Ray Bradbury, der große Fabuliermeister der amerikanischen Literatur, der für verfilmte Meisterwerke wie
„Der illustrierte Mann“, „Das Böse kommt auf leisen Sohlen“, „Die Mars-Chroniken“ und natürlich
„Fahrenheit 451“ verantwortlich ist, hat sich mal wieder dem Krimi-Genre zugewandt. Ein namenloser Schriftsteller hat im kalifornischen Venice das Strandhaus seiner Freundin, der alternden Schauspielerin Constance Rattigan, aufgesucht, um dort seinen Roman zu beenden.
In einer stürmisch-verregneten Nacht des Jahres 1960 steht plötzlich seine Freundin vor der Tür und erzählt völlig aufgelöst, dass sie vom Tod verfolgt worden sei, und holt ein Telefonbuch von Los Angeles aus dem Jahre 1900 aus ihrer Handtasche. Für die Rattigan ist es ein Totenbuch, denn kaum ein Name dürfte noch unter den Lebenden weilen. Ein zweites Telefonbuch fand sie zuhause nach einem Spaziergang, ein sehr persönliches, das sie vor Jahren den Hollywood Helpers überlassen hatte, und nun sind die noch lebenden Personen in dem Buch mit roten Kreuzen versehen, zum Sterben auserkoren. Zusammen mit seinem Freund Crumley, seinem persönlichen Dr. Watson, macht sich der Schriftsteller auf die Suche nach den markierten Personen. Schon der erste Besuch unter dem Eintrag „Rattigan, Kathedrale St. Vibiana“ birgt eine Überraschung, der etliche weitere folgen sollen. Es sind dabei nicht nur Leichen, die den Weg der beiden Ermittler kreuzen. Sie – und der Leser – erhalten auch einen Blick in die goldene Ära Hollywoods mit all den exzentrischen Persönlichkeiten, die nicht alle den Ruhm geerntet haben, nach dem sie strebten. Gefühlvoll und atmosphärisch dicht geschrieben, fesselt die Geschichte von Anfang bis Ende und beweist, dass
Bradbury auch mit über 80 Jahren noch ein wunderbarer Erzähler ist.
(Edition Phantasia, 204 S., Pb.)
Das beweist er auch mit den 21 erstmals in deutscher Sprache veröffentlichten Storys, die Ende der 90er entstanden und in dem Band
„Schneller als das Auge“ versammelt worden sind. In der eröffnenden Titelgeschichte verfolgt ein Zuschauer gespannt, wie ein ihm überraschend ähnlicher Mann auf der Bühne bei einer Zaubervorführung ausgenommen wird, in
„Sanfte Morde“ versucht ein altes Ehepaar, sich gegenseitig ins Jenseits zu befördern,
„Ein schöner Schlamassel“ lässt noch einmal die goldene Ära Hollywoods aufleben,
„Dorian in Excelsis“ dagegen die unsterbliche Magie großer Schriftsteller. Man kommt aus dem Staunen kaum noch heraus, wenn man sich erst einmal der unerschöpflichen Fantasie dieses großartigen Autors hingibt! (Diogenes, 320 S., HC)
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