(Liebeskind, 192 S., HC)
Nach den ersten drei Romanen um den Privatdetektiv Lew Griffin und vor der Trilogie um den Ex-Cop John Turner und dem preisgekrönten, auch erfolgreich verfilmten Roman „Driver“ präsentierte der US-amerikanische Schriftsteller James Sallis 1997 mit „Death Will Have Your Eyes“ einen Roman, der in seiner komplexen Struktur mit einem minimalistisch umrissenem Plot typisch für dem Autor werden sollte.
In seinem früheren Leben ist David Auftragskiller für die Agency der Regierung gewesen, aber das ist bereits neun Jahre her. Mittlerweile hat er Karriere als Künstler gemacht und ist mit seiner Lebensgefährtin Gabrielle sesshaft geworden. Bis er eines frühen Morgens einen Anruf erhält, der ihn auf Schlag in sein früheres Leben zurückversetzt.
David geht zum Joggen in den Part, ruft von einer Telefonzelle zurück. Die Agency hat bereits alles arrangiert. Bereits um zehn Uhr wird er unter dem Namen Dr. John Collins eine Maschine der American Airlines nach St. Louis besteigen, dann geht es weiter nach Memphis. Kaum hat er aufgelegt, wird David von zwei Räubern angegriffen. Wie auf Knopfdruck ist er wieder ganz der Alte, schaltet die beiden unerfahrenen Angreifer im Nu aus. Gabrielle bittet er, ein paar Sachen zu packen und irgendwo unterzutauchen. Als er wie geplant das für ihn reservierte Motelzimmer bezieht, retten ihm seine alten Instinkte das Leben. Offenbar hat die Agency jemanden geschickt, ihn auszuschalten, doch David geht mit seinem Attentäter eine friedliche Kooperation ein.
Im Büro seines alten Chefs Johnsson wird David darüber informiert, dass er ebenso wie sein früherer Kollege Luc Planchat Teil eines bestimmten Programms gewesen sei, deren Spuren die Agency nun löschen will. Das Problem ist, dass Planchat sich ebenso wie David von der Agency losgesagt hat, aber mit einigen mysteriösen Todesfällen in der Vergangenheit in Verbindung gebracht wird. David bleibt nichts anderes übrig, als Jagd auf Planchat zu machen, um nicht selbst ins Visier der Attentäter zu geraten, aber auch, um Gabrielle zu finden.
„All diese Biegungen und Verzweigungen, die Dunkelheit und Desorientierung, die Suche nach einem weisen Mann, Informationen sammeln, wie man sagt – all das war meine eigenwillige, blinde Fahrt von Washington nach Süden. Und als mir das klar wurde, wusste ich plötzlich auch, dass Gabrielle der Grund dafür war, dass ich meinen Weg nach New Orleans gesucht und gefunden hatte, wenn auch umständlich und vorsichtig. Es hatte wenig oder gar nichts mit Planchat und den anderen zu tun, die möglicherweise dort draußen waren.“ (S. 149)
Mit „Deine Augen hat der Tod“ hat Sallis einen ganz und gar unkonventionellen Thriller abgeliefert, der nichts mit den action- und wendungsreichen Plots à la James Bond und Jason Bourne zu tun hat. Sallis führt seinen Protagonisten nur kurz mit dessen Reaktivierung ein. Die Wege von David und Gabrielle trennen sich so schnell, kaum dass wir Gabrielle als Tochter einer irischen Mutter und eines mexikanischen Vaters kennengelernt haben. Fortan begleitet der Leser David bei seinem Road Trip durch die Staaten, führt ungewöhnliche Dialoge mit seinen alten Weggefährten Johnsson und Blaise, trifft auf merkwürdige Weise mit Attentätern zusammen und lernt Amerika aus der Perspektive des einsam Reisenden kennen, die Cafés und Diners, die Motels und Städte für Piltdown, das eine exakte Nachbildung des britischen Oxford darstellt.
Immer wieder flicht Sallis detaillierte Beschreibungen der Stationen auf Davids Reise ein, was den Erzählfluss der recht kurzen Geschichte zwar hemmt, dafür bringt der Autor seinem Publikum intime Eindrücke und Erinnerungen seines Protagonisten näher. Ohnehin spielt die Handlung selbst nur eine untergeordnete Rolle und dient nur dazu, auf rudimentäre Weise die Grundzüge des Agenten-Thrillers abzudecken. Viel mehr zeichnet Sallis wie so oft das vielschichtige Portrait eines Menschen außerhalb der Gesellschaft, auf der Suche nach sich selbst und der Bedeutung seiner Erinnerungen und Erfahrungen. Dieses Geflecht wirkt nicht immer nachvollziehbar, sinnvoll oder logisch – es ist letztlich so verworren wie die Reise des Lebens selbst. Das in wenigen Sätzen abzubilden und dabei ganze Seelenlandschaften zu evozieren ist Sallis‘ große Kunst.
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