James Lee Burke – (Dave Robicheaux: 18) „Eine Zelle für Clete“

Donnerstag, 27. Januar 2022

(Pendragon, 544 S., Pb.) 
Seit der aus Louisiana stammende Schriftsteller James Lee Burke 1987 mit „The Neon Rain“ den ersten Roman um den Vietnam-Kriegsveteranen, Alkoholiker und Cop Dave Robicheaux und seinen besten Freund und Partner Clete Purcel veröffentlichte, ist der Südstaaten-Autor aus der internationalen Krimi- und Literaturszene nicht mehr wegzudenken. Die meist um die 500 Seiten starken Romane tauchen nicht nur tief in die außergewöhnliche Atmosphäre der Landstriche ein, in der die Narben der Sklaverei längst nicht verheilt sind, sondern machen den Leser mit den dunkelsten und hellsten Seiten der menschlichen Seele vertraut. Das trifft vor allem auf den mittlerweile 18. Band der preisgekrönten Reihe zu, in der es Robicheaux und Purcel mit einer Reihe von bestialischen Morden an jungen Frauen zu tun bekommen. 
Als Detective Dave Robicheaux im Iberia Parish die Morde an sieben jungen Frauen untersucht, erhält er einen Tipp von dem Häftling Elmore Latiolais. Eines der Opfer war nämlich seine Schwester Bernadette, die allerdings, wie er betont, keine Prostituierte wie die anderen Mädchen gewesen sei. Für ihren Tod macht er allerdings den Zuhälter Herman Stanga verantwortlich. Robicheaux verhört den Mann, bekommt aber keine weiteren sachdienlichen Informationen aus dem Mann heraus. Mit etwas mehr Nachdruck versucht es später Robicheaux‘ Kumpel Clete. Im betrunkenen Zustand prügelt er Stanga halbtot, wenig später wird Stanga ermordet aufgefunden. 
Während Robicheaux alle Hände voll zu tun hat, seinen Kumpel vor dem Knast zu bewahren, sorgt er sich auch noch um seine Adoptivtochter Alafair, die ihre erste große Liebe mit dem bekannten Schriftsteller Kermit Abelard erlebt. Allerdings wirkt der Mann in den Augen des Cops und fürsorglichen Vaters alles andere als koscher, hängt er doch mit dem schmierigen Ex-Knacki Robert Weingart ab. Robicheaux vermutet, dass die beiden Männer Alafair nur ausnutzen, da sie ihren ersten Roman durch die Kontakte der beiden wahrscheinlich besser in einem Verlag unterbringen könnte. Doch je mehr sich Robicheaux und Purcel in die Angelegenheiten der einst mächtigen Abelard-Familie und des Knast-Autors Weingart einmischen, umso mehr wühlen sie Dreck auf, bei dem ein soziales Hilfsprojekt und Landnutzungsrechte eine große Rolle spielen und nach weiteren Todesfällen auch auswärtige Auftragskiller auf den Plan rufen. Aber vor allem mit Clete Purcel ist nicht zu spaßen … 
„Dass er sich für die gerechte Sache einsetzte, befreite ihn in seinen Augen von jeder Schuld, so als wären seine Verfehlungen nur ein Opfer, das er für die gute Sache brachte. Doch er war in seiner Naivität nicht allein. Ich selbst ermittelte in Angelegenheiten, für die ich nicht zuständig war, meine Einschätzungen waren oft von Vorurteilen beeinflusst, meine Hartnäckigkeit grenzte wahrscheinlich an Besessenheit. In den Augen der anderen war vieles, was ich tat, genauso verrückt wie Cletes Eskapaden. Und da waren wir nun, die zwei Hofnarren in Louisiana, die es mit Angehörigen der gesellschaftlichen Elite aufnahmen, ohne den kleinsten Beweis in der Hand zu haben.“ (S. 419) 
Einmal mehr wühlen Detective Dave Robicheaux und sein ehemaliger Partner im Vietnam-Krieg und im New Orleans Police Department, Clete Purcel, mächtig im Dreck, den die herrschende Schicht im Iberia Parish stets so gut zu verbergen versteht. Die beiden „Bobbsey Twins“ nehmen dabei nicht immer Rücksicht auf rechtliche Vorgaben und Dienstvorschriften. Wenn sie erst einmal das Gefühl haben, dass eine Sache stinkt, lassen sie nicht mehr locker, bis die Pestbeule ausgemerzt ist – oft sehr zum Missfallen von Robicheaux’ Chefin Helen Soileau, die aber auch weiß, dass Robicheaux meist auf der richtigen Spur ist. Sein Kumpel Clete ist da weniger zimperlich und als Privatdetektiv ohnehin etwas offener in seiner Vorgehensweise. 
James Lee Burke inszeniert ein fein gesponnenes Netz aus menschlichen Abgründen und unheilvollen Beziehungen, die zu dem schmerzlichen Tod sieben junger Frauen geführt haben, aber viel tiefer in die über Jahrhunderte gewachsene Geschichte der Südstaaten reicht. Auch hier kommen wieder mafiöse Verbindungen und ein Menschenbild zum Vorschein, das zeigt, dass die Sklaverei noch tief in den Köpfen der Menschen verwurzelt ist. Der Plot ist durchweg fesselnd und so geschickt konstruiert, dass fortwährend interessante Verknüpfungen und Hintergründe aufgedeckt werden, die allerdings schwer zu beweisen sind und die Bobbsey Twins zu drastischen Maßnahmen zwingen, denn ihre Gegner erweisen sich weit skrupelloser bei ihren Verbrechen. Etwas kurz kommt allerdings Robicheaux‘ Familie. Da Alafair direkt an dem Geschehen beteiligt ist, bekommt sie etwas Raum zur Entwicklung, aber Robicheaux‘ Frau Molly spielt die kleinste Nebenrolle, die man sich nur vorstellen kann. 
Dafür sind Burke die Charakterisierungen seiner beiden Protagonisten, aber auch der undurchsichtigen Typen im Umfeld der Abelards und Blanchets ausgesprochen tiefgründig und faszinierend gelungen, die Dialoge und Action herrlich spritzig formuliert. „Eine Zelle für Clete“ gehört fraglos zu den besten Romanen der großartigen Robicheaux-Reihe. 

 

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