Benjamin Prado - „Als einer von uns Laura Salinas töten wollte“

Freitag, 19. Juni 2009

(Luchterhand, 190 S., HC)
Um seinem Traum von einem besseren Leben Ausdruck zu verleihen, sieht sich der Versicherungsangestellte Alcaén Sanchez teure zum Verkauf stehende Häuser an, die er sich zwar nie im Leben leisten kann, doch liebt er das Spiel mit der Identität eines wohlhabenden Mannes – bis er eines Tages der schönen Immobilienmaklerin Laura Salinas begegnet. Dieser Frau verfällt Sanchez dermaßen, dass er sogar mit dem Gedanken spielt, den Tresor seines Arbeitgebers auszurauben, um seiner Angebeteten das Leben zu bieten, das sie seiner Meinung nach verdient.
Tatsächlich verabredet er sich einige Male mit Laura, doch als es zur Unterzeichnung der Papiere für den Hauskauf kommen soll, zieht Sanchez den Geldraub, den er bereits so minutiös vorbereitet hat, doch nicht durch und gesteht Laura seine wahre Identität. Entsetzt zieht sich Laura von dem verzweifelten Verehrer zurück und bringt auf einmal einen gewalttätigen Ehemann ins Spiel, den Sanchez gewillt ist, aus dem Wege zu räumen. Derweil schreibt sein Freund Iker Obáiz an einem Roman, der nicht so recht vorankommen will, und bittet Sanchez darum, Ereignisse aus seinem Leben verwenden zu dürfen, um die Geschichte voranzutreiben. Der Arzt Ángel Biedma versorgt ihn dabei ständig mit Ideen und schmückt Episoden aus Sanchez’ Leben entsprechend aus. Als es schließlich zur Katastrophe kommt, fragt sich der Leser, welche Motive jeder der drei Freunde gehabt haben könnte… Benjamin Prado gibt als allwissender Erzähler erst nach und nach die pikanten Details der ungewöhnlichen Männerfreundschaft preis und sorgt mit allerlei Finten für kurzweilige Unterhaltung.

Benjamin Prado - „Nicht nur das Feuer“

(Luchterhand, 240 S., HC)
Als sich die rassige wie schöne Studentin Ruth in den jungen, wilden und radikalen Studentenführer Samuel verliebte, war das der Anfang einer feurigen Liebe, die mit vielen Träumen und Hoffnungen für die Zukunft verbunden gewesen ist. Etliche Jahre später scheint jeder Funken des ehemaligen Feuers vollkommen erloschen. Der damals so beliebte wie gefürchtete Samuel konnte die Hoffnungen in sein Talent nie erfüllen und nervt Ruth nun mit seiner zunehmenden Kleinlichkeit.
Beide fragen sich, wohin der Zauber ihrer Liebe entschwunden ist. Während Samuel sich Hoffnungen macht, die Beziehung wieder ins Lot zu bekommen, überlegt Ruth bereits, wie sie ihm beibringen soll, dass sie ihn verlassen wird. Doch gerade dann wird ihr Sohn Maceo von einem Blitz getroffen und lässt sich am Krankenbett tagelang die schönen Geschichten seines Großvaters Truman erzählen, der noch immer seiner Geliebten Cecilia nachtrauert. Derweil plagt Samuels und Ruths Tochter Marta heftigster Liebeskummer. Ihr Freund Lucas, für den sie alles tun würde, scheint nichts mehr von ihr wissen zu wollen, und schlägt sie auch noch. Auf einmal sehen Samuel und Ruth wieder eine Chance für ihre Liebe. Der spanische Autor Benjamin Prado, der bereits mit Raymond Chandler und Paul Auster verglichen wird, erzählt die Krise einer Liebe auf rasant episodenhafte Weise, dass einem anfangs etwas schwindelig wird. Schade, dass nach 240 Seiten schon wieder Schluss ist.

DBC Pierre - „Jesus von Texas“

Donnerstag, 18. Juni 2009

(Aufbau, 384 S., HC)
Eigentlich wäre die Lebensgeschichte von DBC Pierre allein schon ein Buch - oder besser noch – einen Film wert. Der 42-jährige Australier heißt eigentlich Peter Warren Finlay und führte bis vor einigen Jahren ein wildes Leben jenseits aller Legalität, schlug sich als Grafiker, Schmuggler, Filmemacher und Schatzjäger eher erfolglos durch, machte immense Schulden und betrog etliche Frauen – bis er sich zu einem Lebenswandel entschloss, sich in D(irty) B(ut) C(lean) Pierre umbenannte und noch Irland zog, wo er seinen mittlerweile vielfach prämierten Debütroman „Jesus von Texas“ schrieb.
Der 15-jährige Vernon Gregory Little wird in ein Massaker verwickelt wird, bei dem sein bester Freund Jesus Navarro in der texanischen Kleinstadt Martirio 16 Mitschüler, einen Lehrer und am Ende sich selbst erschießt. Vernon war unterwegs, für seinen Lehrer eine Besorgung zu erledigen und entkam so dem Massaker. Als Überlebender scheint er für diesen Umstand nun büßen zu müssen und wird wegen Beihilfe zum Mord angeklagt. Schnell wird klar, dass ich Vernon wie Jesus auf der Verliererstraße befindet. Falsche Beweise, falsche Beschuldigungen, eine überambitionierte Polizistin, schon steckt Vernon in Untersuchungshaft und in einem noch größeren Schlamassel. Seine Flucht nach Mexiko und der große Medienrummel tun ihr Übriges, dass sich die Schlinge um Vernons Hals immer enger zieht… DBC Pierre nimmt mit beißendem Humor gleich mehrere wunde Punkte der amerikanischen Gesellschaft aufs Korn: das Schulmassaker, die Todesstrafe, die Gier der Medien nach Sensationen und beschreibt auf lakonische Art und Weise, wie die sozial Minderbemittelten in dieser unerbittlichen Mühle untergehen.

Nino Filastò - „Fresko in Schwarz“

(Aufbau, 280 S., HC)
Der Florentiner Anwalt Corrado Scalzi gilt als Alter ego des ebenfalls in Florenz lebenden Rechtsanwalts und Krimiautors Nino Filastò, der seinen Avvocato Scalzi bereits vier knifflige Fälle lösen ließ. Auch sein neuer Auftrag lässt sich mit konventionellen Polizeimethoden, denen Scalzi wie überhaupt dem juristischen Apparat sehr skeptisch gegenübersteht, kaum lösen. Der in ärmlichen Verhältnissen lebende Bibliothekar Jacopo „Ticchie“ Branca, ein Experte für das alte Florenz, wird nämlich eines Tages über einem Buch aus dem 17. Jahrhundert erdrosselt in der kleinen Kammer einer Bibliothek aufgefunden, in die er sich während seiner Recherchen stets einsam zurückzog.
Doch in letzter Zeit teilte er den Arbeitsplatz mit einem weiteren Bibliothekar, Signor Chelli, der Branca murmeln hörte, dass ihn die Erkenntnisse aus dem Buch zum Millionär machen könnten. Chellis Bemühungen, bei der Polizei seine Aussage protokollieren zu lassen, fruchten wenig. Stattdessen stellt Scalzi eigene Forschungen über die Bedeutung des Buches und den kryptischen handschriftlichen Notizen des Ermordeten an, die ein befreundetes Mädchen aus der Nachbarschaft in Ticchies Wohnung gefunden hatte. Das unter einem Pseudonym von einem Rechtsgelehrten aus Bologna verfasste Buch beschäftigt sich mit einem alten Manuskript, das im florentinischen Gefängnis „Le Stinche“ von zwei Verfassern geschrieben wurde und die Umstände des Todes des großen Künstlers Masacchio zum Inhalt hatte, über dessen Lebensende so gut wie nichts publik geworden ist. Darin wird nicht nur beschrieben, dass Masacchio vergiftet worden ist, sondern auch einer Geheimgesellschaft namens „Fedeli d’Amore“ vorstand, die der Heiligen Römischen Kirche in ihrem Inquisitionswahn natürlich ein Dorn im Auge war. Scalzi muss aber erst die letzten beiden dem Buch entrissenen Seiten ausfindig machen, ehe er das Geheimnis nicht nur von Brancas, sondern auch Masacchios Tod lösen kann… Spannendes, wunderbar die italienische Kultur einfangendes Renaissance-Pendant zu Umberto Ecos Mittelalter-Krimi „Der Name der Rose“.

Richard David Precht - „Die Kosmonauten“

Sonntag, 14. Juni 2009

(Kiepenheuer & Witsch, 384 S., HC)
1990 ist ein denkwürdiges Jahr. Im Weltraum dreht der letzte sowjetische Kosmonaut, Sergej Krikaljow, einsam seine Runden. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in ihre Kleinstteile und der Inflation ist kein Geld mehr vorhanden, die Mir auf die Erde zurückkehren zu lassen. Dreiundfünfzig Kilometer unter ihm sieht es auf seinem Heimatplaneten auch nicht viel besser aus. In Deutschland herrscht nach Mauerfall und Wiedervereinigung eine ganz eigene Stimmung, in der sich eines Tages Georg und Rosalie über den Weg laufen.

Georg hatte seinen unbefriedigenden Bürojob gekündigt und wartet in Köln an der Haltestelle auf die S-Bahn. Rosalie erblickt den Fremden und lächelt ihn an, was sie selbst am meisten erstaunt. Sie nehmen die gleiche Bahn, kommen ins Gespräch, steigen am Kölner Dom aus, gehen ins Museum und stellen schnell fest, wie viele Gemeinsamkeiten sie doch haben. Georg will nach Berlin gehen, ein anderes Leben leben. Rosalie kommt einfach mit, nachdem sie sich von ihrem Freund getrennt hat. Das glückliche Paar nimmt sich eine sanierungsbedürftige Wohnung im Osten Berlins, lernt nette Leute wie das Künstlerpärchen Franziska und Edgar kennen, den Hotelbesitzer Leonhard, aber mit dem Alltag kehrt bald Tristesse in die anfangs so aufregende Beziehung ein. Rosalie lernt bald einen anderen kennen... Precht schildert im poetischen, bilderreichen wie rasanten Stil das Auf und Ab einer ganz besonderen, irgendwie aber alltäglichen Beziehung mit all ihren Schmetterlingsträumen und trüben Alltagsproblemen. Das macht den Roman so sympathisch.

Bret Easton Ellis - „Glamorama“

Samstag, 13. Juni 2009

(Diana, 828 S., Tb.)
Mit „American Psycho“ hat sich der junge amerikanische Schriftsteller Bret Easton Ellis nicht nur als skandalträchtiger Autor etabliert, sondern auch als scharfzüngiger Beobachter der oberflächlich glamourösen Yuppie-Szene der 80er und 90er Jahre erwiesen. Mit seinem bereits fünften Roman gewährt uns Ellis einmal mehr Einblick in die Abgründe der schillernden von prominenzgeilen Welt Manhattans. Hier ist das aufstrebende 28jährige Model Victor Ward gerade dabei, DEN Szene-Club schlechthin zu eröffnen. Da müssen die Sitzordnungen der eingeladenen Stars abgestimmt, Ersatz für den plötzlich verschwundenen Star-DJ gefunden und etliche Telefonate geführt und Termine abgesprochen werden. Schließlich muss man sich auch um die Geliebte und die Schauspielkarriere kümmern.
Auf der Suche nach Geld, Macht und Ruhm gerät Victor allerdings bald in den Sog des Verbrechens. Ein Auftrag führt ihn nach London und Paris, wo er Kontakt zu einer terroristischen Vereinigung aufnimmt, die Hotels und Flugzeuge sprengt. Auf einmal scheint es keine Fluchtmöglichkeit für Victor mehr aus diesem Sumpf von Verbrechen und Gewalt zu geben. Ellis schildert aus Victors Perspektive ganz unverblümt die oberflächlichen Umgangsformen der Model- und Promiszene, was sich trotz des enormen Umfangs des Buches sehr kurzweilig und amüsant verfolgen lässt.

Bret Easton Ellis - „Lunar Park“

(Kiepenheuer & Witsch, 457 S., HC)
Mit seinen sämtliche Ausschweifungen der dekadenten 80er-Jahre-College-Jugend und Yuppies beschreibenden Romanen „Unter Null“, „American Psycho“, „Glamorama“ und „Einfach unwiderstehlich“ ist Bret Easton Ellis zu einer nicht nur literarischen, sondern auch populärkulturellen Kultfigur avanciert und bildete mit seinem Freund Jay McInerney das so genannte Brat-Pack und lebte seinen Ruhm mit allen Allüren und Ausschweifungen in allen Extremen aus.
Sein neues Buch stellt allerdings keine Fortsetzung dieser anfangs noch skandalträchtigen, mittlerweile aber kaum noch schockierenden Werke dar, sondern beginnt als klassische Autobiografie, in der Ellis überraschend offen Zeugnis über seine wirklich wilden Zeiten ablegt. Womit andere Autoren angesichts der Fülle an schlagzeilenträchtigen Episoden ein ganzes Buch füllen würden, dient Ellis aber nur als 50seitiges Intro, um sich dann in Roman-Form einem heiklen Kapitel seiner jüngeren Vergangenheit zu widmen: Ellis’ Entschluss, einen Schlussstrich unter sein ausschweifendes Leben zu setzen und mit seiner Frau Jayne und den beiden Kindern in einen ruhigen Vorort zu ziehen, bedeutet nämlich nicht das Ende seines aufregenden Lebens, sondern fügt ihm einen geheimnisvollen Höhepunkt hinzu. In der neuen Gegend verschwinden nämlich Jungen im Alter seines Sohnes Robby spurlos, dann geschehen auch noch Morde genau nach dem Schema, wie Patrick Bateman sie als psychopathischer Killer in „American Psycho“ begangen hat. 
Als dann auch noch Aimee Light verschwindet, mit der Ellis gern eine Affäre begonnen hätte, und ein Video auftaucht, das die letzten Minuten im Leben seines Vaters zeigt, beginnt Ellis, der weiterhin vor allem dem Alkohol, aber auch Drogen zuspricht, an seinem Verstand zu zweifeln – vor allem, als eines Nachts ein Monster im Haus auftaucht … „Lunar Park“ erinnert eher an Stephen Kings „Stark“ oder „Das geheime Fenster“ als an frühere Werke von Ellis. Interessante Einblicke in das Leben eines literarischen Superstars gewährt das Buch aber allemal.