Henning Mankell - (Kurt Wallander: 9) „Wallanders erster Fall“

Dienstag, 16. Februar 2010

(Zsolnay, 477 S., HC)
Dem Wunsch unzähliger Leser folgend, die die Vorgeschichte des zur Zeit wohl populärsten literarischen Kommissars, Kurt Wallander, in Erfahrung bringen wollten, bevor er als bereits gestandener Kriminalist erstmals mit „Mörder ohne Gesicht“ das Licht der Öffentlichkeit erblickte, hat der schwedische Autor Henning Mankell alle Geschichten zusammengetragen, die er in den letzten Jahren immer mal wieder sporadisch über Wallanders frühen Jahre verfasst hatte.
„Wallanders erster Fall“ ist also nur der Beginn von insgesamt fünf mehr oder weniger kniffligen Fällen, die hier versammelt sind. In der eröffnenden Titelgeschichte begegnet uns Wallander als junger Polizist von 21 Jahren, der kurz davor stand, seine Freundin Mona zu heiraten, und wir lernen den bereits kauzigen Vater kennen, zu dem Wallander offensichtlich schon immer ein schwieriges Verhältnis hatte. Eines Abends wird Wallander in seiner Wohnung von einem Knall aufgeschreckt. 
Wie sich herausstellt, ist in der Nachbarswohnung der pensionierte Seemann Artur Halen erschossen worden. Während der Ermittlungen macht Wallander durch sein kriminalistisches Geschick auf sich aufmerksam, handelt aber auch unvorsichtig, was er fast mit dem Leben hätte bezahlen müssen. Die andere längere, interessante Geschichte ist „Die Pyramide“, in der Wallander den Absturz eines nicht registrierten Flugzeugs und den Tod zweier alter Frauen untersucht, die ein Handarbeitsgeschäft leiteten, offensichtlich aber auch etwas mit den Drogentransporten des Flugzeugs zu tun hatten.

 

Helene Tursten - „Tod im Pfarrhaus“

(btb, 352 S., HC)
Jacob Schyttelius, ein junger Lehrer, wird in dem Ferienhaus seiner Eltern von Kommissar Sven Andersson und seiner Kollegin Irene Huss erschossen aufgefunden, nachdem sie vom Rektor der Schule über dessen Verschwinden informiert wurden. Merkwürdig ist das mit dem Blut des Toten auf dem Computerbildschirm gezeichnete, von einem Kreis umrandete Pentagramm. Als die beiden Göteburger Kommissare seinen Eltern, das Pfarrer-Ehepaar Sten und Elsa Schyttelius, die Nachricht über den Tod ihres Sohnes überbringen wollen, werden auch sie erschossen in ihren Betten aufgefunden.
Im Arbeitszimmer des Pfarrers findet sich wiederum das bekannte Pentagramm in Blut auf dem PC-Monitor. Eine Untersuchung der Computer ergibt, dass alle Daten von der Festplatte gelöscht worden sind. Hängen die Morde mit den satanistischen Aktionen in der Gemeinde zusammen, denen der Pfarrer intensiv auf die Spur zu kommen versuchte? Oder spielt sich hier eine Familientragödie ab? Irene Huss macht sich auf den Weg nach London, wo Jacobs Schwester, die Computer-Spezialistin Rebecka Schyttelius, lebt und momentan wegen schwerer Depressionen behandelt wird. Während ihre Kollegen in Schweden mit dem Satanisten-Verdacht nicht weiterkommen, glaubt Irene, dass Rebecka und ihr Umfeld in London tiefer in den Fall verstrickt sind als angenommen. Spannender Schweden-Krimi in bester Tradition von Henning Mankell und Hakan Nesser.

Kjell Ola Dahl - „Sommernachtstod“

Montag, 15. Februar 2010

(Ehrenwirth, 480 S., HC)
Der Erfolg von Henning Mankells Krimis um Kommissar Kurt Wallander beschert mittlerweile auch weiteren Krimi-Autoren aus dem skandinavischen Raum hierzulande eine erhöhte Aufmerksamkeit. Mit einem kniffligem Fall hat es zum Beispiel auch der norwegische Kriminalhauptkommissar Gunnarstranda in „Sommernachtstod“ zu tun. Zunächst wird die attraktive Reisebüroangestellte Katrine am Samstagnachmittag kurz vor Feierabend im Geschäft von einem heruntergekommenen älteren Mann körperlich angegriffen, dann fühlt sich ihr eifersüchtiger Freund Ole von ihr betrogen, und auf der Party von Björn und Annabeth Gerhardsen bedrängt sie auch noch der Gastgeber.
Nachdem sich die Party-Gesellschaft allmählich aufgelöst und Katrines Freund mit anderen Gästen noch auf den Weg in die Stadt gemacht hat, lässt sich Katrine von Henning abholen, einem Freund, mit dem sie hin und wieder auch mal intim geworden ist – so auch diese Nacht. Als Katrine am nächsten Tag erdrosselt und nackt aufgefunden wird, macht sich nicht nur Henning durch seine unstimmige Aussage verdächtig, auch ihr Freund Ole verschweigt zunächst, dass er mit einer anderen Frau in der besagten Nacht zusammen war. Kompliziert wird die Geschichte, als auch Henning in der Wohnung seines Bruders tot aufgefunden wird. Selbstmord? Gunnarstranda und sein Kollege Frank Frölich dringen immer tiefer in ein weit verzweigtes Labyrinth aus Lügen, Affären und Intrigen. Raffinierter Krimi mit überraschenden Wendungen und kauzigen Kommissaren.

Kjell Ola Dahl - „Schaufenstermord“

(Ehrenwirth, 508 S.)
Nach den beiden gefeierten schwedischen Krimi-Autoren Henning Mankell und Hakan Nesser ist der Norweger Kjell Ola Dahl der nächste große Wurf aus skandinavischen Gefilden, der die Leser mit skurrilen Morden und pfiffigen wie kauzigen Kommissaren erfrischt. Nach seinem Erstling „Sommernachtstod“ schickt Ola Dahl seine beiden Kommissare Gunnarstranda und Frank Frolich erneut auf Tätersuche in Oslo.
Der siebzigjährige Antiquitäten-Händler Reidar Folke Jespersen wird eines Morgens nackt im Schaufenster seines Geschäfts leblos aufgefunden, sorgfältig auf einem Stuhl drapiert und mit mysteriösen Schriftzeichen versehen. Schon bald entdecken die beiden liebenswürdigen Kommissare eine Vielzahl von Verdächtigen mit Motiven. Da ist einmal seine attraktive Frau Ingrid, die ein Verhältnis mit einem ihrer ehemaligen Tanzschüler hat, dem Reidar auf die Spur gekommen ist. Oder Reidars jüngere Brüder Arvid und Emmanuel, denen er beim Verkauf des Geschäfts ins Gehege gekommen ist. Oder Jonny Stokmo, ein ehemaliger Mitarbeiter, den der alte Mann fristlos entlassen hatte. Und was hat es mit der geheimnisvollen, schönen Frau auf sich, die der Ermordete kurz vor seinem Tod empfangen hatte? Gunnarstranda und Frolich kommen der Lösung des Falls aber erst auf die Spur, als sie tiefer in die Vergangenheit des Opfers tauchen. Ola Dahl hat einen fesselnden, vielschichtigen Krimi mit äußerst sympathischen Kommissaren geschrieben und braucht sich gewiss nicht hinter Mankell und Nesser zu verstecken.

Kjell Ola Dahl - „Lügenmeer“

(Ehrenwirth, 350 S., HC)
Allein die ansprechende wie einheitliche Covergestaltung (wie man sie ähnlich auch vom Kollegen Henning Mankell her kennt) verführt bei den Büchern des norwegischen Krimi-Autors Kjell Ola Dahl schon zum Kauf. Aber auch in literarischer Hinsicht bieten die Romane von Dahl stets spannendes Lesevergnügen. So wie Mankell seinen Kommissar Kurt Wallander und Håkan Nesser seinen Van Veeteren in der skandinavischen Krimi-Szene etabliert haben, ermittelt das ungleiche Gespann Gunnarstranda und Frølich nun schon zum dritten Mal.
Als die engagierte Journalistin Lise Fagernes vom „Verdens Gang“ in einem Osloer Parkhaus die Leiche einer jungen Frau entdeckt, deutet zunächst alles auf Selbstmord durch eine Überdosis Heroin hin. Bei der von Gunnarstranda eigenmächtig angeordneten Obduktion stellt sich jedoch heraus, dass Kristine Ramm aber zuvor mit Äther betäubt worden ist. Wenig später verschwindet auch ihr Freund, der aus Kenia stammende Stuart Takeyo, der dann aber im Laufe der Ermittlungen in Kenia gesichtet wird. Unabhängig voneinander machen sich Fagernes und Frølich auf die Reise nach Kenia, um Takeyo wegen des Mordes an Kristine Ramm zu befragen. Währenddessen stößt Gunnarstranda daheim in Oslo bei seinen Zeugenbefragungen auf ein schwer zu entwirrendes Lügengeflecht. Sicher scheint nur zu sein, dass der Mord an der jungen Frau und das Verschwinden von Takeyo mit einem Pharmakonzern zu tun hat, der mit einem – längst verbotenen – Heilmittel gegen AIDS viel Geld zu machen versucht. Spannende Katz-und-Maus-Hatz mit vielen Wendungen.

Walter Moers - „Rumo & Die Wunder im Dunkeln“

(Piper, 698 S., HC)
Wer bislang das Vergnügen gehabt hat, mit Käpt’n Blaubär und seinen Gefährten das wundersame Land Zamonien erkunden zu dürfen, wird sich freuen, dass es mit „Rumo & Die Wunder im Dunkeln“ endlich ein neues Abenteuer zu erleben gilt. Der kleine Wolpertingwelpe Rumo soll einmal der größte Held Zamoniens werden, aber davon weiß er natürlich noch nichts.
Zu Beginn seiner Geschichte ist er nur der auf einem kleinen Bauernhof von Fhernhachenzwergen verwöhnte Welpe, dessen Leben sich in dem Moment ändert, als er zwischen all den Gerüchen des ländlichen Lebens eines Morgens einen silbernen Faden riecht. Mit diesem Duft ist eine seltsame Unruhe und unbestimmte Sehnsucht verbunden. Doch bevor er sich auf die Witterung machen kann, wird er von einem Teufelsfelszyklopen in einen Sack gesteckt und auf den Teufelsfelsen verschleppt wird. In der Grotte der Gefangenen wird der junge Welpe erwachsen und stark. Mit der Haifischmade Smeik fasst er einen abenteuerlichen Fluchtplan und kann von dem teuflischen Felsen fliehen. Seinen silbernen Faden scheint Rumo in Wolperting in der schönen Rala gefunden zu haben, doch es gibt noch viele Kämpfe zu fechten, kuriose Wesen kennen zu lernen und Furcht erregende Abenteuer zu bestehen. Irgendwo zwischen Tolkien, Terry Pratchett und Michael Ende hat Walter Moers eine ganz eigene Welt kreiert, die vor witzigen und fantasiereichen Wesen und Abenteuern nur so sprüht. Willkommen in Zamonien!

Walter Moers - „Schamlos“

(Eichborn, 144 S., HC)
Seit über zehn Jahren belustigt und schockiert das Kleine Arschloch auf herrlich anarchistische Weise sein Publikum. Mit „Schamlos“ wird dem rotzfrechen Bengel ohne Schamgefühl und moralische Werte nun ein außergewöhnliches Denkmal gesetzt.
In unzähligen Comic-Strips und –Büchern und sogar einem Kinofilm ist der pubertäre Anarchist zu einem echten Star avanciert, der zwar auch die Sittenwächter auf den Plan rief, aber mit seinem unbekümmerten, hemmungslosen Charakter insgeheim unsere unterdrückten Fantasien zum Ausdruck bringt.
Die vorliegende Retrospektive bietet weniger die vielleicht zu erwartende „Best of“-Sammlung aus den mittlerweile zahlreichen „Kleines Arschloch“-Bänden. Zwar sind so einige Strips vertreten, auch der allererste, der bezeichnenderweise in einem Porno-Shop spielt, aber vor allem finden sich hier interessante Anekdoten, z.B. Walter Moers' Erinnerungen daran, wie er diese Figur erfunden hat, Faksimiles des Tagebuchs, in das das Kleine Arschloch seine unglaublichen Erlebnisse und Gedanken niederschreibt, Skurriles aus dem Merchandise-Bereich, Ausflüge in die Welt des Kleinen Arschlochs und die Kunst, letztlich auch sowohl überschäumende wie zerschmetternde Fanbriefe mit entsprechenden Antworten, unveröffentlichte Tagebuchnotizen und Zeichnungen, alles schön mit Kommentaren des Autors versehen, und als Gimmick gibt’s die „Kleine Arschloch“-Maske obendrein dazu. Statt einer lieblosen Zusammenstellung bekannten Materials bietet „Schamlos“ also durchaus neue und höchst vergnügliche Einblicke in die Welt des pubertierenden, pickligen, bebrillten Arschlochs.