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John Grisham – „Die Firma“

Sonntag, 18. Februar 2018

(Heyne, 558 S., Tb.)
Kurz vor seinem Anwaltsexamen verfügt der ehrgeizige Harvard-Student Mitchell McDeere bereits über äußerst lukrative Angebote von der Wall Street und aus Chicago, doch so richtig begeistert ist er nach einem Bewerbungsgespräch bei der kleinen, aber in jeder Hinsicht äußerst großzügigen Anwaltskanzlei Bendini, Lambert & Locke, die ihm nicht nur ein besseres Gehalt zahlen würde als die bisherigen Interessenten, sondern auch eine zinsgünstige Hypothek auf ein schickes Eigenheim und einen BMW bereitstellen. Zwar würde er sich in den ersten Jahren fast totschuften müssen, aber die Partnerschaft wäre ihm in ein paar Jahren sicher.
Auch seine wunderschöne Frau Abby, die als Lehrerin arbeitet, ist von dem Angebot begeistert und zieht mit ihrem aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Mann bereitwillig nach Tennessee, wo sie mit einer Innenarchitektin das neue Heim einrichtet und mit den Frauen der anderen Anwälte shoppen geht. Mitch gibt derweil sein Bestes und trumpft in der Firma mit einer für einen Frischling erstaunlichen Summe an anrechenbaren Stunden auf. Doch schon bald zeigen sich Risse in der luxuriösen Fassade, denn Mitch stellt fest, dass abgesehen von den Ruheständlern kein Anwalt die Firma lebendig verlassen hat.
Gleich zu Beginn wohnt Mitch der Beerdigung zweier vielversprechender Kollegen bei, die unter mysteriösen Umständen bei den Cayman-Inseln ums Leben gekommen sind – offensichtlich nicht der erste merkwürdige Todesfall in der Firma. Wenig später tritt auch noch FBI-Agent Wayne Tarrance an Mitch heran, um ihn als Informanten zu ködern, denn die Firma soll ein gut funktionierender Geldwäschebetrieb der berüchtigten Morolto-Familie aus Chicago sein.
Mitch lässt sich auf einen Deal mit dem FBI ein, bei dem auch Mitchs Bruder Ray aus dem Gefängnis entlassen werden soll, doch dann entdeckt das FBI ein Leck in den eigenen Reihen, so dass Mitch, Abby und Ray gezwungen sind, einen eigenen Fluchtplan zu entwickeln.
„Er musterte sie, einen nach dem anderen, rings um die Tische herum. Ihre Gesichter waren gerötet. Ihre Augen funkelten. Sie waren seine Freunde – Familienväter mit Frauen und Kindern -, und alle steckten in dieser furchtbaren Verschwörung. (…)
Vor einem Jahr war er ein toller Harvard-Mann mit Stellenangeboten in jeder Tasche gewesen.
Jetzt war er Millionär, und bald würde auf seinen Kopf ein Preis ausgesetzt sein.“ (S. 415) 
Nach seinem erfolgreichen Jura-Studium an der University of Mississippi praktizierte John Grisham zehn Jahre lang in seiner eigenen Anwaltskanzlei und wurde dort zu dem Thema inspiriert, das 1990 die Grundlage für seinen ersten Thriller bilden sollte. Der später mit Tom Cruise in der Hauptrolle verfilmte internationale Bestseller ließ Grisham seinen Anwaltsjob aufgeben und zu einem der weltweit erfolgreichsten Schriftsteller werden.
Mit „Die Firma“ hat er einen packenden Plot konstruiert, der von den sympathischen Aufsteigern Mitch und Abby McDeere getragen wird, deren Ehe nicht nur durch Mitchs enorme Arbeitsleistung in der Firma belastet wird. Grisham ist sicher kein Autor, der sich durch besonders komplexe Charakterisierungen seiner Figuren auszeichnet. Sowohl die McDeeres als auch die Anwälte bei Bendini, Lambert & Locke sowie die FBI-Leute wirken recht eindimensional, aber der Autor ist definitiv ein Meister in der Beschreibung juristischer Arbeitsprozesse und spannender Verwicklungen, die sich zu einem actionreichen Finale verdichten.
Vor allem die Einführung der McDeeres in die neue, luxuriöse Welt gelingt Grisham großartig, die Beschreibung der ersten komplizierten Fälle, an denen der Junganwalt arbeitet, und auch die ersten Begegnungen mit dem FBI. Und auch Grishams eigener ehemaliger Berufszweig bekommt auf der Jagd nach möglichst vielen anrechenbaren Stunden ordentlich sein Fett weg.
Die Flucht der McDeeres sowohl vor dem Mob als auch dem FBI ist dann so temporeich und komprimiert dargestellt, dass der etwas arg konstruierte Plot kaum negativ ins Gewicht fällt, so sehr fiebert der Leser mit den cleveren McDeeres mit. 
Leseprobe John Grisham - "Die Firma"

John Grisham – (Bruce Cable: 1) „Das Original“

Samstag, 2. September 2017

(Heyne, 367 S., HC)
Indem sie sich der Identität eines real existierenden Juniorprofessors für Amerikanistik bedienen und am Tag ihres geplanten Coups für etliche Ablenkungsmanöver sorgen, gelingt den fünf Gaunern Denny, Mark, Trey, Jerry und Ahmed das Kunststück, aus der Firestone Library der Princeton University fünf Originalmanuskripte zu entwenden, darunter F. Scott Fitzgeralds „Diesseits vom Paradies“, „Die Schönen und Verdammten“ und „Der große Gatsby“.
Zwar gelingt es dem FBI, mit Jerry und Mark zwei Mitglieder der Gang festzunehmen, aber die anderen drei Beteiligten und vor allem die Manuskripte bleiben verschwunden. Da die Versicherung in einem halben Jahr fünfundzwanzig Millionen an Princeton zahlen muss, wenn die Manuskripte nicht wieder auftauchen, ist Elaine Shelby mit ihrem Team beauftragt worden, neben dem FBI eigene Ermittlungen anzustellen.
Als die Spur der Manuskripte zu dem Buchhändler Bruce Cable auf Camino Island in Florida führt, heuert sie die Schriftstellerin Mercer Mann an, die seit drei Jahren an ihrem zweiten Roman zu schreiben versucht und die Insel durch ihre vor elf Jahren tödlich verunglückte Großmutter Tessa kennt. Sie soll möglichst nah an Bruce Cable herankommen und herausfinden, ob die Manuskripte tatsächlich in seinem Besitz sind. Da diese Aufgabe fürstlich entlohnt wird, übernimmt Mercer den Job trotz anfänglicher Skrupel, findet aber Gefallen daran, als sie Bruce und seine Frau Noelle näher kennenlernt, die eine sehr offene Beziehung zu führen scheinen. Als Noelle nach Frankreich reist, um neue Antiquitäten für ihr Geschäft auszukundschaften, lässt sich Mercer schließlich auf das Spiel mit dem Feuer ein …
„Er führte ein gutes Leben, hatte eine schöne Frau/Partnerin und besaß ein prächtiges Haus in einer netten Stadt. War er tatsächlich bereit, das alles zu riskieren und wegen Hehlerei gestohlener Manuskripte ins Gefängnis zu wandern?
Wusste er, dass ihm ein professionelles Ermittlungsteam auf den Fersen war? Und dass das FBI nicht weit war? Ahnte er, dass er in ein paar Monaten vielleicht für viele Jahre ins Gefängnis gehen musste?“ (S. 172) 
An sich ist es mal wieder ganz erfrischend, von John Grisham KEINEN Justiz-Thriller zu lesen. Zwar ist er durch internationale und auch großartig verfilmte Bestseller wie „Die Akte“, „Die Firma“, „Der Regenmacher“, „Der Klient“ und „Die Jury“ berühmt geworden, aber zwischendurch überraschte der examinierte Jurist immer wieder mal mit Romanen, die im Sportmilieu („Der Coach“, „Touchdown“) angesiedelt sind oder das Leben einer Baumwollfarmersfamilie beschreiben („Die Farm“).
Mit „Das Original“ begibt sich Grisham nun in die Welt der Bücher, in den Handel mit seltenen Erstausgaben und Originalmanuskripten. So interessant die Grundidee auch ist, bietet der Roman nur einen recht oberflächlichen Einblick in die Thematik. Der Diebstahl der Manuskripte wird recht kurz abgehandelt, die involvierten Personen nur grob skizziert.
Interessant wird es erst ab dem 2. Kapitel, wenn die Biografie von Bruce Cable rekapituliert wird, der mit dem väterlichen Erbe eine kurz vor dem Bankrott stehende Buchhandlung auf Camino Island erworben und sie mit großem Engagement zu einem florierenden Treffpunkt für Bücherfreunde und Autoren geführt hat, die auf ihren Leserreisen gern Station bei „Bay Books“ machen.
Auch bei der Charakterisierung von Mercer Mann gibt sich Grisham noch einige Mühe, schließlich sind Cable und Mann die wichtigsten Figuren in „Das Original“. Wie sich die beiden allerdings einander annähern, ist leider sehr vorhersehbar und ohne jeglichen Esprit beschrieben. Vor allem das Finale wirkt überhastet konstruiert, als hätte Grisham wie seine weibliche Hauptfigur das Interesse an der Geschichte verloren, so dass er sie nur noch schnell mit einer plötzlichen Wendung zu Ende bringen wollte. „Das Original“ lässt sich zwar flüssig lesen, doch die Figuren und der Plot können dem Vergleich mit Grishams früheren Werken nicht standhalten.
 Leseprobe John Grisham - "Das Original"

John Grisham – (Theo Boone: 6) „Theo Boone und der große Betrug“

Mittwoch, 10. Mai 2017

(Heyne, 252 S., HC)
Mit nervöser Anspannung sieht der dreizehnjährige Anwaltssohn Theo Boone den Aufnahmeprüfungen für die Highschool entgegen. Schließlich ging es bei den zentral abgestimmten Prüfungen bei allen Achtklässlern im Bundesstaat nicht nur darum, das Abschneiden der Schüler und die Qualität der Ausbildung an den Schulen zu bewerten: In Strattenburg dienten die Prüfungsergebnisse auch dazu, die Achtklässler in drei Gruppen einzuteilen. Die Durchschnittsschüler durften einfach die Highschool besuchen. Während die besten Schüler im anspruchsvollen Honors-Programm unterkamen, mussten die schwächeren Schüler in Klassen, die den Lehrstoff etwas langsamer vermittelten.
Mit 91 Prozentpunkten würde man in die begehrten Honors-Kurse kommen, was nicht nur für Theo als angehender Jurist angestrebt wurde, sondern auch von seiner Freundin April, die es auf die besonderen Kunstkurse dort abgesehen hatte.
Doch dann erfährt Theo, dass an der weniger privilegierten East Middleschool die eindrucksvolle Verbesserung der Ergebnisse gegenüber den Vorjahren darauf zurückzuführen sein soll, dass fünf Lehrer auffällig viele Korrekturen zugunsten ihrer Schüler vorgenommen haben sollen. Neben ihrer Suspendierung vom Schuldienst droht ihnen beim Nachweis einer Verabredung zu einer Straftat sogar eine Gefängnisstrafe. Dies versucht Theos Mutter als Anwältin der fünf beschuldigten Lehrer zu verhindern.
„Ein Eklat werde die gesamte Schule treffen. Dabei habe die East Middleschool ohnehin schon zu kämpfen. Diese Affäre würde ihren Ruf wahrscheinlich schwer schädigen und könne sogar dazu führen, dass sie geschlossen wurde.“ (S. 112) 
Theo und April sind von den Vorgängen mehr betroffen, als es zunächst den Anschein hat. Aber davon abgesehen hat der engagierte Jung-Jurist auch an anderen Fronten zu kämpfen: So muss er nicht nur seinen geliebten Onkel Ike aus dem Gefängnis holen, nachdem dieser im betrunkenen Zustand Auto gefahren war, sondern auch seinem Kumpel Pete Holland beistehen, dessen betrunkener Vater sowohl ihn selbst als auch seine Mutter verprügelt hat, und vor dem Tiergericht Mr. Kerr verteidigen, auf dessen Grundstück ein Otter lebt, der offensichtlich mehrere Kois aus dem Teich seines Nachbarn Mr. Murray verspeist hat.
Dass John Grisham, Großmeister des Justiz-Thrillers („Die Akte“, „Die Firma“), in seiner erfolgreichen Jugendbuch-Reihe seinem bestens vertrauten Genre treu bleibt, darf kaum verwundern. Mit dem mittlerweile dreizehnjährigen Theo Boone hat er eine durchweg sympathische Figur kreiert, der als Sohn zweier Anwälte ebenfalls auf bestem Wege ist, eine juristische Laufbahn einzuschlagen, sozial bei den Pfadfindern und bei der Essensausgabe für die Armen aktiv ist und auch in der Schule Bestleistungen präsentiert.
In seinem sechsten Fall hat er gleich mit mehreren Fällen zu tun. Während die Episoden von häuslicher Gewalt und am Tiergericht eher kurzweilige Lückenfüller sind, geht es bei der Untersuchung der gefälschten Ergebnisse zu den Aufnahmeprüfungen für die Highschool auch in die Tiefe, nämlich um die unterschiedlichen Bedingungen, die Schülern aus sozial benachteiligten Familien und von Eltern mit Hochschulabschluss zur Verfügung stehen.
Für die Reihe um Theo Boone gilt ansonsten ebenso für Grishams Erwachsenenliteratur, dass die Figuren überwiegend sehr oberflächlich gezeichnet sind, die Geschichten aber auf kurzweilige Weise zu unterhalten wissen. 
Leseprobe John Grisham - "Theo Boone und der große Betrug"

John Grisham – „Bestechung“

Dienstag, 9. Mai 2017

(Heyne, 448 S., HC)
Lacy Stoltz und Hugo Hatch sind als Ermittler beim BJC (Board on Judicial Conduct) tätig, wo sie vor allem Beschwerden gegen standeswidriges Verhalten von Richtern in Florida nachgehen. In St. Augustine sollen sie im Auftrag ihres Vorgesetzten Michael Geismar einen Whistleblower treffen, der sich den beiden Kollegen und Freunden am Jachthafen der Stadt als Ramsey Mix alias Greg Myers vorstellt und dreißig Jahre als Anwalt praktiziert hat, bis er im Rahmen von RICO (Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act) für sechzehn Monate ins Bundesgefängnis musste, nachdem er einen Deal mit der Staatsanwaltschaft eingegangen war.
Mittlerweile hat er seine Lizenz zurück und nur einen Mandanten, dessen Namen er allerdings nicht kennt. Myers macht Lacy und Hugo mit einem Fall vertraut, in dem es um organisierte Kriminalität, indianische Kasinobesitzer in Brunswick County und die korrupte Richterin Claudia McDover geht, die mit dem Unternehmer Vonn Dubose gemeinsame Sache macht. Doch kaum wird die offizielle Beschwerde der Richterin zugestellt, verschwindet Myers völlig von der Bildfläche. Das hält vor allem Lacy überhaupt nicht davon ab, der Beschwerde weiterhin nachzugehen.
„Was auch immer die Richterin dachte, sie ließ sich nichts anmerken. Ihr Gesicht war völlig emotionslos, so unangenehm diese Angelegenheit auch sein mochte.
Das Schöne an Lacys Strategie war, dass McDover in diesem Moment keine Ahnung hatte, was der Maulwurf ihnen bereits gesagt hatte. Sie hatte keine Ahnung, dass das BJC von dem Bargeld, den Privatjets, den Immobilien, den vielen Annehmlichkeiten wusste.“ (S. 217) 
Doch vor allem Dubose kennt keine Skrupel, seine Interessen zu schützen, und schreckt auch vor Mord nicht zurück. Lacy muss unbedingt an den Maulwurf herankommen, um an die Infos aus erster Hand zu kommen, kann sich dabei aber auch auf ihren exzentrischen Bruder Gunter verlassen …
Mit seinem neuen Thriller „Bestechung“ hat es der Justiz-Thriller-Bestseller-Autor John Grisham einmal mehr auf schwarze Schafe in der sogenannten „besseren Gesellschaft“ abgesehen. Der Fall wird wie bei Grisham üblich sehr detailliert und schnörkellos dargelegt, wobei die Abwicklung der Geschäfte über diverse Offshore-Konten etwas arg minutiös geschildert wird. Bei der Figurenzeichnung gefällt vor allem die sympathische Protagonistin, die nicht nur einen schweren Unfall und Verlust zu verarbeiten hat, sondern sich auch mit einem ehrgeizigen FBI-Agenten privat zu treffen beginnt. Dagegen wird die beschuldigte Richterin sehr eindimensional als hemmungs- und skrupellos gierige Person charakterisiert, was ebenso auf Dubose zutrifft.
Was Grisham bei der Charakterisierung seiner Figuren vermissen lässt, gleicht er bei der Konstruktion des Plots locker wieder aus, so dass „Bestechung“ sicher nicht zu seinen besten Werken zählt, aber doch für grundsolide Spannung sorgt.
 Leseprobe John Grisham - "Bestechung"

John Grisham – „Der Gerechte“

Dienstag, 29. März 2016

(Heyne, 415 S., HC)
Sebastian Rudd ist ein unabhängiger Strafverteidiger, der weder über eine herkömmliche Kanzlei noch über einen Telefonbucheintrag verfügt. Stattdessen stellt ein umgebauter und zweckmäßig möblierter Van das fahrende Büro des prominenten Mannes dar, mit dem er und sein bulliger Chauffeur Partner von einem Gerichtsort zum nächsten fährt. Rudd trägt legal eine Waffe, weil er immer wieder von Leuten bedroht wird, die nicht billigen, welchen Abschaum er verteidigt. Momentan sitzt Rudd in dem Provinzkaff Milo fest, wo er die Pflichtverteidigung von Gardy Baker übernommen hat, einem achtzehnjährigen Schulversager, der angeklagt worden ist, zwei kleine Mädchen umgebracht zu haben.
Rudd ist sich durchaus im Klaren darüber, dass die meisten seiner Mandanten schuldig sind, doch in diesem Fall ist er sich sicher, dass Gardy praktisch schon am Tag seiner Verhaftung verurteilt wurde und die Polizei alle Anklagepunkte erfunden und Beweismittel gefälscht hat. Der Anwalt macht allerdings bald den richtigen Täter ausfindig und benutzt den Mixed-Martial-Arts-Kämpfer Tadeo Zapate, an dessen Karriere Rudd mit fünfundzwanzig Prozent beteiligt ist, dazu, DNA-Spuren des eigentlichen Mörders zu besorgen. Doch der Staatsanwalt Huver glaubt nach wie vor an seinen Fall …
„Wie so oft geht es bei diesem Prozess nicht um die Wahrheit, sondern ums Gewinnen. Und da Huver gewinnen will, ohne Beweise in der Hand zu haben, muss er lügen und betrügen, als wäre die Wahrheit sein schlimmster Feind. Ich habe sechs Zeugen, die unter Eid aussagen, dass mein Mandant zur Tatzeit weit vom Tatort entfernt war, doch keiner davon wird ernst genommen. Huver hat fast zwei Dutzend Zeugen antreten lassen, die bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Richter als Lügner bekannt sind. Dennoch saugen die Geschworenen ihre Lügen auf, als wäre es die Heilige Schrift.“ (S. 75) 
Außerdem hat Rudd den Kriminellen Link Scanlon verteidigt, der wegen des Mordes an einem Richter vor sechs Jahren einstimmig zum Tode verurteilt wurde. Scanlons ursprünglicher Verteidiger wurde kurz nach Scanlons Verlegung in die Todeszelle erhängt vorgefunden. Seitdem führt Scanlon seine Geschäfte aus dem Gefängnis weiter. Kurz vor der Vollstreckung des Urteils gelingt Scanlon aber eine spektakuläre Flucht.
Und schließlich hat es Rudd mit dem abgebrühten Arch Sanger zu tun, der beschuldigt wird, vor neun Monaten eine junge Frau namens Jiliana Kemp entführt zu haben. Daneben trifft er sich jeden dritten Freitag im Monat mit seiner 39-jährigen Ex-Frau Judith Whitly, die kurz vor der Trennung von Rudd schwanger wurde und mittlerweile mit Frauen verkehrt. Um ihren gemeinsamen Sohn Starcher, für den Judith das alleinige Sorgerecht besitzt, streiten sich die beiden regelmäßig. Die Lage spitzt sich zu, als Starcher in einem von Rudds Fällen als Druckmittel eingesetzt wird …
Im Klappentext zu seinem neuen Roman macht John Grisham seine Leser mit dem Umstand vertraut, dass er selbst zehn Jahre lang als unabhängiger Anwalt tätig gewesen ist, sich aber nur mit so langweiligen Angelegenheiten wie Testamenten und notariellen Urkunden befassen musste. Wie die bemerkenswertesten Helden seiner Bestseller-Romane hätte Grisham gern jemanden verteidigt, der ein Kapitalverbrechen begangen hat.
Sebastian Rudd, der Ich-Erzähler in „Der Gerechte“, stellt insofern das Möchte-gern-Alter-Ego von John Grisham dar, doch ein wirklicher Sympathieträger ist Rudd nun auch nicht. Seine ätzenden Kommentare auf voreingenommene Jurys, korrupte Polizisten und erfolgshungrige Staatsanwälte wirken diesmal dermaßen überzogen und moralinsauer, dass die zu verhandelnden Fälle in „Der Gerechte“ fast zur Nebensache werden.
Zwar sind einige von ihnen durchaus interessant, aber echte Spannung stellt sich nie ein. Dazu lässt auch die persönliche Komponente – hier vor allem in dem wenig überzeugenden Erziehungsstreit thematisiert – an emotionaler Tiefe zu wünschen übrig. Rudd ist ein durch und durch zynischer Vertreter seiner Zunft, der selbst mit harten Bandagen kämpft, sobald die Gegenseite damit angefangen hat, bleibt aber seinen Prinzipien treu. Das ist zwar durchaus unterhaltsam, aber durch die stete Übertreibung verlieren die Geschichten an Spannung.
Leseprobe John Grisham "Der Gerechte"

John Grisham – (Theo Boone: 5) „Theo Boone und der entflohene Mörder“

Samstag, 19. Dezember 2015

(Heyne, 255 S., HC)
Vor der Middleschool in der 75.000-Einwohner-Stadt Strattenburg herrscht helle Aufregung. Schließlich steht die Klassenfahrt der Achten an. Mit vier langen Reisebussen werden die Schüler sechs Stunden lang nach Washington gefahren, wo sie sich dreieinhalb Tage lang die Sehenswürdigkeiten der Stadt ansehen. Für den dreizehnjährigen Theodore Boone bedeutet dieser Ausflug ein überraschendes Wiedersehen mit dem des Mordes an seiner Frau angeklagten Pete Duffy, der während seines Prozesses aber geflüchtet und untergetaucht ist.
Theo hat Duffy die Gerichtsverhandlung verfolgt und erkennt Duffy trotz seiner Verkleidung am seinem Gang wieder. Er lässt seinen Onkel Ike nach Washington kommen, der früher mit seinen Eltern als Rechtsanwalt praktizierte und sich nun weitaus weniger ambitioniert als Steuerberater durchs Leben schlägt, und findet mit ihm heraus, wo Duffy zurzeit wohnt.
Zurück in Strattenburg informiert Ike das FBI, das sich mit Theos Hilfe erneut auf die Suche nach Duffy macht, der offensichtlich mitbekommen hat, dass er aufgeflogen ist. Aber wenn Duffy erneut der Prozess gemacht werden soll, muss auch der 19-jährige illegale Einwanderer Bobby Escobar aussagen, der Duffy damals gesehen hat, als er vom Golfplatz zu seinem Haus fuhr, um seine Frau umzubringen.
Theo ist sich unsicher, inwieweit er seine Eltern informieren soll, die in Rechtsfragen grundsätzlich gegenteilige Meinungen vertreten.
„Wieder würde der Duffy-Zirkus die ganze Stadt beherrschen, und damit wuchs die Gefahr, dass zwielichtige Gestalten auf ihn aufmerksam wurden. Wenn irgendwie durchsickerte, dass Theo und Ike für Duffys Festnahme verantwortlich waren, konnte es brenzlig werden. Und Bobby Escobar konnte jederzeit untertauchen.“ (S. 102) 
Seit seinem erfolgreichen Debütroman „Die Jury“ ist der ehemalige Anwalt John Grisham zum Inbegriff des Justiz-Thrillers geworden, der mit packenden Geschichten um spektakuläre und außergewöhnliche Gerichtsfälle und einer einfachen Prosa weltweit Millionen von Lesern zu begeistert versteht. Mittlerweile hat Grisham auch das junge Publikum für sich entdeckt und mit dem Theo Boone einen charismatischen, aufgeweckten Teenager-Jungen kreiert, der ganz in die Fußstapfen seiner Eltern zu treten scheint.
Mit „Theo Boone und der entflohene Mörder“ greift Grisham die Geschichte auf, die er mit dem Theo-Boone-Debüt „Theo Boone und der unsichtbare Zeuge“ offensichtlich noch nicht zu Ende erzählt hat. Der Autor versteht es zwar souverän, seinem (nicht nur) jungen Publikum eine an sich interessante Story zu präsentieren und die juristischen Regeln und Prozesse anschaulich darzustellen. Aber der Plot wirkt wie am Reißbrett konstruiert und ist extrem vorhersehbar ausgefallen, so dass echte Spannung nie wirklich aufkommt.
Davon abgesehen könnte sich Grisham aber durchaus mehr Mühe bei der Charakterisierung seiner Figuren geben. Vor allem Theos Eltern bleiben im fünften Theo-Boone-Fall sehr blass. Bleibt zu hoffen, dass sich Grisham nach dem schwächsten seiner Theo-Boone-Bücher beim nächsten Band wieder mehr Mühe gibt.
Leseprobe John Grisham - "Theo Boone und der entflohene Mörder"

John Grisham – „Anklage“

Sonntag, 29. März 2015

(Heyne, 511 S., HC)
Nicht mal zwei Wochen nach dem Kollaps von Lehman Brothers bekommt auch die ambitionierte Anwältin Samantha Kofer die Nachwehen der Immobilienkrise zu spüren. Drei Jahre nachdem sie bei Scully & Pershing, der größten Anwaltskanzlei der Welt angefangen hatte, wird sie von ihrem Chef Andy Grubman mit sofortiger Wirkung freigestellt. Sie nimmt allerdings das Angebot an, ein Jahr ohne Gehalt, aber mit Krankenversicherung bei S&P unter Vertrag zu bleiben, wenn sie in dieser Zeit für eine ausgewählte gemeinnützige Organisation tätig wird.
Samantha verschlägt es schließlich zur Mountain Law Clinic in Brady, wo sich Mattie Wyatt und ihre Leute um Menschen kümmern, die sich keinen Anwalt leisten können. Die Kleinstadt lebt vor allem vom Kohleabbau, leidet unter hoher Arbeitslosigkeit und noch höherem Meth-Missbrauch.
Zunächst fühlt sich Samantha noch etwas unsicher in einem juristischen Bereich, der ihr im Vergleich zu den drögen Immobiliengeschäften in New York dann immer mehr zusagt. Schließlich hilft sie hier Menschen mit echten Problemen, Bergarbeitern, die sich buchstäblich zu Tode schuften, wenn sie sich erst eine unheilbare Staublunge einfangen und dann von den Kohleunternehmen vor die Tür gesetzt werden, wenn sie ihre Arbeit nicht mehr erledigen können.
Sie übernimmt den Fall des schwer erkrankten Buddy Ryzer, der bereits seit 1997 an einer Staublunge leidet und entsprechende Entschädigungsleistungen bei Lonerock Coal beantragt, doch ließen die Anwälte von Casper Slate eigene Gutachter den Gesundheitszustand von Ryzer überprüfen und den entscheidenden Beweis verschwinden. Wie rigide diese Anwälte arbeiten, muss Samantha bald am eigenen Leib erfahren, denn Matties Neffe Donovan Gray hat seinerseits Beweise entwendet, die das kriminelle Verhalten der Kohleindustrie dokumentieren. Diese hetzen nicht nur das FBI auf die Kanzlei von Donovan und die Mountain Law Clinic, sondern schrecken auch vor der Inszenierung tödlicher Unfälle nicht zurück …
Zusammen mit ihrem Vater, der sich nach dem Verlust seiner Anwaltslizenz und dem Absitzen einer Haftstrafe auf Prozessfinanzierung spezialisiert hat, und ihrer Mutter, die als leitende Juristin im Washingtoner Justizministerium ein paar Hebel in Gang setzt, kämpft Samantha für das Recht ihrer hilfsbedürftigen Mandanten. Es gibt so viel zu tun, dass Donovan ihr sogar einen Job in seiner Kanzlei anbietet, was sie aber wiederholt ablehnt.
„Sie erinnerte ihn daran, dass (a) sie sich immer noch nicht für Schadenersatzklagen erwärmen konnte und nicht nach einem Job suchte, (b) sie nur auf der Durchreise und sozusagen eine Leihgabe war, bis sich der Staub in New York wieder gelegt hatte und sie wusste, wie die nächste Phase ihres Lebens aussah, die aber ganz sicher nichts mit Brady, Virginia, zu tun haben würde, und (c) sie eine Verpflichtung gegenüber der Law Clinic eingegangen war und richtige Mandanten hatte, die sie brauchten.“ (S. 290) 
John Grisham hat in den meisten seiner anfangs auch oft verfilmten Bestseller („Die Firma“, „Die Jury“) immer wieder den Kampf des kleinen Mannes gegen übermächtig erscheinende Konzerne thematisiert. In seinem neuen Roman „Anklage“ ist es die Kohleindustrie, die sich mit unlauteren Mitteln gegen jede Art von Entschädigungszahlungen gegenüber Bergarbeitern zu drücken versucht, die nachweislich an Staublunge erkrankt sind und einen langsamen, qualvollen Tod zu erwarten haben.
Grisham bleibt sich auch seiner Gewohnheit treu, diesen aussichtslos erscheinenden Kampf von Anwälten ausfechten zu lassen, die kaum die nötige Erfahrung besitzen, um die juristischen Spitzfindigkeiten anwenden zu können, die bei so langwierigen Prozessen eine nicht unerhebliche Rolle spielen, aber auch in „Anklage“ bringt der amerikanische Bestseller-Autor eine junge Anwältin ins Spiel, die ihre mangelnde Erfahrung durch ihr empathisches Wesen, durch Kampfgeist und Leidenschaft wettmacht.
Grisham konstruiert „Anklage“ dabei weniger als konventionellen Thriller, bei dem sich die Spannung sukzessive aufbaut, sondern fast schon als eindringliche Milieustudie einer kleinen Bergarbeiterstadt, wobei die Beschreibung des Arbeitsalltags in einer Non-Profit-Kanzlei viel Raum einnimmt. Er beschränkt sich dabei auf wenige Fälle und Figuren, schafft es aber so, den Leser stärker an das Schicksal der armen Leute zu binden, denen auf unrechtmäßige Weise der Schadenersatz versagt wird.
„Anklage“ erweist sich nicht unbedingt als Pageturner, ist aber wie immer gut geschrieben und macht einmal mehr eindringlich auf Missstände im amerikanischen Justiz- und Wirtschaftssystem aufmerksam.
Leseprobe John Grisham - "Anklage"

John Grisham – „Die Erbin“

Freitag, 4. April 2014

(Heyne, 702 S., HC)
Der schwer an Lungenkrebs erkrankte Unternehmer Seth Hubbard hat sein Ende sorgfältig vorbereitet. Bevor er sich an einem Freitagnachmittag in einem Baum erhängte, setzte der zurückgezogen lebende Hubbard ein handschriftschriftliches Testament auf, mit dem er sein vorangegangen verfasstes und in der Kanzlei Rush in Tupelo hinterlegtes widerruft und seine schwarze Haushälterin Lettie Lang quasi als Alleinerbin über mutmaßlich mehr als zwanzig Millionen Dollar einsetzt.
Als der Kleinstadtanwalt Jack Brigance am folgenden Montag per Post Hubbards letzten Willen zugestellt bekommt und ihn als Nachlassverwalter einsetzt, ahnt er bereits, dass ihm ein langwieriger Prozess bevorsteht. Denn Hubbards Kinder und Enkel, die Zeit ihres Lebens kaum Kontakt zum Toten gepflegt haben, werden das neue Testament natürlich anfechten. Doch Brigance ist nicht nur damit beschäftigt, sich gegen ein Heer von Anwälten zu behaupten, die sich nicht nur um Hubbards Familienangehörige scharen, sondern auch Lettie Lang ihre Dienste anbieten wollen. Sie alle wollen natürlich ein großes Stück vom Kuchen abhaben.
Doch Jake hat noch an einer anderen Front zu kämpfen. 1985 hat er einen spektakulären Prozess gewonnen, bei dem er den Schwarzen Carl Lee Hailey verteidigte, der die beiden Weißen erschoss, die seine Tochter vergewaltigten und zu töten versuchten, und einen Freispruch wegen Unzurechnungsfähigkeit erwirkt. Mitglieder des Ku-Klux-Clans brannten während des Verfahrens das Haus der Familie Brigance nieder, doch nur vier der Täter mussten dafür ins Gefängnis. Ihr Anführer Dennis Yawkey wird nun völlig überraschend auf Bewährung freigelassen und hat mit Brigance noch eine Rechnung zu begleichen. Vor Gericht bringen Jake und sein Kontrahent Wade Lanier, der die Hubbard-Kinder vertritt, ihre Geschütze in Stellung. Während Laniers Trupp von Helfershelfern alles daran setzt zu beweisen, dass der Verstorbene nicht testierfähig gewesen ist, forscht Letties Tochter Portia in der Familiengeschichte.
„Es konnte durchaus sein, dass es Zeitverschwendung war, in der Vergangenheit herumzuwühlen, aber es war eine faszinierende Suche. Lucien war besessen von dem Puzzle. Er war fest davon überzeugt, dass es für das, was Seth Hubbard getan hatte, einen Grund gab. Aber der Grund war weder Sex noch Freundschaft. Portia hatte das Gespräch mit ihrer Mutter gesucht und ihr mit allem Respekt und aller Wertschätzung, die sie aufbringen konnte, die entscheidende Frage gestellt. Nein, hatte Lettie geantwortet. Nie. Es sei nie in Erwägung gezogen worden, jedenfalls nicht ihrerseits. Es sei nie darüber gesprochen worden, es sei nie in Frage gekommen. Nie.“ (S. 396f.) 
Tatsächlich tragen Portias Recherchemühen bald Früchte, was einen weiteren, unerwarteten Familienangehörigen auf den Plan bringt und dem Prozess die entscheidende Wendung verleiht.
Niemand vermag Justiz-Thriller so flott und packend zu schreiben wie John Grisham, der sich in seinen Romanen immer wieder auf die Seite der vermeintlich Schwachen schlägt, die sich mit aufopferungsvoll kämpfenden Anwälten ihr Recht auch gegen mächtige Großkonzerne erkämpfen. Dieser Aspekt spielt in Grishams neuen Roman „Die Erbin“ nur eine untergeordnete Rolle. Zwar geht es auch hier um viel Geld, aber im Vordergrund steht eindeutig die Rassenfrage, wo der Autor nahtlos an „Die Jury“ und den Hailey-Prozess anknüpft, der auch hier immer wieder thematisiert wird. Äußerst lebendig beschreibt Grisham, wie all die Anwälte sich bemühen, ihren Teil vom üppigen Kuchen zu bekommen, wie sie Zeugen ausfindig machen und ihre Strategien ausarbeiten. Daneben bringt Grisham immer neue Nebenschauplätze ins Spiel, von denen einige sich irgendwann im Nichts auflösen, andere wiederum prozessentscheidend werden.
So spannend Grisham diesen spektakulären Fall auch erzählt, sind seine Sympathien schnell offenkundig, was ihn selbst dazu verleitet, vor allem Jake und seine Ambitionen im strahlendsten Licht erscheinen zu lassen. Davon abgesehen bietet „Die Erbin“ einfach schnörkellos packenden Thriller-Stoff, den man nicht eher aus der Hand legt, bis die Geschworenen ihr Urteil gesprochen haben.
Leseprobe John Grisham - "Die Erbin"

John Grisam – „Das Komplott“

Freitag, 13. September 2013

(Heyne, 447 S., HC)
Der 43-jährige schwarze Anwalt Malcolm Bannister war einst Partner in einer kleinen Kanzlei in Winchester, Virginia, glücklich verheiratet und hätte sich wohl nie träumen lassen, dass er selbst einmal wegen Geldwäsche zu zehn Jahren Haft verurteilt wird. Die Hälfte seiner Strafe hat er mittlerweile abgesessen und sich die Zeit in dem „Camp“ Frostburg, wo nur minimale Sicherheitsvorkehrungen herrschen, als Bibliothekar und juristischer Berater für die Gefängnisinsassen vertrieben.
Doch nach fünf Jahren, in denen er seine Zulassung als Anwalt, seine Frau und die Beziehung zu seinem Sohn verloren hat, erhält Bannister die Nachricht von der Ermordung des Bundesrichters Raymond Fawcett und seiner Sekretärin in dessen Blockhütte in Roanoke.
Während das FBI völlig im Dunkeln tappt, wer für diese Tat verantwortlich sein könnte, und eine Belohnung von hunderttausend Dollar nicht dazu beitragen kann, hilfreiche Hinweise zur Auflösung des Verbrechens zu generieren, tritt Bannister mit einem Deal an das FBI heran: Er nennt dem FBI den Namen des Täters und wird nach dessen Verhaftung sofort freigelassen, bekommt die Belohnung ausbezahlt und wird mit einer neuen Identität ausgestattet.
Laut Bannister handelt es sich bei dem Mörder um Quinn Rucker, einen Drogendealer, mit dem sich Bannister in Frostburg angefreundet hat und der vor einiger Zeit fliehen konnte. Tatsächlich findet das FBI Rucker bei dessen Cousin in Norfolk und bekommt sogar ein Geständnis, so dass die Anklage wie geplant in Roanoke eingereicht werden kann. Auf einmal wird Bannister vom FBI wie der einer ihren behandelt, doch nach dem Start in ein ganz neues Leben hat der ehemalige Anwalt Pläne, die dem Staat gar nicht gefallen werden.
„Diese Leute haben vergessen, dass ich selbst einmal Gegenstand eines Strafverfahrens auf Bundesebene war, dass FBI-Beamte jeden Aspekt meines Lebens auf den Kopf stellten, während die Bundesanwaltschaft damit drohte, nicht nur mich, sondern auch meine beiden unbescholtenen Partner hinter Gitter zu bringen. Die denken tatsächlich, wir wären Freunde, ein verschworenes Team, das im Gleichschritt auf ein gerechtes Urteil zumarschiert. Wenn ich könnte, würde ich ihnen Knüppel zwischen die Beine werfen und dafür sorgen, dass sie mit der Anklage nicht durchkommen.“ (S. 233)
John Grisham ist nicht nur ein Meister des Justiz-Thrillers, dessen packende Geschichten von renommierten Filmemachern wie Francis Ford Coppola („Der Regenmacher“), Sydney Pollack („Die Firma“) und Joel Schumacher („Der Klient“) erfolgreich fürs Kino adaptiert worden sind. Aber mit seinen Thrillern hat Grisham auch stets den Finger in die Wunden des amerikanischen Justizsystems gelegt, vor allem in Sachen Todesstrafe. Doch auch in seinem neuen Werk „Das Komplott“ seziert Grisham genüsslich den Status quo der amerikanischen Gesellschaft.
Indem er seinen Ich-Erzähler erstmals aus der schwarzen Bevölkerung rekrutiert, geht er hart mit dem nach wie vor vorherrschenden Rassismus ins Gericht und lässt diesen Rache an einem Staatssystem nehmen, das er für heuchlerisch, ungerecht und kriminell hält. So wird in einer Subhandlung ein Filmprojekt über die DEA inszeniert, das dokumentieren soll, dass die Beamten ihre Verdächtigen lieber gleich erschießen als vor Gericht zu stellen. Und der Protagonist verzieht sich für den heikleren Teil seiner Rachemission nach Antigua, weil er dort als Schwarzer nicht so auffällig wirkt.
„Das Komplott“ präsentiert eine für Grisham ungewöhnlich ambivalente Hauptfigur und einen im zweiten Teil etwas arg konstruierte komplexe Handlung, deren glatter Verlauf teilweise schon unglaubwürdig ist, doch dafür bietet der Thriller erneut Spannung bis zur letzten Seite, wobei der Leser komplizenhaft mit dem Helden mitschmunzeln darf.
Leseprobe John Grisham – “Das Komplott”

John Grisham - “Home Run“

Montag, 18. März 2013

(Heyne, 269 S., HC)
Paul Tracey und sein Vater Warren haben nie eine wirklich gute Beziehung zueinander gehabt. Tatsächlich hat Paul mit seinem Vater kaum noch gesprochen, seit dieser sich nach zwölf Jahren Ehe von Pauls Mutter scheiden ließ und das Weite suchte, um immer wieder weitere Frauen zu ehelichen. Warren Tracey ist stets ein aufbrausender Mann gewesen, der als Profi-Baseballspieler vor allem für die New York Mets viel unterwegs gewesen ist, sich mit anderen Frauen vergnügte und gern einen über den Durst trank, worauf er zuhause oft gewalttätig geworden ist. Warren Tracey war kein Mann, zu dem man aufschauen, vor allem nicht gern haben konnte.
Was ihn aber in aller Welt zu einem roten Tuch machte, war das denkwürdige Aufeinandertreffen von Warren mit Joe Castle am 24. August 1973. Paul war damals elf Jahre alt und Pitcher bei den Scrappers in der Little League von White Plains und verfolgte wie das ganze Land begeistert mit, wie ein 21-jähriger Rookie namens Jim Castle einen Home Run nach dem nächsten machte und seine Karriere gleich mit einigen Rekorden begann.
 „Joe Castle würde sein Debüt in New York haben und mein Vater würde auf dem Wurfhügel stehen. Die Cubs würden dann die Nummer eins in der East Division sein und die Mets aller Wahrscheinlichkeit die Nummer zwei. Wenn ich mir das vorstellte – und das tat ich in dem August damals mindestens zehnmal am Tag -, bekam ich ein flaues Gefühl im Magen und brachte nicht einmal mehr einen Schluck Wasser hinunter. Warren Tracey gegen Joe Castle. Die Gefühle für meinen Vater waren mehr als gemischt. Eigentlich hasse ich ihn ja, aber er war mein Vater und ein Profibaseballspieler, der für die New York Mets pitchte! Wie viele elfjährige Jungen konnten das von ihrem Vater behaupten?“ (S. 100) 
Das erträumte Zusammentreffen fiel jedoch anders aus als erhofft. Warren Tracey traf Joe Castle mit einem Beanball so schwer am Kopf, dass der Junge einige Tage im Koma verbrachte und nie wieder spielen konnte. Mit dieser mehr als unsportlichen Geste wurde das Band zwischen Warren Tracey und seiner Familie endgültig zerschnitten, und Paul litt noch Jahre unter der Schmach, die sein Vater der Familie und der ganzen Baseballwelt zugefügt hatte. Doch nun liegt Warren Tracey mit Bauchspeicheldrüsenkrebs im Sterben und sein Sohn macht sich auf den Weg nach Calico Rock und dann zu seinem Vater, um eine Aussöhnung zwischen den beiden Männern zu erwirken. Doch Warren Tracey ist nie ein Mann gewesen, der ein Unrecht in dem sah, was er in seinem Leben angerichtet hatte …
John Grisham hat sich vor allem einen Namen als Autor von vielfach verfilmten Justiz-Thrillern wie „Die Firma“, „Die Akte“ und „Der Klient“ gemacht, aber er hat zwischenzeitlich auch immer mal wieder seine Erzählkunst in Romanen wie „Die Farm“, „Der Coach“ und „Touchdown“ bewiesen. In „Home Run“ erweist er seiner Lieblingssportart Baseball seine Referenz und schildert fachlich kompetent wie unterhaltsam die dramatische Geschichte sowohl einer schwierigen Vater-Sohn-Beziehung ebenso wie die unterschiedlichen Erfolgs- und Leidensgeschichten zweier Profi-Baseball-Spieler, die nach ihrem Aufeinandertreffen nicht mehr dieselben Männer sein sollten. Grisham beschreibt die verschiedenen Zeit- und Handlungs-Ebenen auf gewohnt souveräne Weise, mit Begeisterung für den Baseball-Sport und seine Helden, aber auch mit viel Gefühl für seine Protagonisten.
Leseprobe: John Grisham - "Home Run"

John Grisham – “Verteidigung”

Freitag, 21. September 2012

(Heyne, 464 S., HC)
Fünf Jahre in der Tretmühle von Chicagos renommierter Kanzlei Rogan Rothberg sind für David Zinc mehr als genug. Fünf Jahre, in denen Zinc sechs Tage die Woche von frühmorgens bis spätabends schuftete, aber immerhin gutes Geld nach Hause brachte. Doch eines Tages steigt er nicht aus dem Fahrstuhl im Trust Tower aus, um sich zu seinen sechshundert Kollegen zu gesellen, sondern fährt wieder nach unten und fühlt eine enorme Erleichterung, als er den Entschluss fasst, nie wieder zurückzukehren. Stattdessen kehrt er in eine Bar ein und lässt sich den ganzen Tag volllaufen. Anschließend torkelt er in die nächstbeste Kanzlei und bittet um einen Job. Bei der zufällig ausgesuchten „Boutiquekanzlei“ handelt es sich um Finley & Figg, die überwiegend Personenschäden bearbeitet, die sie an der nahen Kreuzung aufgabelten, wenn es mal wieder ordentlich krachte.
Der 62-jährige Seniorpartner Oscar Finley leidet vor allem daran, noch immer mit seiner ersten Frau verheiratet zu sein, die ihm das Leben zur Hölle macht, sein 45-jähriger Juniorpartner Wally Figg ist vor allem für die billige Kanzleiwerbung zuständig und markiert den knallharten Prozessanwalt. Als sich Zinc bei einem dieser Unfälle positiv hervortut, nehmen Finley & Figg den jungen Mann bei sich auf und bekommen bald an einen Fall, der endlich das große Geld bringen könnte. Durch einen ihrer Mandanten erhalten sie den Hinweis, dass das cholesterinsenkende Medikament Krayoxx Menschenleben kostet. Eifrig suchen Finley & Figg nach weiteren Todesfällen und hängen sich an die große Kanzlei Zell & Potter, die auf Sammelklagen spezialisiert ist. Das Ziel ist ein Vergleich, der nicht nur die Klägerparteien entschädigt, sondern auch für die beteiligten Anwälte ein hübsches Sümmchen abwirft. Tatsächlich scheint der immer wieder in den Schlagzeilen stehende Pharmakonzern Varrick Labs ungewöhnlich schnell auf einen Vergleich eingehen zu wollen.
„Warum war David beunruhigt? Schließlich würde es ja keine Verhandlung geben, richtig? Alle Anwälte auf seiner Seite des Gerichtssaals glaubten, hofften und beteten, dass Varrick Labs für Krayoxx einen Vergleich schließen würde, lange bevor es mit den Verhandlungen losging. Und wenn man Barkley von der Gegenseite glauben konnte, rechneten auch die Anwälte der Beklagten mit einem Vergleich. War das Ganze ein abgekartetes Spiel? Funktionierte so das Sammelklagengeschäft? Jemand stellt fest, dass ein Medikament gesundheitsschädlich ist, die Anwälte der Kläger sammeln so viele Mandate wie möglich, Klagen werden eingereicht, die Verteidiger des Beklagten reagieren mit endlosem Nachschub an teuren Rechtsbeiständen, beide Seiten kämpfen mit harten Bandagen und so lange, bis der Hersteller des Medikaments es leid ist, andauernd fette Schecks auszustellen. Daraufhin wird ein Vergleich ausgehandelt, die Anwälte der Kläger stecken ein gigantisches Honorar in die Tasche, und ihre Mandanten bekommen viel weniger, als sie erwartet haben. Wenn der Staub sich gelegt hat, sind die Anwälte auf beiden Seiten ein gutes Stück reicher, und das Pharmaunternehmen bereinigt seine Bilanz und entwickelt ein neues Medikament. War das Ganze nichts anderes als unterhaltsames Theater?“ (S. 228) 
David Zincs Unruhe ist nicht unbegründet, wie sich bald herausstellt, denn es fehlen dringend benötigte Beweise, die Krayoxx mit den Todesfällen in Verbindung bringt. Vor Gericht entwickelt sich das Verfahren schnell zu einem Rohrkrepierer, das die Zukunft der Kanzlei gefährdet …
John Grisham hat sich in den meisten seiner Justiz-Thriller auf Fälle spezialisiert, in denen junge Anwälte den Kampf gegen übermächtige Konzerne aufnehmen. In dieser Tradition steht auch „Verteidigung“. Während sich der Verhandlungsverlauf in absolut vorhersehbaren Bahnen bewegt und wenig Spannung aufbauen lässt, sind es vor allem die charismatischen Protagonisten, die dem Thriller Leben einhauchen und das Lesevergnügen begründen. „Verteidigung“ zählt sicher nicht zu den Highlights unter den über zwanzig Romanen, die Grisham bereits auf seinem Konto verbuchen kann, dazu wirkt die Geschichte doch sehr wie am Reißbrett konstruiert. Aber die lebendigen Portraits der ganz unterschiedlichen Anwaltsfiguren machen das Buch letztlich doch lesenwert.
Leseprobe John Grisham – „Verteidigung“

John Grisham – „Das Geständnis“

Montag, 19. September 2011

(Heyne, 527 S., HC)
Reverend Keith Schroeder staunt nicht schlecht, als eines Tages ein Mann namens Travis Boyette in sein Gemeindebüro kommt und ein ungewöhnliches Geständnis ablegt: Mit einem taubengroßen Tumor im Kopf habe er nicht mehr lange zu leben und sehne sich danach, sein Gewissen zu erleichtern. Was sich der Reverend schließlich anhören muss, ist die detaillierte Schilderung der Entführung, Vergewaltigung und Ermordung der siebzehnjährigen Nicole Barber, für die Boyette zu seinem eigenen Erstaunen nie belangt worden ist.
Obwohl die Leiche des Mädchens nie gefunden wurde, muss der schwarze Donté Drumm seit acht Jahren in der Todeszelle auf die Vollstreckung eines Urteils warten, das auf einem offenbar erzwungenen Geständnis und einer ebenso offensichtlichen Falschaussage eines Zeugen beruht. Obwohl er sich schuldig macht, bei dem Verstoß von Boyettes Bewährungsauflagen zu helfen, macht sich Schroeder nach der Überprüfung einiger seiner Angaben mit Boyette auf die Reise von Kansas nach Texas, wo Drumm in vier Tagen hingerichtet werden soll. Außer Drumms Familie und seinem engagierten Anwalt Robbie Flak ist allerdings niemand interessiert daran, Boyettes Geschichte zu überprüfen, schon gar nicht die Justiz, die den Verurteilten wie geplant hingerichtet sehen will. Selbst Dontés Schwester Andrea ist bei der perfiden Aufführung der Strafverfolger zu der Überzeugung gelangt, dass Donté schuldig sei.
„Wir saßen in diesem großen Gerichtssaal und sahen die neun Richter an, alle weiß und alle so furchtbar wichtig in ihren schwarzen Roben, mit ihrer ernsten Miene und ihrem Getue. Auf der anderen Seite Nicoles Familie und ihre großspurige Mutter, die sich viel zu wichtig nahm. Und dann stand Robbie auf und brachte unseren Fall vor. Er war großartig. Er ging den Prozess noch einmal durch und machte darauf aufmerksam, dass das Beweismaterial äußerst dürftig war. Er machte sich über den Staatsanwalt und den Richter lustig. Er hatte vor nichts Angst. Und er war der Erste, der darauf hinwies, dass die Polizei nichts von dem anonymen Anrufer gesagt hatte, der behauptet hatte, Donté sei es gewesen. Das hat mich schockiert. Wie konnten die Polizei und der Staatsanwalt es wagen, Beweise zurückzuhalten? Das Gericht störte sich nicht im Geringsten daran. Ich weiß noch, wie ich Robbie dabei beobachtete, wie er so voller Leidenschaft für Donté eintrat, und irgendwann wurde mir klar, dass er, der Weiße aus dem reichen Teil der Stadt, nicht den geringsten Zweifel daran hatte, dass mein Bruder unschuldig war. Und in diesem Moment glaubte ich ihm. Ich schämte mich so dafür, dass ich an Donté gezweifelt hatte.“ (S. 223)
Was folgt, ist ein packender Wettlauf gegen die Zeit, bei dem Dontés Anwalt einen Antrag nach dem nächsten bei allen möglichen zuständigen Stellen einreicht und Dontés Freund Joey Gamble zur Rücknahme seiner fatalen Falschaussage bewegen will, während der Gouverneur nicht daran denkt, einen Aufschub des Strafvollzugs zu gewähren und die Justiz sich damit begnügt, sich einzureden, alles richtig gemacht zu haben.
Für „Das Geständnis“ hat sich Bestseller-Autor John Grisham ein extrem heikles Thema ausgesucht, das auch die Befürworter der Todesstrafe arg ins Grübeln bringen dürfte. Mit messerscharfer Präzision und in schnörkelloser Sprache schildert Grisham einen Justizskandal von tragischer Reichweite und demontiert das US-amerikanische Justizsystem, entlarvt deren Amtsinhaber als machtbesessen, uneinsichtig und selbstgerecht. Grisham-Freunde und Thriller-Fans kommen dabei voll auf ihre Kosten!
Lesen Sie im Buch: John Grisham – „Das Geständnis“

John Grisham - „Das Gesetz“

Samstag, 18. September 2010

(Heyne, 383 S., HC)
Der Titel des neuen Buchs von John Grisham fügt sich zwar nahtlos in die Folge seiner Justiz-Thriller („Der Anwalt“, „Die Jury“, „Der Richter“) ein, doch tatsächlich verbirgt sich hinter „Das Gesetz“ eine Sammlung von sieben Stories, die eher zu seinen lesenswerten Südstaaten-Büchern „Die Farm“ und „Der Coach“ passen, auch wenn Anwälte mal mehr, mal weniger immer wieder eine Rolle in den Stories spielen. „Blutsbrüder“ erzählt eröffnend die Geschichte der Twens Calvin, Roger und Aggie, die sich aus Box Hill auf den Weg nach Memphis machen, wo ihr Freund Bailey nach einem Arbeitsunfall offensichtlich mit dem Leben rang und auf eine Blutspende von Verwandten wartete. Doch die Fahrt hält so viele Überraschungen bereit, dass Baileys Schicksal bald in Vergessenheit gerät …
In „Raymonds Heimkehr“ leiht sich Leon Graney in seiner Heimatstadt Clanton den Lieferwagen des Polsterers McBride aus, verfrachtet seine Mutter samt Rollstuhl und seinen jüngeren Bruder Butch in den Wagen und fährt mit ihnen nach Parchman, wo sein anderer Bruder Raymond nach dem vermutlichen Mord an Sheriff Childers auf seine Hinrichtung wartet. Dieser hofft immer noch darauf, dass seine Heerscharen von Anwälten ein Berufungsverfahren bekommen …
„Fischakten“ sind in der Kanzlei von Mack Stafford die Akten, die noch nicht abgeschlossen sind, aber desto mehr stanken, je länger sie unberührt herumlagen. Nach siebzehn Jahren hat Mack die Schnauze voll von allem. Als er einen Anruf von einer New Yorker Kanzlei erhält und das Angebot für eine Vergleichssumme von einer halben Million in einem dieser nicht weiter bearbeiteten Fälle unterbreitet bekommt, sieht er endlich die Chance, die überfällige Insolvenz zu beantragen, Kinder und Frau zu verlassen und kurzum ein neues Leben zu beginnen … Und so erzählt John Grisham in „Das Gesetz“ auf leichtfüßige wie kurzweilige Weise meist höchst vergnügliche („Das Casino“, „Alte Freunde“), aber auch nachdenkliche Episoden („Michael“, „Ein Ort zum Sterben“) von den Menschen im Süden, ihren manchmal skurrilen Eigenheiten und festen Grundsätzen. Grishams Meisterschaft des Erzählens wird jeweils schnell deutlich, wenn sich der Leser unmittelbar im Geschehen zu befinden glaubt und sich mit den Figuren anfreundet, mit ihnen schmunzelt und leidet. Schade nur, dass die sieben Stories so schnell ausgelesen sind …

John Grisham - „Die Begnadigung“

Samstag, 1. August 2009

(Heyne, 480 S., HC)
Nach einer desaströsen Wahlniederlage scheidet der nach William Henry Harrison wohl unbedeutendsten Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Arthur Morgan, nach vier Jahren aus dem Amt. Zu seinen letzten Amtshandlungen zählt eine Liste von Begnadigungskandidaten, auf der sich unter anderem mit Joel Backman der wohl skrupelloseste Lobbyist befindet, der für seine wirtschaftkriminellen Aktivitäten zwanzig Jahre Einzelhaft aufgebrummt bekam. Nun drängt der verkrüppelte, doch bereist seit 18 Jahren die CIA führende Direktor Teddy Maynard auf Backmans Begnadigung.
Der politikmüde Präsident gibt Maynards Drängen nach, nur um dem politischen Establishment in Washington eins auszuwischen. Backman, der über brisante Informationen über die von pakistanischen Computerfreaks entwickelte Software „JAM“ zum geheimen Satellitensystem „Neptun“ verfügt, wird von der CIA mit einer neuen Identität versorgt und nach Italien transportiert, wo ihm ein neues Leben geschenkt wird. Doch die Nachricht von der überraschenden Begnadigung macht schnell die internationale Runde, die Jagd auf Backman ist eröffnet. Dass der Broker, der das Satellitensystem einst verschiedenen Regierungen zum Kauf anbot, sein neues Leben nicht mehr lange genießen wird, ist dem CIA durchaus bewusst. Maynard und Co. interessiert nur, wer den ungeliebten Backman aus dem Weg räumt ... Grisham, der bereits mit seinen Justiz-Thrillern das moderne Amerika kritisierte, bewegt sich mit seinem neuen Roman auf der großen Bühne der Geheimdienste und ihrer verschwörerischen Machenschaften. Klar, dass bei einem meisterhaften Geschichtenerzähler wie Grisham dabei wieder ein äußerst packender Plot herausgekommen ist, der geradezu nach einer weiteren Verfilmung schreit.

John Grisham - “Die Bruderschaft”

(Heyne, 448 S., HC)
In der Regel leben die spannenden Romane des ehemaligen Anwalts John Grisham von dem aussichtslosen Kampf, den junge, unerfahrene Rechtsanwälte mit ihren unterprivilegierten Mandanten gegen mächtige Konzerne und ihrer Skrupellosigkeit führen und der Gerechtigkeit letztlich doch zum Sieg verhelfen. Mit seinem neuen Werk “Die Bruderschaft” entwirft er einmal ein anderes Szenario. Nachdem bereits “Das Testament” eine ungewöhnliche Schadenfreude über die bemitleidenswerten Erben eines Multimilliardärs zum Ausdruck brachte, wirft Grisham mit “Die Bruderschaft” einen zynischen Blick sowohl hinter die Gefängnismauern als auch hinter die Kulissen der ganz großen Politik.
Unter den Insassen von Trumble, einem fast paradiesischen Gefängnis in Florida, befinden sich neben Kleinkriminellen auch drei ehemals angesehene Richter, die sich “Die Bruderschaft” nennen und in der Gefängnisbibliothek regelmäßig die Rechtsangelegenheiten der Mitinsassen gegen Bezahlung regeln. Lukrativer wird allerdings das Geschäft, als die drei Richter über einen Anwalt in der Welt da draußen Erpresserbriefe an hochstehende Persönlichkeiten schicken. Als sie eines Tages allerdings einen mächtigen Politiker am Haken haben, setzt dieser alles in Bewegung, um sein Saubermann-Image auch weiterhin zu bewahren. Grisham hat diese Geschichte wieder mit sehr viel Witz und Raffinesse erzählt und dabei gleich die Mechanismen der Macht bloßgelegt.

John Grisham - „Die Farm“

(Heyne, 464 S., HC)Von John Grisham ist man bereits so viele hochkarätige, meist auch noch erfolgreich verfilmte Justizthriller wie „Die Firma“, „Die Akte“, „Die Jury“ oder „Der Regenmacher“ gewohnt, dass man kaum je etwas anderes von ihm zu lesen erwartet hätte. Dabei hat sich Grisham ja bislang nicht nur durch seine Anwaltspraxis als fachkundiger Kenner seiner Materie, sondern auch als hervorragender Erzähler erwiesen. Warum sich also nicht mal mit einem anderen Stoff befassen? Für seinen neuen Roman „Die Farm“ hat sich Grisham also mal nicht von Gerichtsprozessen und Anwaltskanzleien inspirieren lassen, sondern von seinen eigenen Kindheitserlebnissen im ländlichen Arkansas: Das Leben des siebenjährigen Luke Chandler ist von der sommerlichen Baumwollernte und Baseball geprägt. Er hilft bei der Ernte ebenso wie die aus den Bergen rekrutierte Familie Spruill und mexikanische Wanderarbeiter.
Als Luke Zeuge einer tödlichen Auseinandersetzung zwischen dem verhassten Jerry Sisco und dem kräftigen Hank Spruill wird, verändert sich sein ganzes Leben. Aus Angst vor der Rache der Spruills, auf die seine Familie bei der Ernte angewiesen ist, verschweigt Luke, was er gesehen hat. Aber es geschehen noch weitere Dinge in diesem Sommer des Jahres 1952. Luke verguckt sich etwas in die 14-jährige Tally, die sich aber mit einem älteren Jungen trifft, dann erfährt er auch noch Ungeheuerliches von seinem Bruder Ricky, der in Korea kämpft. Grisham hat mit „Die Farm“ auf jeden Fall bewiesen, dass er nicht nur Spannungsliteratur schreiben kann. Hier ist ihm eine wundervolle Geschichte über das Ende einer Kindheit gelungen.

John Grisham „Die Liste“

(Heyne, 480 S., HC)
Nachdem sich John Grisham mit „Die Farm“ und „Der Coach“ eine kleine Auszeit von seinen Justiz-Thrillern genommen hatte, kehrt er nach „Die Schuld“ mit „Die Liste“ zu seinem klassischen Thema zurück, der Frage nach Schuld und Sühne, Rache und Gerechtigkeit. Willie Traynor übernimmt 1970 in Clanton, Mississippi die bankrotte Kleinstadtzeitung Ford County Times, nachdem der 23-jährige Student das dafür nötige Geld von seiner reichen Tante erhalten hatte. Als die dreißigjährige Witwe Rhoda Kassellaw vor den Augen ihrer beiden Kinder vergewaltigt und ermordet wird, ist der mutmaßliche Täter schnell gefasst.
Danny Padgitts Name ist mit das letzte, was der sterbenden Frau noch von den Lippen geht, wenig später wird der von Rhodas Blut besudelte und betrunkene Verdächtige von der Polizei gestellt. Die Jury, in der erstmals eine Schwarze sitzt, befindet den Angeklagten zwar für schuldig, verhängt aber nur eine lebenslange Haftstrafe, nicht wissend, dass „lebenslänglich“ in Mississippi gerade mal zehn Jahre ausmachen. Bereits vor seiner Verurteilung versprach Danny Padgitts, die Mitglieder der Jury im Falle eines Schuldspruchs persönlich umzubringen, und bereits während des Verfahrens spart seine mächtige wie kriminelle Familie nicht an Einschüchterungsmanövern. Als Danny Padgitt nach neun Jahren wieder auf freien Fuß kommt, muss vor allem Willie Traynor um sein Leben fürchten, nachdem er mit seiner effektheischenden Berichterstattung maßgeblich zur Vorverurteilung des Angeklagten beigetragen hatte... „Die Liste“ schreit wie „Die Akte“, „Die Jury“, „Der Klient“ oder zuletzt „Das Urteil“ nach einer Verfilmung!

John Grisham „Die Schuld“

(Heyne, 448 S., HC)
Der wie viele andere Pflichtverteidiger stark überlastete Clay Carter kann es kaum fassen, dass ihm schon wieder ein Mordfall aufgedrückt wird. Der junge Schwarze Tequila Watson hat offensichtlich ohne erkennbares Motiv den Drogendealer Pumpkin erschossen und wurde dabei eindeutig von Zeugen identifiziert. Bevor sich Carter überhaupt richtig mit der Verteidigung befassen kann, wird er von dem mysteriösen Max Pace aufgesucht, der von einem Pharma-Unternehmen als Troubleshooter engagiert wurde und Carter ein unglaubliches Angebot unterbreitet: Der Konzern hatte ein ungenehmigtes Präparat an Drogensüchtigen getestet, das die Abhängigkeit heilen sollte. Erst spät wurde entdeckt, dass einige der Patienten grundlos anfingen zu morden. Um diesen Umstand nicht bei einem Gerichtsverfahren publik zu machen, strebt das Unternehmen einen großzügigen Vergleich an.
Carter nimmt das Angebot an, kündigt beim Office of the Public Defender, bekommt seine eigene Kanzlei in der nobelsten Gegend Washingtons und stellt eigene Anwälte ein. Schon schanzt ihm Pace die nächste Schadensersatz-Geschichte zu. Carter gibt die Millionen-Honorare allerdings auch schneller aus, als das Geld wieder in die Kassen strömt. Er hofft auch, mit seinem neuen Reichtum seine Freundin Rebecca zurückzugewinnen, die ihn vor kurzem auf Druck ihrer reichen Eltern verlassen hat. Doch dann ziehen dunkle Wolken am Horizont auf. Max Pace verschwindet spurlos, das FBI ermittelt wegen Handel mit Insiderwissen, sich übervorteilt fühlende Mandanten klagen gegen Carter... Grisham schildert sehr anschaulich die Problematik überhöhter Schadensersatzvergleiche, doch wirkt die Story längst nicht so spannend wie die meisten seiner früheren Werke.

John Grisham – „Das Testament“

(Heyne, 512 S., Tb.)
Dem exzentrischen Milliardär Troy Phelan ist die Vorstellung, dass sein Imperium den geldgierigen Erben zufällt, so zuwider, dass er vor seinem Freitod sein Testament zugunsten seiner unehelichen Tochter Rachel ändert.
Während die entrüstete Phelan-Familie versucht, die Änderung des Testaments anzufechten, macht sich der ehemalige, seit längerem sich aber schon auf dem absteigenden Ast befindende Staranwalt Nate O’Riley auf die Suche nach der legitimen Erbin. Als er sie nach einer abenteuerlichen Reise endlich im brasilianischen Regenwald findet, zeigt sie sich wenig interessiert an dem Erbe, dafür aber an Nate. Wenn dieser aber Rachel nicht umstimmen kann, das Erbe anzutreten, verfällt es letztlich doch der habgierigen Familie, die bis dato noch nichts von der Existenz von Troys unehelicher Tochter gewusst hat. Grisham versteht es dabei sehr gut, den Wettlauf gegen die Zeit im Strudel der interessanten Begegnung zwischen Rachel und dem Rechtsanwalt darzustellen, deren Verhalten zunächst von ganz unterschiedlichen Motivationen geprägt ist.