Auf seinem Weg nach Virginia wird der ehemalige Militärpolizist Jack Reacher von einem Anhalter vor einem einsam gelegenen, aber futuristisch aussehenden Motel in Nebraska abgesetzt. An der Bar des Apollo Inn bekommt er mit, wie der Barkeeper von einer Mrs. Duncan angerufen wird, die über Nasenbluten klagt, das nicht aufhören will. Doch der Arzt, der neben Reacher an der Theke sitzt und dem der Anruf gilt, ist zu betrunken, um seinen Pflichten nachzukommen. Als Reacher den Arzt zum Haus der Duncans fährt, bemerkt er, dass die Frau offensichtlich nicht zum ersten Mal von ihrem Mann Seth verprügelt worden ist.
Reacher schnappt sich den Subaru des Doktors und stattet Seth einen Besuch im einzigen Steakhaus der Stadt einen Besuch ab, der mit der gebrochenen Nase des Ehemanns endet. Doch Seth, sein Vater Jacob und dessen Brüder Jonas und Jasper lassen es nicht dabei bewenden. Schließlich haben sie mit ihrem Transportunternehmen nicht nur das ganze County in ihrer Hand, sondern warten auf eine dringende Lieferung, die wiederum an ihren Geschäftspartner Mr. Rossi in Las Vegas weitervermittelt werden muss.
Aber Mr. Rossi ist nicht das Ende der Nahrungskette, und so geraten die Duncans enorm unter Druck, Reacher auszuschalten und die delikate Lieferung zu sichern. Reacher muss feststellen, dass er nicht länger in der Gegend erwünscht ist, dass jeder hier vor den Duncans Angst hat. Als er zu recherchieren beginnt, woher diese Angst rührt, stößt er auf den Fall eines vor 25 Jahren verschwundenen Mädchens, den weder die State Police noch das FBI lösen konnte. Während Reacher herauszufinden versucht, woran die Ermittlungen gescheitert sind, machen die Duncans sowohl mit den Italienern als auch den Iranern zunächst gemeinsame Sache, um den riesigen Fremden auszuschalten, der ihre Geschäfte sabotiert. Aber eigentlich nutzt jede Partei die Möglichkeit, die gegenwärtigen Geschäftspartner auszuschalten, um noch mehr vom Kuchen einzubehalten.
„Es gab keinen riesigen Fremden, der hier Amok lief. Keiner hatte ihn gesehen, und niemand konnte ihn beschreiben, weil er nicht existierte. Er war erfunden. Er war imaginär. Er war ein Köder. Er war eine List. Die ganze angebliche Verzögerung war Bockmist. Sie war von A bis Z erfunden. Sie hatte nur dazu gedient, um alle nach Nebraska zu locken, damit sie ausgeschaltet, liquidiert, umgelegt werden konnten. Die Duncans beseitigten ein Kettenglied nach dem anderen und wollten die ganze Kette eliminieren, um direkt mit den Saudis ganz oben verhandeln und den eigenen Gewinn vervielfachen zu können.“ (S. 330)Allerdings müssen sowohl die Duncans als auch die Italiener und Iraner sukzessive feststellen, dass Reacher durchaus eine reale Bedrohung darstellt, der seine ganze Cleverness und Erfahrung seiner Militärzeit in die Waagschale wirft, um die verängstigten Bewohner des Countys wieder ihr eigenes Leben führen zu lassen und einen kalten Fall zu lösen.
Nach „61 Stunden“ ist „Wespennest“ nicht nur der 15. Roman in Lee Childs gefeierter Jack-Reacher-Reihe, sondern gleichzeitig der zweite Band der sogenannten Susan-Turner-Tetralogie. Susan Turner ist das Ziel in Virginia, zu dem sich Reacher als Anhalter auf den Weg macht, und unterwegs hat er vertrackte Abenteuer zu bestehen, in die nur Typen wie Reacher gelangen und einigermaßen heil wieder rauskommen können.
Wie gewohnt erfährt der Leser nicht viel über Reachers Privatleben oder Gefühle. Reacher macht sich ohne Gepäck einfach auf den Weg und packt die Probleme, die sich ihm in den Weg stellen, mit gnadenloser Effizienz an. Wie er die brenzligsten Situationen nüchtern analysiert und seine Vorgehensweise darauf abstimmt, beschreibt der in England geborene Lee Child entsprechend schnörkellos, in kurzen, prägnanten Sätzen, nur die harten Fakten betrachtend, aus denen sich Reachers Handlungsspielraum wie von selbst definiert. Geschickt enthüllt Child im Laufe der Geschichte immer weitere Teile des ominösen Unternehmens, das die Duncans da betreiben und in dem auch die Lösung für den Fall des verschwundenen Mädchens liegt.
Meisterhaft verbindet der Autor dabei filmreife Action mit geschickter Ermittlungsarbeit, so dass der Leser es gar nicht abwarten kann, den nächsten Jack-Reacher-Roman in den Händen zu halten.
Leseprobe Lee Child - "Wespennest"
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen