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Lee Child – (Jack Reacher: 8) „Die Abschussliste“

Samstag, 5. August 2017

(Blanvalet, 478 S, HC)
Kaum hat Jack Reacher, Major bei der Militärpolizei, ganz nüchtern den Jahreswechsel 1989/1990 in seinem Dienstzimmer in Fort Bird verfolgt, wo er erst vor ein paar Tagen aus Panama versetzt worden war, da erhält er Meldung von dem Tod des Zweisternegenerals Kenneth Kramer. Offensichtlich ist er in dem billigen Motel, in dem er aufgefunden wurde, beim Sex mit einer Zwanzig-Dollar-Prostituierten an einem Herzinfarkt gestorben. Als Reacher Kramers Frau informieren will, ohne die näheren Begleitumstände zu erwähnen, findet er allerdings auch sie tot in ihrem Haus auf, mit einem schweren Brecheisen erschlagen, wie die Autopsie ergibt. Reacher erfährt auf Nachfrage bei seinem Kommandeur Oberst Garber, dass Kramer beim XII. Korps in Deutschland stationiert und zu einer Kommandeurstagung der Panzertruppe in Fort Irwin unterwegs war.
Doch bevor Reacher ermitteln kann, warum sich der wichtige Kommandeur fast dreihundert Meilen vom Tagungsort entfernt in einer billigen Absteige vergnügt hatte und sein Aktenkoffer gestohlen wurde, wird Garber nach Ostasien versetzt und Reacher von seinem neuen Vorgesetzten Willard von dem Fall abgezogen. Reacher und seine Partnerin, Leutnant Summer, werden das Gefühl nicht los, dass das Militär ein Komplott zu vertuschen versucht, denn wenig später werden zwei weitere Offiziere tot aufgefunden.
Um sich dem von Willard ausgestellten Haftbefehl zu entziehen, ermitteln Reacher und Summer auf eigene Faust und wühlen einiges an Staub auf …
„Frei zu sein, war ein seltsames Gefühl. Ich hatte so gut wie jede Minute meines Lebens dort verbracht, wo das Militär mich hinschickte. Jetzt kam ich mir wie ein Schulschwänzer vor. Auch hier draußen existierte eine Welt. Sie war mit ihrem eigenen Kram beschäftigt und gebärdete sich chaotisch und undiszipliniert. Ich lehnte mich zurück und beobachtete, wie sie draußen vorbeizog, bunt und stroboskopisch, Zufallsbilder, die Sonnenlicht auf einem Fluss aufblitzen.“ (S. 290) 
Eigentlich müsste „Die Abschussliste“ den Auftakt der Reihe um Jack Reacher bilden, denn zum Jahreswechsel 1989/1990, wo der tatsächlich achte Roman der Erfolgsserie zeitlich angesiedelt ist, ist Reacher noch Ermittler bei der Special Unit der Militärpolizei, wo er insgesamt dreizehn Jahre gedient hatte und als Major entlassen wurde.
Der Rückblick auf das Ende von Reachers Karriere bei der Army wartet mit vielen Hintergrundinformationen zu der US-Army auf, vor allem zu den Grabenkämpfen zwischen den verschiedenen Truppengattungen und den Strategien ihrer jeweiligen Führungskräfte, die anderen Gattungen zu diskreditieren und die eigenen Stärken in den Vordergrund zu stellen. Das wird besonders durch die auffällig vielen zeitgleichen Versetzungen von Reacher und seinen Kollegen aus anderen Stützpunkten und der offensichtlich verräterischen Tagesordnung der eingangs erwähnten Konferenz deutlich, die nicht mehr aufzufinden ist und von der andere Konferenzteilnehmer nichts wissen wollen.
Während Reachers Ermittlungen unter dem Radar lange nicht wirklich vorankommen, bleibt ihm Zeit, sich mit seinem Bruder Joe von seiner sterbenskranken Mutter in Paris zu verabschieden und dabei ein erstaunliches Geheimnis aus ihrem Leben zu erfahren. Natürlich darf Reacher mit seiner imposanten Erscheinung auch physisch wieder einige Denkzettel verpassen und seinen authentischen Charme bei Leutnant Summer wirken lassen, und natürlich kommt er nach einigen Irrwegen am Ende auch der vertrackten Auflösung der mysteriösen Todesfälle auf die Spur.
Lee Child überzeugt dabei als gnadenlos effizienter Erzähler, der nur die nötigsten Informationen in schnörkelloser Sprache und knapp formulierten Sätze packt, damit aber auch das Erzähl- und Lesetempo vorantreibt. Auch wenn für manchen Leser vielleicht etwas zu viel über die Army referiert wird, so ist „Die Abschussliste“ vor allem deshalb lesenswert, weil es deutlich macht, dass sich Reacher schon bei der Army nicht an die dort herrschenden Regeln gehalten hat, sondern seinem eigenen Gerechtigkeitssinn gefolgt ist. Das wird besonders am Ende deutlich, als sich Reacher für seine Brutalität, wegen der er angezeigt worden ist, verantworten soll.
So bietet „Die Abschussliste“ auf der einen Seite ein faszinierendes Militär-Komplott, auf der anderen Seite aber einen wertvollen Einblick in Reachers familiäre Bindungen. 
Leseprobe Lee Child - "Die Abschussliste"

Lee Child – (Jack Reacher: 5) „In letzter Sekunde“

Samstag, 22. Juli 2017

(Blanvalet, 504 S., Tb.)
Um weiteren Problemen aus dem Weg zu gehen, türmt Jack Reacher in Lubbock, Texas, aus dem Fenster seines Hotelzimmers und versucht wie gewohnt, als Anhalter seine Reise ohne bestimmtes Ziel fortzusetzen, nachdem er am Abend zuvor – ohne dessen Identität zu kennen – einen der örtlichen Cops in der Bar aufgemischt hatte. Zu seiner Überraschung wird Reacher schon nach drei Minuten von der attraktiven Carmen Greer aufgelesen, die ihn mit nach Pecos nimmt und ihn um Hilfe bittet, ihren Ehemann Sloop aus dem Verkehr zu ziehen.
Zwar sitzt er gerade wegen Steuerhinterziehung im Gefängnis, wird aber in einer Woche entlassen. Offensichtlich hat er Carmen über Jahre hinweg geschlagen, aber ihr fehlen einfach die Mittel, zusammen mit ihrer Tochter Ellie ein neues Leben irgendwo anders anzufangen.
Reacher nimmt einen Job auf der Ranch ihrer im Echo County alteingesessenen Familie an und lernt nicht nur den Hass kennen, der der aus einfachen Verhältnissen stammenden Frau durch ihre Familie entgegenschlägt, sondern auch den ambitionierten Staatsanwalt Hack Walker, der sich zum Richter wählen lassen möchte. Dann überschlagen sich die Ereignisse: Sloop wird schon am Wochenende entlassen, sein Anwalt Al Eugene verschwindet spurlos, und Reacher wird das Gefühl nicht los, dass Sloops Bruder Bobby und die Arbeiter auf der Ranch ihm ans Leder wollen.
Kaum ist Sloop wieder zuhause, wird er erschossen und Carmen ins Gefängnis gebracht. Reacher engagiert die Anwältin Alice Aaron, um Carmen aus der verfahrenen Situation zu retten. Er selbst wird von Walker zum Deputy ernannt und beginnt, Ungereimtheiten in dem Fall zu entdecken.
„Dafür bin ich geschaffen. Die Spannung der Verfolgungsjagd. Ich bin ein Ermittler, Alice, bin stets einer gewesen und werde einer bleiben. Ein Jäger. Und als Walker mir diesen Stern gegeben hat, hat mein Verstand zu arbeiten begonnen.“ (S. 389) 
Auch im fünften Band bleibt Bestseller-Autor Lee Child seinem Jack-Reacher-Konzept treu: Der freiwillig aus dem Militärdienst ausgeschiedene Reacher wird anfangs in einer physisch ausgeprägten Szene eingeführt, aus der er natürlich als souveräner Sieger hervorgeht, ist dadurch aber gezwungen, einmal mehr als Anhalter weiterzuziehen, wobei er – wie es der Zufall so will - wieder sofort in einen vertrackten Fall hineingezogen wird.
Im Gegensatz zum letzten Band „Zeit der Rache“ hat der Autor sich diesmal zum Glück mehr Mühe mit der Konstruktion eines überzeugenden Plots gemacht, den er in gewohnt klarer Sprache mit feinem Gespür für die Atmosphäre auf einer texanischen Ranch beschreibt. Allerdings wäre eine feinere Charakterisierung der Greer-Familie wünschenswert gewesen, denn sowohl Carmens Schwiegermutter Rusty als auch ihr Schwager Bobby werden doch nur sehr grob skizziert.
Dafür wird die undurchsichtige Carmen sehr geschickt als Frau dargestellt, der Reacher zwar Glauben schenkt, von vielen anderen aus ihrem Umfeld aber als berechnende Lügnerin hingestellt wird.
Die Beziehung zwischen Reacher und der Anwältin Alice gefällt durch die knackigen Dialoge. Prägnante Action, ein packendes Finale und psychologisch interessant konstruierte Beziehungen machen „In letzter Sekunde“ zu einem durchweg kurzweiligen Lesevergnügen. 
Leseprobe Lee Child - "In letzter Sekunde"

Lee Child – (Jack Reacher: 4) „Zeit der Rache“

Sonntag, 16. Juli 2017

(Blanvalet, 510 S., Tb.)
In einem nahezu leeren italienischen Restaurant beobachtet Jack Reacher zwei Männer, die dem Inhaber offenbar das wöchentliche Schutzgeld abnahmen. Wenig später schlägt Reacher die beiden Männer in einer Gasse krankenhausreif und erfährt, dass sie das Geld für einen skrupellosen Gangster namens Petrosian eintreiben. Als er zu seinem Haus in Garrison fährt, wird er von FBI-Agenten empfangen und in die Außenstelle New York gebracht, wo ihn der stellvertretende Direktor Alan Deerfield, die leitenden Agents Nelson Blake und James Cozo sowie die beiden Special Agents Tony Poulton und Julia Lamarr ins Verhör nehmen, die allesamt mit Serienkriminalität und organisiertem Verbrechen zu tun haben. Sie befragen Reacher zu den Frauen Amy Callan und Caroline Cooke, die er während seiner Dienstzeit beim Militär kennengelernt hat und die nun auf grausame Weise ermordet worden sind, nachdem sie ihre Vorgesetzten wegen sexueller Belästigung angezeigt und später den Dienst quittiert hatten.
Zwar halten sie Reacher nicht für den Täter, bitten ihn aber um Mitarbeit bei der Aufklärung der Morde, weil sie den Täter in den Reihen des Militärs vermuten. Der Täter lässt seine Opfer nackt in eine Wanne mit grüner Tarnfarbe steigen, wo sie unter unbekannten Umständen zu Tode kommen, und hinterlässt absolut keine Spuren.
Als auch eine dritte Frau auf die gleiche Art stirbt und jeweils genau drei Wochen zwischen den Morden liegen, haben Reacher und das FBI nur wenig Zeit. Neben dem aufreibenden Fall hat Reacher auch in privater Hinsicht Entscheidungen zu treffen. Nachdem er das Haus seines Freundes und Kommandeurs Leon Garber geerbt hat und mit seiner Tochter Jodie liiert ist, die kurz davorsteht, Partnerin in ihrer Kanzlei zu werden, fühlt sich Reacher zu sehr in seiner Freiheit eingeengt.
„Endlich ging es wieder irgendwo hin. Endlich war er wieder unterwegs. Er kam sich vor wie ein wechselwarmes Tier nach dem Winterschlaf, wenn das Blut wieder in Wallung gerät. Sein alter Wandertrieb meldete sich zu Wort. Nun bist du also wieder froh und glücklich, sagte er. Du hast sogar einen Moment lang vergessen, dass du droben in Garrison ein Haus am Hals hast.“ (S. 110) 
Mit seinem vierten Jack-Reacher-Roman folgt Lee Child seinem bewährten Rezept. Zunächst führt er Reacher als gerechtigkeitsliebenden Mann ein, der Konfrontationen auch mit mehreren Männern stets sehr überlegt angeht und aus ihnen sehr souverän als Sieger hervorgeht. Der Leser bekommt einen kurzen Abriss von Reachers Laufbahn als Major bei der Militärpolizei und der Beziehung zu Leon Garbers Tochter. Schließlich wird er zur Zusammenarbeit mit dem FBI genötigt, um einen sehr gerissenen Serienmörder zu fassen.
Doch der zunächst interessant vertrackte Fall entpuppt sich als Angelegenheit, in der absichtlich falsche Fährten gelegt worden sind, die Reacher und seine ihn begleitende junge Agentin Lisa Harper aber erst nach weiteren Morden entwirren können. Leider gelingt es Lee Child diesmal nicht sehr überzeugend, die verschiedenen Ermittlungsansätze glaubwürdig miteinander zu verknüpfen. Am Ende wirkt die Auflösung doch sehr konstruiert und unglaubwürdig. Dazu sorgen die immer wieder mal eingestreuten Inneneinsichten des Täters für einen unnötigen Bruch in der Erzähldramaturgie, so dass „Zeit der Rache“ zwar einen faszinierenden Fall präsentiert, der auch die Schwierigkeiten der Zusammenarbeit zwischen Militär und FBI thematisiert sowie Reachers Drang nach Unabhängigkeit, aber letztlich wenig schlüssig zu Ende erzählt wird.

Lee Child – (Jack Reacher: 16) „Der letzte Befehl“

Sonntag, 2. Juli 2017

(Blanvalet, 448 S., HC)
Der Elite-Militärpolizist Jack Reacher wird von seinem Kommandeur Leon Garber im März 1997 nach Mississippi in die Kleinstadt Carter Crossing geschickt, wo er den Mord an der siebenundzwanzigjährigen Zivilistin Janice May Chapman untersuchen soll. Das Pentagon interessiert sich deshalb für den Fall, weil es durch Fort Kelham auch ein Army-Standort ist, wo nicht nur Ranger ausgebildet werden, sondern auch zwei Kompanien aus dem 75th Ranger Regiment stationiert sind, die sich bei heimlichen einmonatigen Einsätzen im Kosovo abwechseln.
Da Chapman drei Tage nach Rückkehr von Kompanie Bravo aus dem Kosovo vergewaltigt und verstümmelt worden ist, als die heimgekehrten Ranger ihren einwöchigen Urlaub angetreten haben, liegt der Verdacht nahe, dass ein Ranger für ihren Tod verantwortlich sein könnte.
Während Reachers Kollege Duncan Munro in Fort Kelham ermittelt, soll Reacher selbst verdeckt auf der zivilen Seite auf Spurensuche gehen, allerdings wird er nach seiner Ankunft gleich vom County Sheriff, der attraktiven Elizabeth Devereux, enttarnt, die sechzehn Jahre bei den Marines gedient hat. Reacher erfährt, dass vor Chapman zwei weitere schöne Frauen auf ähnliche Weise ermordet worden sind und dass alle drei Frauen ein Verhältnis mit dem Senatorensohn Reed Riley gehabt haben, der in Fort Kelham stationiert ist.
Doch bei ihren gemeinsamen Nachforschungen, während der sich die beiden Ermittler auch persönlich näherkommen, werden ihnen durch das Pentagon zunehmend Steine in den Weg gelegt, so dass Reacher den Verdacht nicht loswird, dass in Carter Crossing etwas von höchster Stelle aus vertuscht werden soll. Schließlich scheint Reacher selbst zur Zielscheibe zu werden …
„Diese Leute wussten genau, wann ich wohin wollte.
Was bedeutete, dass sie mir um zwölf Uhr oder kurz davor im Pentagon oder schon davor auflauern würden. Im Bauch des Ungeheuers. Viel gefährlicher als hier. Keine drei Meilen entfernt, aber eine völlig andere Welt in Bezug auf die Methoden, mit denen sie dort arbeiten würden.“ (S. 327) 
Mit seinem 16. Roman um den taffen Militärpolizisten Jack Reacher unternimmt Bestseller-Autor Lee Child eine interessante Reise in die Vergangenheit seines Helden, nämlich in das Jahr 1997, als Reacher durch die Vorfälle im Militärstandort Carter Crossing seine Karriere bei der Army beenden muss. Nach so vielen erfolgreichen, packenden und auch zweimal verfilmten Romanen, in denen wir Jack Reacher nur als Ex-Militärpolizisten kennengelernt haben, der fortan ohne festen Wohnsitz und nennenswerte Habe durch die USA reist und immer wieder in heikle Situationen gerät, erfährt der Leser endlich etwas aus Reachers aktiven Dienstzeit.
Davon abgesehen bietet „Der letzte Befehl“ alle Qualitäten, die die Jack-Reacher-Romane international so beliebt gemacht haben, einen charismatischen Protagonisten, der als Ich-Erzähler messerscharf Informationen sammelt, sie in Zusammenhänge stellt und schnell, aber überlegt darauf reagiert. Durch die kurzen Sätze, die knackig-präzise Sprache, die auf den Punkt brillanten Analysen und die schnörkellos effektiv inszenierte Action fesselt der Thriller von der ersten Seite an und bietet neben kluger Ermittlungsarbeit auch würzige Zutaten wie Misstrauen, Korruption und Erotik.
Leseprobe Lee Child - "Der letzte Befehl"

Lee Child – (Jack Reacher: 3) „Sein wahres Gesicht“

Samstag, 17. Dezember 2016

(Blanvalet, 502 S., Tb.)
Nachdem Jack Reacher als Soldaten-Sohn und schließlich selbst als Elite-Soldat und Ermittler bei der Militärpolizei überall auf der Welt zuhause gewesen ist, genießt er es, seit seiner Freistellung vor einigen Jahren endlich seine eigentliche Heimat kennenzulernen. Momentan lebt er in Key West, Florida, und verdient sich seinen Lebensunterhalt mit dem Ausgraben von Swimming Pools und als Aufpasser in einer Oben-ohne-Bar. Doch dann taucht ein Privatdetektiv namens Costello auf, der ihn im Auftrag einer Mrs. Jacob ausfindig machen soll. Da Reacher keine Mrs. Jacob kennt, gibt er sich nicht zu erkennen, nur um wenig später festzustellen, dass Costello von zwei Killern ermordet worden ist, die ebenfalls nach ihm suchen.
Natürlich will Reacher herausfinden, wer diese geheimnisvolle Mrs. Jacob ist, und reist nach New York, wo er erfahren muss, dass sein alter Mentor Leon Garber beerdigt wird und seine schöne Tochter Jodie unter dem Namen Jacob nach ihm suchen ließ. Sie ist mittlerweile eine erfolgreiche Anwältin und macht Reacher mit dem Fall der Hobies vertraut, mit dem sich der alte Garber vor seinem Tod beschäftigt hat.
Das alte Ehepaar sucht nach wie vor nach ihrem Sohn Victor, der vor fast dreißig Jahren in Vietnam nach einem Hubschrauber-Absturz vermisst wird. Als sich Reacher auf die Spurensuche beim Militär macht, erfährt er, dass Hobie den Absturz überlebt haben soll, im Lazarett aber einen Sanitäter tötete und seitdem auf der Flucht ist. Tatsächlich ist Hobie längst in seine Heimat zurückgekehrt und sich als Kredithai ein Vermögen aufgebaut. Derzeit versucht er den von Pech und Unvermögen gezeichneten Kleinindustriellen Chester Stone um Firma, Frau und Privatvermögen zu bringen. Dabei läuft ihm allerdings die Zeit davon, denn seine wahre Identität scheint bald entschlüsselt zu werden.
Während ihrer gemeinsamen Ermittlungstätigkeit kommen sich Reacher und Jodie endlich so nahe, wie sie es sich schon vor Jahren, als Jodie noch zarte 15 Jahre jung gewesen war, erträumt hatten.
Die Flitterwochen sind vorüber, Kumpel! Dein Leben hat sich verändert, und die eigentlichen Probleme fangen erst an. Er hatte diese Situation ignoriert. Aber er war sich bewusst, dass er erstmals etwas besaß, das ihm genommen werden konnte. Er hatte jemanden, um den er sich Sorgen machen musste. Das war ein Vergnügen, aber auch eine Belastung.“ (S. 362) 
Nach den ersten beiden absolut gelungenen Romanen um den Militärpolizist-Veteranen Jack Reacher, der nach seiner Freistellung vom Militärdienst eher ziel- und besitzlos durch die Vereinigten Staaten von Amerika zieht und dabei immer wieder in Situationen gerät, bei denen sein Ermittler-Instinkt aktiviert wird, fällt der dritte Band deutlich ab. Das liegt nicht nur an dem stark abgegriffenen Plot, der das US-amerikanische Vietnam-Trauma mit unerträglichem Pathos thematisiert, sondern auch an der wenig glaubwürdigen Liaison zwischen Reacher und der schönen Tochter seines ehemaligen Vorgesetzten und väterlichen Freundes Leon Garber.
Was den Leser zwischen den 500 Seiten immer wieder bei Laune hält, ist die eigentliche Ermittlungstätigkeit des charismatischen Protagonisten Jack Reacher, der in „Sein wahres Gesicht“ allerdings seiner alten Form in jeder Hinsicht hinterherläuft. Von Spannung und Action, herausragende Merkmale der ersten beiden Reacher-Bände „Größenwahn“ und „Ausgeliefert“, fehlt fast jede Spur, und auch das holprige Finale enttäuscht auf ganzer Linie.
Die interessante Frage, was Reacher eigentlich aus seinem Leben machen soll, wird zwar kurz angerissen, aber nicht wieder aufgegriffen, so dass sich Reacher-Fans erst wieder mit den nachfolgenden Bänden gut unterhalten lassen dürfen.  
Leseprobe Lee Child - "Sein wahres Gesicht"

Lee Child – (Jack Reacher: 2) „Ausgeliefert“

Sonntag, 11. September 2016

(Heyne, 510 S., Tb.)
Jack Reacher, ehemaliger Kommandant bei der Militärpolizei und seit dreizehn Monaten ohne festen Job und Plan für seine Zukunft, hält sich am letzten Tag im Juni gerade in Chicago auf, als er vor einer Reinigung einer gehbehinderten Frau zur Hilfe kommt und einen Augenblick darauf eine 9mm-Automatik-Pistole auf seiner alten Narbe spürt. Und schon wird er zusammen mit der ihm unbekannten Frau in eine Limousine gestoßen und in ein über tausendsiebenhundert Meilen entferntes Versteck gefahren.
Wie Reacher während der langen Fahrt herausfindet, handelt es sich bei der Frau um die gut dreißigjährige FBI-Beamtin Holly Johnson, Tochter des Vorsitzendes der Vereinigten Stabschefs. Als Holly nicht wie geplant zur angesetzten Budget-Sitzung erscheint, alarmiert Agent-in-Charge McGrath FBI-Direktor Harland Webster, der sofort ein Team zusammentrommeln lässt, um Holly Johnson aufzufinden.
Tatsächlich gelingt es den beiden Agenten Brogan und Milosevic schnell, eine Spur zur Limousine und zum Lieferwagen zu finden, mit denen die Geiseln offensichtlich nach Montana verschleppt worden sind. Dort hält sich in den Wäldern eine perfekt ausgestattete Miliz auf, die nicht nur einen unabhängigen Staat anstrebt, sondern der jetzigen Regierung einen gehörigen Denkzettel verpassen will. Doch dabei haben sie die Rechnung ohne den hochdekorierten Reacher gemacht …
„Alles hatte sich geändert. Er hatte sich geändert. Er lag da und spürte die kalte Wut in sich, mahlend wie Zahnräder. Kalte, unversöhnliche Wut. Unkontrollierbar. Sie hatten einen Fehler gemacht. Sie hatten ihn vom Zuschauer zu einem Feind verwandelt. Ein schlimmer Fehler. Sie hatten die verbotene Tür aufgestoßen, nicht wissend, was da herausplatzen konnte. Er lag da und fühlte sich wie eine tickende Bombe, die von den Kerlen tief ins Herz ihres Territoriums getragen wurde. Er spürte die Aufwallung von Wut in sich, genoss sie, staute sie in sich auf.“ (S. 158) 
Mit Jack Reacher hat Lee Child, ehemaliger Produzent beim britischen Fernsehen, Mitte der 1990er Jahre einen außergewöhnlichen Helden kreiert, der nach dreizehn erfolgreichen Jahren bei der Militärpolizei den Dienst quittierte und seither eher ziellos sein Heimatland durchstreift.
Wie schon in Lee Childs Debüt „Größenwahn“ gerät Jack Reacher auch in „Ausgeliefert“ per Zufall in eine absolut heikle Situation, die er dank seiner jahrelang geschulten Fähigkeiten gut zu analysieren und schließlich auch zu lösen versteht.
Bis dahin führt der Autor seine Leser durch einen packenden Plot voller Action und akribisch recherchierter Informationen über Waffen und Taktiken. Reacher fühlt sich für die durch eine Knieverletzung gehandicapte Frau verantwortlich und weicht nie freiwillig von ihrer Seite. Sein unbeirrbarer Gerechtigkeitssinn führt dazu, dass Reacher all seine Kräfte und Fähigkeiten einsetzt, um der bestens ausgerüsteten Montana-Miliz das Handwerk zu legen. Dass das FBI ihn zunächst für einen der Entführer hält, macht es Reacher zwar zunächst nicht leichter, aber seinem Durchsetzungswillen haben weder das FBI noch die Soldaten der Miliz viel entgegenzusetzen.  
„Ausgeliefert“ bietet atemlose Spannung in einem dramaturgisch gekonnt inszenierten Thriller, der ebenso von der Action lebt wie von der sympathischen Entschlossenheit seines Helden.
Leseprobe Lee Child - "Ausgeliefert"

Lee Child – (Jack Reacher: 1) „Größenwahn“

Samstag, 6. August 2016

(Heyne, 479 S., HC)
Vor sechs Monaten ist Jack Reacher, Sohn eines Army-Offiziers, mit dem Dienstgrad eines Majors aus dem Dienst der Militärpolizei entlassen worden. Seither reist der 36-Jährige ziel- und arbeitslos durch Amerika, bis es ihm in den Sinn kommt, auf den Spuren des Blues-Gitarristen Blind Blake mit dem Bus nach Margrave, Georgia, zu reisen, wo er allerdings in Eno’s Diner unvermittelt verhaftet wird, weil er eines Mordes beschuldigt wird.
Wie sich nach der Autopsie des Opfers herausstellt, handelt es sich bei dem Toten um Reachers Bruder älteren Bruder Joe, den er seit sieben Jahren aus den Augen verloren hat und der offensichtlich zuletzt beim Finanzministerium gearbeitet hat. Die Spur führt zunächst zu dem Bankmanager Hubble, mit dem Reacher in U-Haft kommt, wo er nur knapp einem Mordanschlag entkommt.
Als Reachers Alibi endlich überprüft worden ist, macht er sich mit dem engagierten Chief Detective Finlay und der attraktiven Roscoe auf die Suche nach dem wahren Täter und stößt auf den Bürgermeister Teale und den Unternehmer Kliner, der mit seiner Stiftung für mächtigen Wohlstand in der unscheinbaren Kleinstadt sorgt. Doch als Finlays Chef Morrison und dessen Frau brutal in ihrem Haus abgeschlachtet werden, wird klar, dass eine Bande von skrupellosen Killern jeden aus dem Weg räumt, der das riskante Unternehmen gefährdet, das offensichtlich bis in einer Woche zum Abschluss kommen muss.
Für Jack Reacher wird der Aufenthalt in Margrave schließlich zu einer sehr persönlichen Angelegenheit. Er will nicht nur herausfinden, was sein Bruder überhaupt in dieser Kleinstadt zu tun hatte, sondern auch seine Mörder stellen. Dabei muss er sorgfältig abwägen, wem er überhaupt vertrauen kann, denn offensichtlich sind vor allem die Stadtoberhäupter in kriminelle Machenschaften von unvorstellbaren Ausmaßen verwickelt.
„Sie hatten die verbotene Tür aufgestoßen. Sie hatten einen zweiten, fatalen Fehler gemacht. Jetzt waren sie so gut wie tot. Ich würde sie zur Strecke bringen und sie anlächeln, wenn sie starben. Denn der Angriff auf mich war ein zweiter Angriff auf Joe. Er war nicht mehr da, um mir beizustehen. Es war eine zweite Herausforderung. Eine zweite Demütigung. Hier ging es nicht um Selbstverteidigung. Hier ging es darum, Joes Andenken zu ehren.“ (S. 211) 
Gleich mit seinem ersten Roman „Größenwahn“ aus dem Jahr 1997 gelang dem britischen Autor Lee Child ein großer Wurf und bildete gleichzeitig den Start der bis heute erfolgreichen Romanserie um den Ex-Militärpolizisten Jack Reacher, aus der sogar die beiden Romane „Sniper“ (Band 9) und „Die Gejagten“ (Band 18) mit Tom Cruise in der Hauptrolle verfilmt worden sind.
Auch wenn sich jeder einzelne Roman unabhängig von den anderen lesen lässt, ist es doch faszinierend und hilfreich, im Auftaktroman die grundlegenden Informationen zum Ich-Erzähler Jack Reacher zu erhalten, der als Sohn eines Soldaten überall in der Welt zur Schule gegangen ist, selbst Karriere beim Militär gemacht hat, indem er Deserteure aus der Army aufgespürt hat, und seit seiner Entlassung ziellos durch die Staaten reist, stets mit Bargeld bezahlt und anonym in Bussen und Zügen unterwegs ist.
Vor allem wird die tragische Tatsache thematisiert, wie Reacher seinen Bruder verliert, so unglaubwürdig nun auch das Szenario wirkt, wie er zufällig in Margrave auf seine Leiche stößt. In seinem ersten Fall erweist sich Reacher als entschlossener Mann mit ausgeprägten deduktiven Fähigkeiten und imponierendem Kampfgeist. Das geschilderte Leben in der Kleinstadt wirkt ein wenig wie Science-Fiction und auch die Art des Verbrechens, dem Reacher & Co auf der Spur sind, überzeugt nicht so recht. Doch Child versteht es, Jack Reacher als sympathischen und durchschlagskräftigen Mann mit bewegter Vergangenheit und starken Prinzipien zu etablieren sowie aus einem an sich unglaubwürdigen Szenario einen spannenden und actionreichen Plot zu kreieren. Dies wird auch in den nachfolgenden Jack-Reacher-Romanen die Erfolgsformel darstellen.
 Leseprobe Lee Child "Größenwahn"

Lee Child – (Jack Reacher: 18) „Die Gejagten“

Dienstag, 12. Juli 2016

(Blanvalet, 448 S., HC)
Nach seiner aktiven Zeit als Militärpolizist beim 110th MP Special Unit hat Jack Reacher keinen festen Job mehr gehabt und reist meist per Anhalter durch die Staaten und übernachtet in schäbigen Motels. Als er in Nordostecke von Virginia an einem weiteren Motel abgesetzt wird, bekommt er umgehend Besuch von zwei Männern, die ihm den Rat geben, möglichst schnell zu verduften, um einem Kriegsgerichtsverfahren aus dem Weg zu gehen. Doch Reacher lässt sich nicht einschüchtern. Schließlich hat er den langen Weg von South Dakota nach Virginia auf sich genommen, um Major Susan Turner persönlich kennenzulernen, nachdem er ihre Stimme am Telefon als sympathisch und interessant empfunden hatte.
Doch als er seine alte Dienststelle aufsucht, der nun Turner als Kommandeur vorsteht, wird er von Colonel Morgan in Empfang genommen, der ihm mitteilt, dass Major Turner im Militärgefängnis sitzt und er selbst wegen Mordes an dem Kleinkriminellen Juan Rodriguez alias Big Dog angeklagt ist und sich mit dem Umstand anfreunden muss, vor vierzehn Jahren mit Candice Dayton eine Tochter gezeugt zu haben. Und als hätte Reacher nun nicht schon genug Probleme am Hals, wird er nach Buch zehn des United States Code wieder in den Militärdienst einberufen.
Reacher nimmt die Dinge wie gewohnt selbst in die Hand, befreit Turner aus dem Gefängnis und begibt sich mit ihr per Bus und Anhalter auf die Flucht, bis sie den Spieß umzudrehen beginnen und herauszufinden versuchen, wer ein Interesse daran hat, Turner und Reacher aus dem Verkehr zu ziehen. Offensichtlich hängt die Jagd auf Reacher und Turner mit Vorfällen in Afghanistan zusammen, wo Turner gerade zwei ihrer Leute verloren hat. Und Reacher hat auch schon eine Idee, was für Leute hinter der ganzen Sache stecken:
„Sie sind sehr korrekte Leute mit einer Betrugsmasche, die ihnen Unmengen von Geld einbringt. Sie sind bereit, achttausend Meilen entfernt in Afghanistan Straftaten bis hin zum Mord verüben zu lassen, aber daheim vor ihrer Haustür soll alles sauber und ordentlich ablaufen. Sie sind Duzfreunde von Offshore-Bankern, können finanzielle Arrangements in einer Stunde statt in einer Woche treffen, verstehen sich darauf, alte Personalakten jeder Teilstreitkraft zu durchsuchen und zu manipulieren, und haben einen effektiven Schlägertrupp, der ihnen den Rücken freihält. Ich gehe jede Wette ein, dass sie hohe Stabsoffiziere in D.C. sind.“ (S. 173) 
Seit Lee Child 1997 mit seinem Debütroman „Größenwahn“ seinen unorthodoxen Protagonisten Jack Reacher eingeführt hat, sind seine Thriller um den ehemaligen Kommandeur einer Spezialeinheit der Militärpolizei, der seit seinem Ausscheiden aus dem Militärdienst keinem geregelten Job mehr nachgeht, zunehmend erfolgreicher geworden, bis 2012 folgerichtig Band 9 der Reihe – „Sniper“ – mit Tom Cruise in der Hauptrolle unter dem Titel „Jack Reacher“ fürs Kino adaptiert worden ist.
Weitere neun Bände später wird im November 2016 auch Band 18 – „Die Gejagten“ – als Sequel in die Kinos kommen. Da die einzelnen Jack-Reacher-Bände nicht zwingend aufeinander aufbauen und für sich abgeschlossene Fälle thematisieren, ist dies auch gar nicht problematisch. Im Prinzip ist jeder Jack-Reacher-Thriller filmreif, denn Lee Child hat mit dem großen Kraftpaket, der über einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn verfügt, eine überaus charismatische Figur geschaffen, der nie aufgibt und sehr analytisch zum Ziel gelangt. Mit diesen Eigenschaften befreit er eben auch die zu Unrecht inhaftierte Susan Turner aus dem Militärgefängnis und macht sich mit ihr auf die Suche nach den Drahtziehern des Komplotts, mit dem die beiden hochrangigen (Ex-)Kommandeure aus dem Verkehr gezogen werden soll. Gerade die Actionszenen sind bereits drehbuchreif geschrieben, die obligatorische Liebes-Beziehung zwischen Reacher und Turner ebenso, aber auch das Katz- und Maus-Spiel zwischen den als Romeo und Julia bezeichneten Auftraggebern, ihrem Aufräumtrupp und den beiden Angeklagten ist temporeich und spannend inszeniert.
Allein bei der Charakterisierung von Reachers mutmaßlicher Tochter schießt Child etwas über das Ziel hinaus. Davon abgesehen bietet „Die Gejagten“ geradlinige Action mit coolen Figuren, die kurzweiligen Lesegenuss garantieren und auf die Verfilmung neugierig machen.
 Leseprobe Lee Child "Die Gejagten"

Lee Child - (Jack Reacher: 15) "Wespennest"

Sonntag, 19. Juli 2015

(Blanvalet, 446 S., HC)
Auf seinem Weg nach Virginia wird der ehemalige Militärpolizist Jack Reacher von einem Anhalter vor einem einsam gelegenen, aber futuristisch aussehenden Motel in Nebraska abgesetzt. An der Bar des Apollo Inn bekommt er mit, wie der Barkeeper von einer Mrs. Duncan angerufen wird, die über Nasenbluten klagt, das nicht aufhören will. Doch der Arzt, der neben Reacher an der Theke sitzt und dem der Anruf gilt, ist zu betrunken, um seinen Pflichten nachzukommen. Als Reacher den Arzt zum Haus der Duncans fährt, bemerkt er, dass die Frau offensichtlich nicht zum ersten Mal von ihrem Mann Seth verprügelt worden ist.
Reacher schnappt sich den Subaru des Doktors und stattet Seth einen Besuch im einzigen Steakhaus der Stadt einen Besuch ab, der mit der gebrochenen Nase des Ehemanns endet. Doch Seth, sein Vater Jacob und dessen Brüder Jonas und Jasper lassen es nicht dabei bewenden. Schließlich haben sie mit ihrem Transportunternehmen nicht nur das ganze County in ihrer Hand, sondern warten auf eine dringende Lieferung, die wiederum an ihren Geschäftspartner Mr. Rossi in Las Vegas weitervermittelt werden muss.
Aber Mr. Rossi ist nicht das Ende der Nahrungskette, und so geraten die Duncans enorm unter Druck, Reacher auszuschalten und die delikate Lieferung zu sichern. Reacher muss feststellen, dass er nicht länger in der Gegend erwünscht ist, dass jeder hier vor den Duncans Angst hat. Als er zu recherchieren beginnt, woher diese Angst rührt, stößt er auf den Fall eines vor 25 Jahren verschwundenen Mädchens, den weder die State Police noch das FBI lösen konnte. Während Reacher herauszufinden versucht, woran die Ermittlungen gescheitert sind, machen die Duncans sowohl mit den Italienern als auch den Iranern zunächst gemeinsame Sache, um den riesigen Fremden auszuschalten, der ihre Geschäfte sabotiert. Aber eigentlich nutzt jede Partei die Möglichkeit, die gegenwärtigen Geschäftspartner auszuschalten, um noch mehr vom Kuchen einzubehalten.
„Es gab keinen riesigen Fremden, der hier Amok lief. Keiner hatte ihn gesehen, und niemand konnte ihn beschreiben, weil er nicht existierte. Er war erfunden. Er war imaginär. Er war ein Köder. Er war eine List. Die ganze angebliche Verzögerung war Bockmist. Sie war von A bis Z erfunden. Sie hatte nur dazu gedient, um alle nach Nebraska zu locken, damit sie ausgeschaltet, liquidiert, umgelegt werden konnten. Die Duncans beseitigten ein Kettenglied nach dem anderen und wollten die ganze Kette eliminieren, um direkt mit den Saudis ganz oben verhandeln und den eigenen Gewinn vervielfachen zu können.“ (S. 330) 
Allerdings müssen sowohl die Duncans als auch die Italiener und Iraner sukzessive feststellen, dass Reacher durchaus eine reale Bedrohung darstellt, der seine ganze Cleverness und Erfahrung seiner Militärzeit in die Waagschale wirft, um die verängstigten Bewohner des Countys wieder ihr eigenes Leben führen zu lassen und einen kalten Fall zu lösen.
Nach „61 Stunden“ ist „Wespennest“ nicht nur der 15. Roman in Lee Childs gefeierter Jack-Reacher-Reihe, sondern gleichzeitig der zweite Band der sogenannten Susan-Turner-Tetralogie. Susan Turner ist das Ziel in Virginia, zu dem sich Reacher als Anhalter auf den Weg macht, und unterwegs hat er vertrackte Abenteuer zu bestehen, in die nur Typen wie Reacher gelangen und einigermaßen heil wieder rauskommen können.
Wie gewohnt erfährt der Leser nicht viel über Reachers Privatleben oder Gefühle. Reacher macht sich ohne Gepäck einfach auf den Weg und packt die Probleme, die sich ihm in den Weg stellen, mit gnadenloser Effizienz an. Wie er die brenzligsten Situationen nüchtern analysiert und seine Vorgehensweise darauf abstimmt, beschreibt der in England geborene Lee Child entsprechend schnörkellos, in kurzen, prägnanten Sätzen, nur die harten Fakten betrachtend, aus denen sich Reachers Handlungsspielraum wie von selbst definiert. Geschickt enthüllt Child im Laufe der Geschichte immer weitere Teile des ominösen Unternehmens, das die Duncans da betreiben und in dem auch die Lösung für den Fall des verschwundenen Mädchens liegt.
Meisterhaft verbindet der Autor dabei filmreife Action mit geschickter Ermittlungsarbeit, so dass der Leser es gar nicht abwarten kann, den nächsten Jack-Reacher-Roman in den Händen zu halten.
Leseprobe Lee Child - "Wespennest"

Lee Child – (Jack Reacher: 17) „Der Anhalter“

Samstag, 4. Juli 2015

(Blanvalet, 446 S., HC)
Mit seinen ein Meter fünfundneunzig Körpergröße, der ohnehin kräftigen Statur und nun noch einer frisch gebrochenen Nase ist Jack Reacher nicht gerade in der besten Ausgangslage, um als Anhalter mitgenommen zu werden. Als er auf dem Weg nach Osten bis Virginia nach anderthalb Stunden Wartezeit endlich mitgenommen wird, ist der ehemalige und vielfach dekorierte Militärpolizist erst einmal froh, aber als er hinter den beiden Männern neben der Frau hinten im Wagen Platz nimmt, analysiert er sofort die Situation: Aus der einheitlichen Kleidung schließt Reacher, dass hier Kollegen unterwegs sind.
Alan King, Don McQueen und Karen Delfuenso sind im Vertrieb einer Software-Firma tätig und gerade von Kansas nach Chicago unterwegs, erfährt Reacher, doch nach einigen Meilen kommt ihm die Situation merkwürdig vor. Die Frau neben ihm ist auffällig ruhig, die Angaben der Männer nicht ganz schlüssig. Schließlich gibt die Frau Reacher durch einen Blinzel-Code zu verstehen, dass sie eine Geisel ist, dass die Männer mit ihrem Auto unterwegs sind und dass sie selbst eine Tochter hat. Er weiß nicht, dass die Männer in der Nähe von Kansas an einem Mord beteiligt gewesen sind, an dem neben dem County Sheriff Victor Goodman auch die FBI-Agentin Julia Sorenson ermittelte. Bevor Reacher die Frau befreien kann, gelingt es den Männern, mit ihr allein die Flucht fortzusetzen. Nachdem sie mit Reacher zusammen die Straßensperren passiert hatten, war er nicht mehr nützlich für sie. Nun setzt Reacher mit Sorenson alles daran, die Geisel zu befreien. Doch dann wird auch noch die zehnjährige Tochter der Geisel entführt.
„Sie war ein Mädchen vom Land. Zehn Jahre alt. Bestimmt kein Wunderkind. Sie würde jedem Erwachsenen mit einer halbwegs überzeugenden Story geglaubt haben. Jegliche Autorität würde sie überzeugt haben. Sie würde jede Art Versprechen bereitwillig hingenommen haben. Komm mit, Kleine. Wir haben deine Mama gefunden. Wir bringen dich zu ihr.
Aber wer?
Wer hatte überhaupt gewusst, dass Delfuenso verschwunden war? Natürlich sein ganzes Department, dazu die Nachbarn, und vermutlich einige Leute, mit denen sie seither telefoniert hatten. Und die beiden Kerle. Aber weshalb würden sie erst die Mutter ermorden und sich dann das Kind holen?“ (S. 238) 
Lee Child weiß, wie man packende Thriller schreibt. Nachdem der in England geborene Autor beim Fernsehen so gefeierte Thrillerserien wie „Heißer Verdacht“ und „Für alle Fitz“ betreut hatte, zog er in die USA und landete gleich mit seinem ersten Jack-Reacher-Roman „Größenwahn“ einen internationalen, preisgekrönten Bestseller. Seither zählen Lee Childs Jack-Reacher-Thriller zum Besten, was das Genre zu bieten hat, und mit Tom Cruise als „Jack Reacher“ (basierend auf dem 9. Band „Sniper“) hat die charismatische Figur mittlerweile auch den Weg auf die Leinwand gefunden. „Der Anhalter“ stellt bereits den 17. Roman um den ehemaligen Militärpolizisten dar, der nach dreizehn Jahren bei der Army mittlerweile fast ebenso lang auf eigenen Beinen steht und sich ohne familiäre Bindungen, einem Zuhause und Arbeitgeber eher ziellos durchs Leben treiben lässt. Indem Jack Reacher als Anhalter durch die USA reist, wird diese Lebensweise schon zu Beginn auf den Punkt gebracht. Auch wenn er etwas abgerissen erscheint, sind die Lektionen, die er beim Militär gelernt hat, in Fleisch und Blut übergegangen.
Aus einer zunächst unverfänglich erscheinenden Situation entwickelt „Der Anhalter“ einen raffinierten Plot, in dem Reachers nach wie vor geschulten Instinkte nicht nur sein eigenes Überleben sichern, sondern auch der Personen, die ihm am Herzen liegen. „Der Anhalter“ ist clever konstruiert, schnörkellos geschrieben, mit sympathischen Protagonisten gespickt, über die der Leser gern mehr erfahren würde, und schließlich so temporeich auf der Zielgeraden, dass es einem den Atem raubt. Mehr davon!
Leseprobe Lee Child - "Der Anhalter"

Lee Child – (Jack Reacher: 11) „Trouble“

Donnerstag, 4. November 2010

(Blanvalet, 448 S., HC)
Als der ehemalige Spitzenermittler einer Army-Eliteeinheit Jack Reacher auf seinem Kontoauszug eine Überweisung von exakt 1030 Dollar entdeckt, stellt er schnell fest, dass die Transaktion von seiner ehemaligen Kollegin Frances Neagley getätigt worden ist, die seit dem Ausscheiden aus dem Militärdienst in Chicago eine private Sicherheitsfirma unterhielt, und einen Notfallcode darstellt. Also macht er sich auf den Weg, sie in Los Angeles zu treffen, wo sie ihm erzählt, dass Calvin Franz ermordet worden ist.
Er zählte wie Neagley und Reacher zu einem achtköpfigen Team von Sonderermittlern, das offensichtlich systematisch dezimiert werden soll. Auf ihre Notrufe bei den verbliebenen Ex-Kollegen reagieren nämlich nur noch Dave O’Donnell und Karla Dixon, während die anderen vermisst oder tot aufgefunden werden. Getreu ihrem Motto „Mit Sonderermittlern legt man sich nicht an“ ermittelt das übrig gebliebene Quartett unter Reachers Kommando auf eigene Faust. Doch viele Anhaltspunkte hat das Team nicht. Im Postfach von Calvin Franz findet es Passwort-geschützte USB-Sticks und Listen mit kryptischen Zahlenreihen. Mit seinem speziellen Faible für Zahlen vermutet Reacher einen Zusammenhang mit Glücksspielmanipulationen in ganz großem Stil. Doch in Vegas kommt sein Team einer weitaus brisanteren Geschichte auf die Spur, weshalb Franz & Co. ihr Leben lassen mussten …
In präziser Regelmäßigkeit verwöhnt Lee Child seine Jack-Reacher-Fangemeinde jährlich mit einem neuen Abenteuer seines abgebrannten, aber überaus cleveren Helden. In schnörkelloser Sprache schildert Child auch in „Trouble“ ein gelungenes Husarenstück des ehemaligen Sonderermittlers und lässt den Leser einmal mehr an dessen reichhaltigen Fundus in Sachen Tricks, Auffassungsgabe, Berechnungen, Planung und effizientes Ausschalten von Zielpersonen teilhaben. Das ist einfach packende, mit trockenem Humor und kompromissloser Härte gespickte Unterhaltung auf höchstem Thriller-Niveau!

Lee Child - (Jack Reacher: 7) „Der Janusmann“

Samstag, 6. Juni 2009

(Blanvalet, 478 S., HC)
Sechs Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Militärdienst, wo er als Spitzenermittler tätig gewesen ist, führt Jack Reacher ein recht anonymes Leben. Doch dann begegnet ihm ein Mann, der eigentlich tot sein müsste. Doch die markanten Narben auf der Stirn von der eigentlich tödlichen Schussverletzung lassen keine Zweifel aufkommen. Als er die Herkunft des Cadillacs zu ermitteln versucht, erhält Reacher Besuch von zwei Agenten des Justizministeriums. Die Spur des Cadillacs führt nämlich zu Zachary Beck, einem Teppich- und mutmaßlichen Drogenimporteur.
Mit einer fingierten Entführung von Becks Sohn Richard, die Reacher zu vereiteln weiß, erschleicht sich Reacher Becks Vertrauen und wird bald zu seinem Sicherheitschef. Während er auf eigene Faust nach Quinns Aufenthaltsort sucht, soll Reacher für die Federal Agents eine bei Beck eingeschleuste, aber seit einiger Zeit verschwundene Agentin ausfindig machen. Doch sobald Reacher in der Höhle des Löwen gelandet ist, entwickeln sich die Dinge ganz und gar nicht wie geplant, und Reacher muss immer wieder an seine ehemalige Untergebene Dominique Kohl denken, die er vor zehn Jahren auf Quinn angesetzt hatte. Auf einmal ist Reacher nur so von Leichen umringt und muss selbst um sein Leben bangen … 
Mit „Der Janusmann“ ist Lee Child ein glänzender Agententhriller gelungen, der mit viel Detailliebe, zwischenmenschlichen Verwicklungen, Lug und Betrug gespickt ist und geradezu nach einer Verfilmung schreit.