3)“

Sonntag, 7. Februar 2010

(Manhattan, je ca. 180 S., HC)
Bereits die Tatsache, dass Lemony Snicket (das Pseudonym für den 34-jährigen Autor Daniel Handler) mit seiner bislang elf Bände umfassenden „Reihe betrüblicher Ereignisse“ erstmals die „Harry Potter“-Romane von der Spitze der Bestsellerliste der Kinderbücher der „New York Times“ verdrängen konnte, mag verdeutlichen, dass es neben dem allgegenwärtigen Potter-Fieber auch weitere interessante Kindergeschichten zu erzählen gibt. Im Zuge der auf den ersten drei Bänden basierenden, äußerst gelungenen Verfilmung von „Lemony Snicket“ mit dem wandlungsfähigen Jim Carrey in der Hauptrolle veröffentlicht der Manhattan-Verlag die schöne Kinderbuchreihe (an denen wie bei Harry Potter auch jung gebliebene Erwachsene ihre Freude haben werden) in handlicher, sehr schöner gebundener Ausführung.
In „Der schreckliche Anfang“ werden die drei Baudelaire-Kinder, die erfinderische Violet (14), der Büchernarr Klaus (12) und die kleine, mit vier scharfen Zähnen ausgestattete Sunny (4), eines Tages an der Kahlen Küste von Mr. Poe aufgesucht, der ihnen die schreckliche Mitteilung überbringen muss, dass sie ihre Eltern beim Brand ihres Hauses verloren haben. In ihrem Testament haben die geliebten Eltern bestimmt, dass die drei Waisen von ihrem Verwandten, Graf Olaf, adoptiert werden. Sehr schnell erfahren sie, dass Graf Olaf mit seiner unheimlichen Theatergruppe alles versucht, an das große Vermögen der Kinder zu kommen. Durch eine Heirat mit Violet könnte zum Beispiel Graf Olaf sofort über das Geld verfügen. Gelingt es den Kindern, den perfiden Plan des Bösewichts zu erkennen und zu durchkreuzen?
Nachdem sich Graf Olaf als unwürdiger Ziehvater erwiesen hat, kommen die Kinder zu Onkel Monty in „Das Haus der Schlangen“. Er plant gerade eine Expedition nach Peru und hat mit Stefano einen neuen Assistenten eingestellt, der sich – zum Schrecken der Kinder – als Graf Olaf entpuppt. Doch als Onkel Monty dem Schurken auf die Schliche kommt, ist es für ihn schon zu spät… Schließlich kommen die Waisen zu Tante Josephine, deren Haus gefährlich wacklig über dem „Seufzersee“ schwebt. Sie verlor ihren Mann Ike durch die blutrünstigen Seufzerseesauger und lebt in ständiger Angst vor weiteren Unglücken. Natürlich taucht einmal mehr Graf Olaf in Verkleidung auf und treibt die Familie in ein weiteres gefährliches Abenteuer… Trotz all der betrüblichen Ereignisse fesselt diese Reihe auch durch ihren feinen Humor und die sehr gefühlvolle Schilderung des Schicksals der Baudelaire-Waisen, die sich nie unterkriegen lassen.

Lemony Snicket - Eine Reihe betrüblicher Ereignisse: „Die unheimliche Mühle (4)“ + „Die Schule des Schreckens (5)“ + „Die dunkle Allee (6)“

(Manhattan, je ca. 200 S., HC)
Nachdem die ersten drei Episoden über die betrüblichen Ereignisse, denen die durch einen Hausbrand zu Waisen gewordenen Baudelaire-Geschwister Violet, Klaus und Sunny während ihrer Odyssee von einem neuen Vormund zum anderen ausgesetzt sind, im vergangenen Jahr erfolgreich mit Jim Carrey verfilmt worden sind, erscheinen nun die nächsten drei, wieder wenig erfreulichen Episoden neu im hübsch gestalteten Hardcover. Auf der Flucht vor dem Verwandlungskünstler und Erbschaftsjäger Graf Olaf setzt der Baudelaire-Vermögungsverwalter Mr. Poe die Kinder in den Zug nach Jammerau in „die unheimliche Mühle“, wo sie als Sklaven in einem Sägewerk arbeiten sollen, bis sie volljährig sind.
Der im wahrsten Sinne durch eine ihn stets umgebende Rauchwolke undurchsichtige „Sir“ verspricht den Kindern dafür, sie vor Graf Olaf zu beschützen, aber natürlich gelingt es dem gerissenen Bösewicht erneut, den Baudelaires Angst und Schrecken einzujagen.
Nachdem sie den Schrecken der Mühle entkommen sind, schickt Mr. Poe die Baudelaire-Waisen auf „Die Schule des Schreckens“, die von einem größenwahnsinnigen, falsch Geige spielenden Direktor namens Nero geleitet wird. Ein Super-Computer soll verhindern, dass Graf Olaf in die Nähe der Kinder gelangt, aber in der Verkleidung eines Sportlehrers bekommt er einmal die drei Geschwister unter seine Fittiche. Zusammen mit den Zwillingen Isidora und Duncan, mit denen sich die Baudelaires anfreunden, entwickeln sie einen Plan, dem Internat und Graf Olaf zu entkommen … Nach der erfolgreichen Flucht kehren Violet, Klaus und Sunny in ihre Heimatstadt zurück, wo Mr. Poe sie in die Obhut des Ehepaars Esmé und Jerome Elend in eine riesige Penthouse-Wohnung eines 66-Etagen-Hauses in „Die dunkle Allee“ ziehen. Während Jerome sehr bemüht um die Kinder ist, kümmert sich seine Frau als sechstwichtigste Finanzberaterin der Stadt allein darum, was in und was nicht. Da Waisen gerade in sind, hatten die Baudelaire-Kinder Glück, bei den Elends eine neue Heimat zu finden. Doch das Glück hält natürlich wieder nicht lange an, denn der verhasste Graf Olaf taucht diesmal als Auktionator Gustav auf, um den Kindern das Leben schwer zu machen … Erfolgreich und fantasiereich spinnt Lemony Snicket das Konzept der etwas anderen Jugend-Literatur auch in den Bänden 4 bis 6 weiter. Hoffentlich lassen auch die nächsten Bände nicht lange auf sich warten!

Lemony Snicket - Eine Reihe betrüblicher Ereignisse: „Das düstere Dorf (7)“ + „Das schaurige Spital (8)“ + „Der grausige Jahrmarkt (9)“

(Manhattan, je ca. 230 bis 260 S., HC)
Spätestens durch die kongeniale Verfilmung der ersten drei Lemony-Snicket-Bände als „Lemony Snicket - Rätselhafte Ereignisse“ ist auch die entzückende literarische Vorlage von einer breiteren Öffentlichkeit entdeckt worden und ein Lesevergnügen vor allem für „Harry Potter“-Fans geworden. Nach die verwaisten Baudelaire-Kinder Violet, Klaus und Sunny von einem Vormund zum nächsten geschickt wurden und sich dabei immer wieder des Erbschleichers Graf Olaf erwehren mussten, der den Kindern in immer neuen Verkleidungen nachstellt, landen die drei bemitleidenswerten Kinder nun im Dorf F.F., das sich den Aphorismus „Man braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen“ auf die Fahnen geschrieben hat.
Dort hoffen die Baudelaires die verschleppten Quagmeir-„Drillinge“ Duncan und Isadora zu finden, die mit geheimnisvollen Terzetten eine Spur zu ihrem momentanen Gefängnis legen. Doch nebenbei haben die Baudelaire-Waisen auch die Hausarbeit des ganzen Dorfes zu erledigen und Graf Olaf in der Verkleidung eines Meisterdetektivs zu enttarnen … In „Das schaurige Spital“ werden die Baudelaires im „Kaufhaus Zur Letzten Gelegenheit“ zunächst von den Freiwilligen Freudenspendern davor bewahrt, als gesuchte Mörder festgenommen zu werden, um dann ins Henry-J.-Heimlich-Hospital verschleppt zu werden, wo sie im Archiv auf ihre eigenen Akten stoßen und einige fürchterliche Vorkommnisse zu überstehen haben … Schließlich verschlägt es die Baudelaires im Kofferraum von Graf Olafs Auto auf den „grausigen Jahrmarkt“, wo sie als Monströsitäten verkleidet herauszufinden versuchen, ob vielleicht doch ein Elternteil das schreckliche Feuer überlebt haben könnte, das die drei Kinder plötzlich zu Waisen gemacht hatte. Auch hier ist wieder spannende Unterhaltung garantiert!

Neil Gaiman - „Anansi Boys“

Samstag, 6. Februar 2010

(Heyne, 448 S., Tb.)
Obwohl Fat Charlie Nancy eigentlich nie richtig dick gewesen ist, wurde er seinen Spitznamen nie los. Das hatte er seinem Vater zu verdanken, der – wie die meisten Kinder von ihren Eltern sagen würden – nur peinlich gewesen ist. Dennoch will ihn Fat Charlie zu seiner Hochzeit einladen, muss aber telefonisch erfahren, dass sein Vater bei einer Karaoke-Show einfach tot von der Bühne direkt vor die blondeste Urlauberin im Saal gefallen ist, bevor er „I Am What I Am“ ins Mikrofon schmettern konnte.
Bei der Beerdigung erklärt ihm die kauzige Nachbarin Mrs. Higgler, dass Fat Charlies Vater eigentlich der afrikanische Tiergott Anansi gewesen ist und dass Fat Charlie noch einen Bruder namens Spider hat. Dieser schleicht sich auf recht unverfrorene Weise in Charlies Leben, nistet sich in Charlies Wohnung ein, geht mit seiner Verlobten Rosie aus, schwärzt ihn bei seinem Chef an, dass Fat Charlie bald von der Polizei wegen Veruntreuung verhaftet wird. Nun ist es für Charlie gar nicht so leicht, Spider wieder aus seinem Leben verschwinden zu lassen, hat dieser doch scheinbar ganz allein die göttlichen Fähigkeiten seines Vaters geerbt …
Neil Gaiman hat sowohl in seiner gefeierten Comic-Serie „Sandman“ als auch in Romanen wie „Niemalsland“ und „American Gods“ alte Mythen und Legenden in moderne, packende und fantasievolle Geschichten eingewoben. Von dieser ausgeprägten Fähigkeit zeugt auch der als bester Fantasy-Roman bei den British Fantasy Awards 2006 ausgezeichnete Genie-Streich „Anansi Boys“, den Gaiman selbst als „Horror-Thriller-Geister-Romantik-Comedy-Familien-Epos“ beschreibt. Tiefgründige, geistreiche und humorvolle Unterhaltung ist dabei absolut garantiert.

Neil Gaiman - „American Gods“

Donnerstag, 4. Februar 2010

(Heyne, 624 S., HC)
Eigentlich kann sich Shadow glücklich schätzen. Von seinen sechs Jahren Gefängnisstrafe braucht er wegen guter Führung nur die Hälfte abzusitzen, zumal ihn draußen seine Frau Laura und sein Freund Robbie mit einem Job im Fitness-Club erwarten. Am Tage seiner Entlassung erfährt er jedoch, dass seine Frau bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Auf dem Weg zu ihr lernt er den geheimnisvollen Mr. Wednesday kennen, der alles über Shadow zu wissen scheint und ihm einen lukrativen Job als Leibwächter und Laufbursche anbietet, wohl wissend, dass auch Shadows Freund Robbie bei dem Autounfall umgekommen ist, während Laura ihm einen Blow-Job verpasst hat. Shadow nimmt den Job an und findet sich schnell in einer Welt wieder, die ihm vollkommen unwirklich erscheint.
Zunächst besucht ihn seine tote Frau Laura und verspricht Shadow, auf ihn aufzupassen. Dann lernt er an dem mysteriösen Ort House on the Rock die merkwürdigen Gefährten seines neuen Arbeitgebers kennen, allesamt Behüter des göttlichen und mythischen Wissens, das vor langer Zeit mit den Einwanderern aus Europa, Asien und Afrika nach Amerika gelangt ist. Da sie befürchten, ihre alte Macht an die neuen Götter namens Geld, Ruhm, Macht und Medien zu verlieren, ruft Mr. Wednesday, hinter dem sich niemand Geringerer als der Übergott Odin verbirgt, zu einer entscheidenden Schlacht auf, bei der Shadow eine Schlüsselrolle zugedacht ist. „Sandman“-Schöpfer Neil Gaiman ist mit seinem dritten Roman ein faszinierendes Epos gelungen, das auf fantasiereiche, charmante und höchst unterhaltsame Weise die schwindende Macht religiöser Traditionen in der modernen Welt schildert, in der nur noch materielle und oberflächliche Werte die Oberhand gewonnen haben.

Neil Gaiman - „Die Messerkönigin“

Dienstag, 2. Februar 2010

(Heyne, 368 S., Tb.)
Als Erfinder der wunderbaren „Sandman“-Geschichten ist Neil Gaiman bereits ein König unter den Fantasy-Schreibern. Und mit seinen beiden Romanen „Niemalsland“ und „Sternwanderer“ hat er einfach zwei wunderbare, zauberhafte Märchen erzählt, die süchtig nach mehr gemacht haben. Mit „Die Messerkönigin“ ist jetzt eine Kurzgeschichtensammlung erschienen, die die reichhaltige Palette von Gaimans Erzählkunst und Fantasiereichtum offenbart.
In der ausführlichen, 35seitigen vom Verfasser selbst geschriebenen Einführung erläutert Gaiman auf witzige Weise die Hintergründe der einzelnen Storys, die oft eine ungewohnt erotische Komponente aufweisen. Schaurig schön sind vor allem unheimliche Storys wie „Das Hochzeitsgeschenk“ oder die an Lovecraft anknüpfende Innsmouth-Geschichte „Nur mal wieder das Ende der Welt“. Gaimans wahre Stärken liegen aber zweifellos in den wundervollen, verträumten Fantasy-Märchen wie „Ohne Furcht und Tadel“, die die Schwierigkeit eines Ritters in der Jetztzeit beschreibt, den Heiligen Gral einer schrulligen Oma abzukaufen, oder „Schnee, Glas, Äpfel“, die Gaiman-Variante des Grimm-Märchens „Schneewittchen“ darstellt. Auf der anderen Seite schimmert in grotesken Stories wie „Im Dutzend billiger“ oder „Shoggoth’s Old Peculiar“ Neil Gaimans trockener britischer Humor so gnadenlos durch, dass man aus dem Grinsen kaum noch rauskommt. Wer also nicht unbedingt auf eine bestimmte Art von Fantasy festgelegt ist, wird an den vielen, ganz unterschiedlichen Geschichten seine helle Freude haben.

Neil Gaiman - „Die Bücher der Magie 1“

Montag, 1. Februar 2010

(Vertigo/Speed, 200 S., Pb)
Während Harry Potter in aller Munde ist und die Bücher-Bestsellerlisten ebenso beherrscht wie die Kinocharts, machen einem die nun als Paperback zusammengefassten „Bücher der Magie“ von Neil Gaiman („Sandman“) darauf aufmerksam, dass die Figur des Harry Potter ihren Ursprung in Tim Hunter hat, dem 1990 von Neil Gaiman zum Leben erweckten Jungen, der von vier geheimnisvollen Männern in Trenchcoats in die Geschichte und die Möglichkeiten der Magie eingewiesen wird, um dann entscheiden zu können, ob er der Merlin des 21. Jahrhunderts werden möchte.
Im ersten Kapitel, „Das unsichtbare Labyrinth“, wird Timothy auf eine Reise in die Vergangenheit geführt, wo er Atlantis, Merlin, Luzifer und die Erzengel, aber auch die ägyptischen, fernöstlichen und nordischen Mythen kennen lernt. John Constantine entführt den Jungen anschließend in die „Schattenwelt“, wo ihm Madame Xanadu die Karten legt und von den Mächten der Dunkelheit verfolgt wird. Märchenhaft, aber nicht weniger gefährlich geht es im „Land des Sommerzwielichts“ zu, wo Tim Bekanntschaft mit dem Elfenvolk und dem Bewacher von König Artus macht, dann aber in Gefangenschaft gerät. Am Ende macht ihn Mister E in „Die Straße ins Nirgendwo“ mit den elementaren Gesetzen der Magie vertraut. Doch wie wird sich Timothy entscheiden? Neil Gaiman hat seine Faszination für Kinderliteratur zu einer wunderbaren, vielschichtigen Erzählung über die Möglichkeiten der Kindheit und Jugend ausgeformt und dabei die Grundsätze der Magie weitaus fundamentaler ins Spiel gebracht, als es bei Harry Potter je auch nur im Ansatz geschehen könnte.

Neil Gaiman - „Sternwanderer“

(Heyne, 240 S., Tb.)
Als Schöpfer der Kult-Comic-Figur Sandman längst zu Weltruhm gekommen, konnte Neil Gaiman auch als Drehbuch- und Romanautor als hervorragender Geschichtenerzähler von sich reden machen. Nach dem in Zusammenarbeit mit Fantasy-Autor Terry Pratchett entstandenen „Ein gutes Omen“ und seinem Solo-Romandebüt „Niemalsland“ erscheint mit „Sternwanderer“ sein langerwartetes zweites Buch, das einmal mehr beweist, dass der mittlerweile in den USA lebende Brite ein wunderbarer Erzähler von klassischen Märchen mit zeitlosem Flair ist.
„Sternwanderer“ ist die fantasiereiche Geschichte des kleinen Tristan, der an einem jener seltenen Tage gezeugt worden ist, als das streng bewachte Tor in der Mauer zwischen dem Dörfchen Wall und dem Feenreich anlässlich des Markttages geöffnet wurde und sich die seltsamsten und hübschesten Fabelwesen unter die Dorfbewohner mischen konnten. Tristan verliebt sich in das geheimnisvolle Mädchen Victoria, das seinem Begehren nur dann nachgeben will, wenn er ihr einen bestimmten vom Himmel gefallenen Stern bringt. Wagemutig macht sich Tristan auf die verbotene Reise ins Feenreich und muss im Wettstreit mit einer Hexenkönigin und den potentiellen Erben der Königskrone seinen wertvollen Stern finden. Gaiman bedient sich bei seiner zärtlichen Liebesgeschichte, die er als witzige wie abenteuerliche Fabel voller überschwänglicher und magischer Momente über die Erfüllung von Herzenswünschen verpackt hat, klassischer Märchenmotive und webt die vielschichtigen Handlungsstränge mit herzzerreißender Poesie und ungebändigter Leidenschaft eines Erzählers, der König in einem Reich ist, in dem nichts unmöglich scheint.

Ray Bradbury - „Feuersäule“

Donnerstag, 21. Januar 2010

(edition phantasia, 148. S., HC)
Mit seinen verfilmten Sci-Fi- und Grusel-Klassikern „Fahrenheit 451“, „Die Mars-Chroniken“, „Der illustrierte Mann“ und „Das Böse kommt auf leisen Sohlen“ avancierte Ray Bradbury zu den berühmtesten und besten Sci-Fi- und Horror-Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Mit „Feuersäule“ liegt nun ein wunderbarer Band mit zwölf Horror-Geschichten vor, die zwischen 1944 und 1951 entstanden sind und in der Übersetzung von Joachim Körber überwiegend erstmalig in deutscher Sprache. In „Die schreiende Frau“ erzählt die zehnjährige Margaret Leary, wie sie eine schreiende Frau aus der Erde im heimischen Garten hört, doch niemand ihr glauben will, bis sie ihrem Vater sagen kann, was sie genau gehört hat. „Kulissen in der Nacht“ handelt von einer seltsamen Begegnung zwischen Paul und dem seit Monaten verschollenen Matt, der einfach nicht mehr nach Hause gehen will, während „Das schwarze Riesenrad“ die Geschichte des skurrilen Jahrmarktdirektors Mr. Cooger erzählt, dessen dunkles Geheimnis von den beiden Freunden Hank und Paul gelüftet wird. Und in „Der See“ wird Harald auf tragische Weise mit seiner im See verschwundenen Jugendliebe Tally konfrontiert, als er mit seiner Braut Margaret in den Flitterwochen an den See zurückkehrt.
Ray Bradbury vermochte in diesen und anderen kurzen Geschichten bereits seine Stärke, das Kind in uns wieder zum Leben zu erwecken, eindrucksvoll zu demonstrieren. Es sind Geschichten, die uns auf magische Weise mit einem wohligen Schauer auf dem Rücken an die Träume und Erlebnisse unserer eigenen Kindheit denken lassen. Das in Samt eingebundene Buch wurde von Lillian Mousli wunderschön illustriert, die ersten hundert Exemplare der auf 250 limitierten Edition sogar vom Autor und der Künstlerin signiert.

Ray Bradbury - „Vom Staub kehrst du zurück“

(Edition Phantasia, 171 S., Pb.)
Bislang machte der sympathische wie engagierte Kleinverlag Edition Phantasia allein von wertvollen limitierten Werken und Vorzugsausgaben von Schriftstellern wie Stephen King, Clive Barker, H.P. Lovecraft oder Philip K. Dick von sich reden. Nun startet auch eine Horror- und eine Fantasy-Paperback-Reihe, die mit der wundervollen neuen Geschichte von Ray Bradbury, „Vom Staub kehrst du zurück“, ihren poetischen Anfang nimmt.
Bradbury, der für so unvergessliche Bücher wie „Fahrenheit 451“, „Die Mars-Chroniken“, „Der illustrierte Mann“, „Das Böse kommt aus leisen Sohlen“ und „Halloween“ verantwortlich zeichnet, widmet sich darin einmal mehr dem traditionellen Halloween-Fest, der Zeit des Geschichtenerzählens. Er verarbeitet darin vor allem eigene Kindheitserinnerungen an diese ausgelassene Zeit und erzählt in seiner unnachahmlich bildhaften, zauberhaften Sprache von einem Haus mit neunundneunzig oder einhundert Kaminen auf einem einsamen Hügel in Illinois, wo sich Jahr für Jahr die merkwürdigsten Gestalten und Wesen zu einem ganz besonderen Familienfest zusammenfinden: die Tausendmal-Ur-Grandmère, die als Mutter von Nofretete bereits nur noch flüsternder Staub und Papyrus ist; die junge Hexe Cecy, die nach Belieben in den Geist anderer Menschen fliehen kann und sich in Gestalt Anderer zu verlieben sucht; Onkel Einar und Mademoiselle Angelina Marguerite, ein Rätsel verkehrten Lebens, das mit jedem Tag immer jünger wird. Der Junge Timothy ist ganz fasziniert von dieser magischen Welt auf dem Dachboden des Hauses. Er wurde einst in einem Korb vor der Tür des Hauses gefunden, mit Shakespeare als Stütze und Poes „Der Untergang des Hauses Usher“ als Kopfkissen. Ihm ist aufgetragen, die Geschichte dieser Familie zu bewahren… Ein märchenhaft schönes Buch über die Macht der Fantasie und der Sprache und der unheimlichen Geschichten, die man sich zu Halloween erzählt.

Ray Bradbury - „Der Katzenpyjama“

Mittwoch, 20. Januar 2010

(Edition Phantasia, 184 S., Pb.)
Durch die Verfilmungen seiner Romane/Story-Sammlungen „Fahrenheit 451“, „Die Mars-Chroniken“, „Das Böse kommt auf leisen Sohlen“ und „Der illustrierte Mann“ wurde der 1920 geborene amerikanische Schriftsteller Ray Bradbury weltberühmt. Bis heute fühlt er sich in den Genres Horror, Fantasy, Science-Fiction und Kriminalroman zuhause und verblüfft seine Leser mit seiner unnachahmlichen Fabulierkunst und grenzenlosen Fantasie. Nun legt der Bellheimer Kleinverlag in seiner noch jungen Paperback-Reihe „Science Fiction“ einen kleinen, feinen Band mit 22 bislang hierzulande unveröffentlichten Short Storys des Genre-Meisters vor, die Bradburys Golden Retriever Don Albright in dessen Keller aufgestöbert hat.
Sie stammen überwiegend aus den 40er Jahren und aus jüngerer Zeit und konfrontieren den Leser mit vergnüglichen wie absurden Geschichten. So erzählt „Chrysalis“ von einer kurzen Sommerfreundschaft eines weißen und schwarzen Jungen, in „Das Haus“ sucht eine unverhofft zur Besitzerin eines uralten, verstaubten Hauses gewordene Frau nach ihrer Lebensfreude, während in „Heil, Häuptling!“ dreizehn amerikanische Senatoren in einem Indianer-Casino die gesamten Vereinigten Staaten beim Glücksspiel verloren haben. „Ganz natürlich“ beschreibt das Warten einer schwarzen Nanny auf den angekündigten Besuch des weißen Jungen, den sie aufgezogen hat und der jetzt ein berühmter Schriftsteller geworden ist. In „Alle meine Feinde sind tot“ verzweifelt jemand, der die Todesanzeige seines letzten noch verbliebenen Feindes entdeckt, erhält dann aber überraschenden Nachschub … So wandert der Autor mit seinen Lesern ganz entspannt mit leicht melancholischen Tönen und anregend lyrischer Sprache durch faszinierende Geschichten, von denen man bald noch mehr verschlingen möchte.

Ray Bradbury - „Bringen wir Constance um!“ + „Schneller als das Auge“

Dienstag, 19. Januar 2010

Ray Bradbury, der große Fabuliermeister der amerikanischen Literatur, der für verfilmte Meisterwerke wie „Der illustrierte Mann“, „Das Böse kommt auf leisen Sohlen“, „Die Mars-Chroniken“ und natürlich „Fahrenheit 451“ verantwortlich ist, hat sich mal wieder dem Krimi-Genre zugewandt. Ein namenloser Schriftsteller hat im kalifornischen Venice das Strandhaus seiner Freundin, der alternden Schauspielerin Constance Rattigan, aufgesucht, um dort seinen Roman zu beenden.
In einer stürmisch-verregneten Nacht des Jahres 1960 steht plötzlich seine Freundin vor der Tür und erzählt völlig aufgelöst, dass sie vom Tod verfolgt worden sei, und holt ein Telefonbuch von Los Angeles aus dem Jahre 1900 aus ihrer Handtasche. Für die Rattigan ist es ein Totenbuch, denn kaum ein Name dürfte noch unter den Lebenden weilen. Ein zweites Telefonbuch fand sie zuhause nach einem Spaziergang, ein sehr persönliches, das sie vor Jahren den Hollywood Helpers überlassen hatte, und nun sind die noch lebenden Personen in dem Buch mit roten Kreuzen versehen, zum Sterben auserkoren. Zusammen mit seinem Freund Crumley, seinem persönlichen Dr. Watson, macht sich der Schriftsteller auf die Suche nach den markierten Personen. Schon der erste Besuch unter dem Eintrag „Rattigan, Kathedrale St. Vibiana“ birgt eine Überraschung, der etliche weitere folgen sollen. Es sind dabei nicht nur Leichen, die den Weg der beiden Ermittler kreuzen. Sie – und der Leser – erhalten auch einen Blick in die goldene Ära Hollywoods mit all den exzentrischen Persönlichkeiten, die nicht alle den Ruhm geerntet haben, nach dem sie strebten. Gefühlvoll und atmosphärisch dicht geschrieben, fesselt die Geschichte von Anfang bis Ende und beweist, dass Bradbury auch mit über 80 Jahren noch ein wunderbarer Erzähler ist.
(Edition Phantasia, 204 S., Pb.)
Das beweist er auch mit den 21 erstmals in deutscher Sprache veröffentlichten Storys, die Ende der 90er entstanden und in dem Band „Schneller als das Auge“ versammelt worden sind. In der eröffnenden Titelgeschichte verfolgt ein Zuschauer gespannt, wie ein ihm überraschend ähnlicher Mann auf der Bühne bei einer Zaubervorführung ausgenommen wird, in „Sanfte Morde“ versucht ein altes Ehepaar, sich gegenseitig ins Jenseits zu befördern, „Ein schöner Schlamassel“ lässt noch einmal die goldene Ära Hollywoods aufleben, „Dorian in Excelsis“ dagegen die unsterbliche Magie großer Schriftsteller. Man kommt aus dem Staunen kaum noch heraus, wenn man sich erst einmal der unerschöpflichen Fantasie dieses großartigen Autors hingibt! (Diogenes, 320 S., HC)

Julia Navarro - „Die Bibel-Verschwörung“

Mittwoch, 23. Dezember 2009

(Limes, 637 S., HC)
Als die internationale Presse von einem archäologischen Kongress in Rom berichtet, sind die vier alten Freunde, der italienische Doktor Carlo Cipriani, die spanische Bauunternehmerin Mercedes Barreda, der deutsche Professor Hans Hausser und der Wiener Pianist Bruno Müller, wie elektrisiert, als sie unter den Teilnehmern den Namen Tannenberg entdecken. Seit sechzig Jahren haben sie nämlich nach Alfred Tannenberg gesucht und sich damals geschworen, den Mann, der so viel Leid über sie gebracht hatte, für seine Sünden mit dem Leben bezahlen zu lassen. Sie lassen die junge Archäologin Clara Tannenberg beschatten und finden heraus, dass es sich um die Enkelin des verhassten Mannes handelt, der offensichtlich im Irak lebt.
Dort sucht Clara zusammen mit Professor Yves Picot nach der so genannten Tonbibel – Tontafeln, auf denen ein Schreiber namens Shamas von Erzvater Abraham die Geschichte über die Entstehung der Welt festgehalten haben soll. Während Tannenbergs rachsüchtige Feinde einen Killer auf die Spur des sterbenskranken Mann ansetzen, sind andere Parteien damit beschäftigt, die Tonbibel an sich zu bringen. Doch die Zeit läuft ab. In einem Monat hat der amerikanische Präsident nämlich seinen Einmarsch in den Irak geplant … Der spanischen Autorin Julia Navarro ist bereits mit ihrem Erstling „Die stumme Bruderschaft“ ein außergewöhnlicher Erfolg gelungen, mit dem sie zunächst Dan Brown von der spanischen Bestsellerliste verdrängte, dann auch international abräumen konnte. Ihr neues Werk ist ein spannender Archäologie-Thriller vor dem Hintergrund des bevorstehenden Irak-Krieges.

Julia Navarro - „Die stumme Bruderschaft“

(Limes, 450 S., HC)
Dass die Erfolge von Bestseller-Autor Dan Brown mit seinen Vatikan-Thrillern „Illuminati“ und „Das Sakrileg“ bald auf Nachahmer stoßen würden, war abzusehen. So wird das Debüt der spanischen Autorin Julia Navarro auch mit der Tatsache beworben, dass es Dan Brown von Platz 1 der spanischen Bestseller-Liste verdrängt habe. Ähnlich wie ihr amerikanischer Kollege verknüpft sie minutiös recherchierte Fakten mit eigenen Spekulationen zu einem spannenden Thriller.
Als der Turiner Dom, der das Leichentuch Christi beherbergt, mal wieder in Flammen steht, vermutet Kommissar Marco Valoni und seine Kollegen vom Dezernat für Kunstdelikte, dass es ein Geheimbund auf das Grabtuch abgesehen hat. Denn den Flammen fiel ein junger Mann mit herausgeschnittener Zunge zum Opfer. Er weist damit die gleichen Merkmale auf wie schon die Christen von Edessa, wo das Grabtuch nach der Kreuzigung Christi zunächst aufbewahrt und von dort unter größter Geheimhaltung in Sicherheit gebracht wurde. Während Valonis attraktive Kollegin Sofia Galloni im Umkreis des Bauunternehmens Umberto D’Alaqua nach Verdächtigen fahndet, die mit den Renovierungsarbeiten des Doms beschäftigt waren, geht die Journalistin Ana Jiménez Spuren in der Vergangenheit nach. Ihr Verdacht, dass das Grabtuch im Besitz der Templer sei, lässt sich allerdings nur schwer beweisen. Zwei befeindete Geheimbünde schrecken auch vor Mord nicht zurück, um das Geheimnis des Grabtuchs zu bewahren... Packender Geheimbund-Thriller, der geschickt zwischen Vergangenheit und Gegenwart pendelt und dabei spannende historische Fakten mit modernen Krimi-Elementen vermischt.

Justine Wilson - „Blood Angel“

(Knaur, 414 S., Pb.)
Auch wenn das Cover zu Justine Wilsons „Blood Angel“ vielleicht bewusst an das Artwork der erfolgreichen Geheimbund-Verschwörungs-Thriller-Bestseller von Dan Brown angelegt worden ist, hat der Roman absolut nichts mit den so spannend von Brown kreierten Geschichten zu tun. Stattdessen versucht sie den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse als apokalyptische Schlacht zwischen Dämonen und Engeln auf dem Erdenreich zu schildern.
Da ist auf der einen Seite die Dämonin Asha Bakal, die den erfolgreichen, aber desillusionierten Rock-Musiker Lucas Maddox für sich gewinnen konnte, um mit der mysteriösen Band Trans die Jugendlichen anzuziehen, die ihr auch in jeder Hinsicht bald zu Füßen liegen. Auch Ramsey Doe wird durch einen Hinweis seines Internet-Chat-Freundes Lizardking schnell in ihren Bann gezogen und macht sich auf den Weg in die Wüste, wo das ultimative Konzert stattfinden soll. Auf der anderen Seite versucht Ashas Bruder Kai, ehemaliger Anführer der „guten“ Bruderschaft, mit der Künstlerin Jessamy Shepard sich der wachsenden Macht der Dämonen entgegenzustellen … Leider gelingt es der Autorin nie, dem altbekannten Thema neue Fassetten abzugewinnen. Stattdessen bleiben die Ambitionen der Protagonisten eher undurchsichtig, die Dialoge ersticken in nichts sagenden Plattitüden, die Handlung wirkt dazu wirr und lässt zu keinem Zeitpunkt Spannung aufkommen. So bleibt das Cover leider das einzig Interessante an dem Buch.

Frances Fyfield - „Rabenbrut“

Dienstag, 22. Dezember 2009

(Hoffmann und Campe, 319 S., HC)
Richard Beaumont, pensionierter Immobilienmakler, genießt seine Freizeit am liebsten mit zwei Dingen, dem Beobachten von Vögeln und dem Malen. Häufig verschlägt es ihn an die steilen Klippen an der Küste von Dover, wo er beiden Leidenschaften gleichzeitig frönen kann. Eines Tages rauscht der Körper einer Frau von weiter oben an ihm vorbei in die Tiefe und schlug fast unbekleidet im Geröll an der See auf. Fasziniert von seinem neuen „Modell“, nimmt Beaumont Zeichnblock und Stift zur Hand und beginnt die Leiche zu zeichnen. Als er bei seinem Tun ertappt wird, kann sich Beaumont an nichts erinnern, wird aber schnell von jedem Verdacht freigesprochen. Zuhause in London verewigt der Maler seine Skizze in Öl, doch wenig später wird das Bild von Steven, dem Bruder der Beaumont-Nachbarin Sarah Fortune, entwendet, die wiederum eigene Nachforschungen über die Herkunft der unbekannten Toten anstellt.
Je näher sie der Wahrheit kommt, umso verwickelter werden die persönlichen Beziehungen zwischen Beaumonts hübscher Ehefrau Lilian und Sarahs Bruder sowie Sarah, ihrem Geliebten Richard Beaumont und dessen neuen Freund, den Gerichtsmediziner John Armstrong … Ungewöhnlicher Krimi mit vielen psychologischen Raffinessen.

Kenneth J. Harvey - „Die Stadt, die das Atmen vergaß“

Freitag, 18. Dezember 2009

(Blessing, 576 S., HC)
Nach der Trennung von seiner Frau Kim verbringt Joseph Blackwood mit seiner Tochter Robin drei Wochen Ferien im pittoresken Fischerdörfchen Bareneed. Doch die Idylle trügt, denn seltsame Dinge geschehen in dem Ort, dessen Bewohner einst vom Kabeljaufischen gelebt haben, aber nach dem Fischfangverbot nun ein spürbar tristes Dasein fristen. Ehemalige Fischer werden von plötzlichen Atembeschwerden erfasst und sterben ohne sichtliche organische Ursachen. Im Meer tauchen nicht nur mysteriöse Wesen wie ein roter Seeskorpion und ein Albinohai auf, sondern auch Jahrzehnte alte Leichen.
Während das Militär bereits eine Seuchengefahr wittert und Bareneed absperrt, erfahren die Einwohner die Veränderungen am eigenen Leib. Josephs Onkel Doug sieht plötzlich eine Meerjungfrau im Wasser, Robin entdeckt im Haus der Nachbarin Claudia deren seit anderthalb Jahren vermisste Tochter Jessica, die Robin in das Reich der Toten verführen will, und Joseph verspürt seltsam aggressive sexuelle Neigungen seiner Frau und der attraktiven Claudia gegenüber … Spannend und virtuos geschrieben, entwickelt der Roman von Beginn an eine unheimliche Atmosphäre und steuert geradewegs auf ein bedrohliches Finale zu.

Liza Marklund - „Prime Time“

(Hoffmann und Campe, 416 S.)
Während Marklunds männliche Kollegen Hakan Nesser und Henning Mankell ihre Kommissare Van Veeteren und Wallander im Kampf gegen das Verbrechen in Schweden ins Rennen schicken, hat Marklund mit der Journalistin Annika Bengtzon längst ihre eigene Heldin geschaffen. In ihrem vierten Abenteuer hat Bengtzon nicht nur um ihre Beziehung mit Thomas zu kämpfen, nachdem sie kurzfristig ihren geplanten Familienurlaub absagen musste, sondern auch einen heiklen Auftrag zu erledigen.
Nach Abschluss der Dreharbeiten zur TV-Serie „Das Sommerschloss“ auf Schloss Yxtaholm wurde nämlich die prominente Moderatorin Michelle Carlsson im Ü-Wagen erschossen aufgefunden. Durch ihre Freundin Anne Snapphane, die bei TV-Plus arbeitet, gelangt Annika ans Set und kann einige der dreizehn bei der Produktion anwesenden Verdächtigen interviewen. Sie bekommt schnell heraus, dass fast jeder von ihnen ein triftiges Motiv für einen Mord an dem Fernsehstar hatte, auch ihre Freundin Anne, die scharf auf den Job der Ermordeten gewesen ist, oder Michelles Manager Sebastian Follin, der kurz zuvor von Michelle gefeuert worden war. Nach einigen Recherchen stößt Annika auf ein Band, das zufällig noch während der Mordnacht im Ü-Wagen mitlief und Aufschluss über den Mord geben könnte. Liza Marklund, die vor ihrer Karriere als Schriftstellerin selbst als Journalistin gearbeitet hatte, liefert mit ihrem vierten Bengtzon-Roman einen interessanten Einblick in die schwedische Medienwelt, einen spannenden Krimi und eine vielschichtige Hauptfigur.

Michael Ridpath - „Fatal Error“

Donnerstag, 17. Dezember 2009

(Hoffmann und Campe, 448 S., HC)
Im Jahre 1999 gründen der ehemalige Wirtschaftsprüfer David und sein charismatischer Freund Guy Jourdan ein erfolgversprechendes Start-up-Unternehmen. Doch ihrer Fußball-Website ninetyminutes.com gehen nach fünf Monaten die finanziellen Reserven aus. Einzig Guys vermögender Vater Tony, der gleichzeitig Vorstandsvorsitzender des Unternehmens ist, kann die Firma noch retten, indem er die Zustimmung für einen Deal mit einer Risikokapitalfirma gibt, was allerdings seinen Aktienanteil erheblich schmälern würde.
Tony lässt seinen Sohn allerdings im Regen stehen. Wenige Stunden später wird Tony auf der Straße tödlich von einem Auto erfasst. In Rückblenden wird deutlich, dass es ungewöhnliche Todesfälle im Jourdan-Clan schon früher gegeben hatte. David erinnert sich dabei vor allem an einen Ferienaufenthalt an der Côte d’Azur im Jahre 1987, als Tony seinem Sohn die Freundin ausspannte und Tonys Frau Dominique sich rächte, indem sie David verführte. Dieser Machtkampf zwischen Vater und Sohn, aber auch die problematische Freundschaft zwischen Guy und David hinterließ seine Spuren bis in die Gegenwart hinein... Spannender Thriller, der erst in den Rückblenden offenbart, auf welchem Pulverfass sich Tony, Guy und David seit dem Sommer von 1987 befunden haben.

Matthew Pearl - „Der Dante Club“

(Hoffmann und Campe, 480 S., HC)
Ein grausamer Mord erschüttert Boston im Jahr 1865. Der ehrenwerte Oberrichter Artemus Prescott Healey wird von seiner Haushälterin nackt und von Maden, Würmern und Fliegen angefressen im Garten aufgefunden, wobei er während des vier Tage andauernden Todeskampfes miterleben musste, wie ihn die exotischen Insekten von innen her auffraßen. Wenig später findet man den antikatholischen unitaristischen Reverend Elisha Talbot ähnlich bizarr ermordet vor: Kopfüber in einem Loch des Kellerdurchgangs seiner Kirche aufgeknüpft, wurden seine Füße in Brand gesteckt, bis der Geistliche einem Herzinfarkt erlag.
Während die Polizei bei ihren Ermittlungen weitgehend im Dunkeln tappt, ahnt nur ein elitärer Zirkel um den Dichter Henry Wadworth Longfellow die Hintergründe der Verbrechen. Zusammen mit dem Verleger J.T. Fields, dem Dichter James Russell Lowell und dem Arzt und Autor Dr. Oliver Wendell Holmes gehört er zum Dante Club, der sich zum Ziel gesetzt hat, Dantes „Göttliche Komödie“ dem amerikanischen Publikum zugänglich zu machen. Nur der Dante Club erkennt, dass die Morde auf Dantes Schilderungen bestimmter Höllenqualen beruhen. Um nicht selbst der Verbrechen verdächtigt zu werden, machen sich die Übersetzer von Dantes Werk selbst auf die Suche nach dem Mörder... Matthew Pearl hat die wahren Probleme bei der Einführung Dantes durch den Dante Club in Amerika zu einem höchst spannenden Krimi verwoben, der stark an die Suche nach Jack The Ripper erinnert und ein wohliges Schaudern hervorruft.