In einem nahezu leeren italienischen Restaurant beobachtet Jack Reacher zwei Männer, die dem Inhaber offenbar das wöchentliche Schutzgeld abnahmen. Wenig später schlägt Reacher die beiden Männer in einer Gasse krankenhausreif und erfährt, dass sie das Geld für einen skrupellosen Gangster namens Petrosian eintreiben. Als er zu seinem Haus in Garrison fährt, wird er von FBI-Agenten empfangen und in die Außenstelle New York gebracht, wo ihn der stellvertretende Direktor Alan Deerfield, die leitenden Agents Nelson Blake und James Cozo sowie die beiden Special Agents Tony Poulton und Julia Lamarr ins Verhör nehmen, die allesamt mit Serienkriminalität und organisiertem Verbrechen zu tun haben. Sie befragen Reacher zu den Frauen Amy Callan und Caroline Cooke, die er während seiner Dienstzeit beim Militär kennengelernt hat und die nun auf grausame Weise ermordet worden sind, nachdem sie ihre Vorgesetzten wegen sexueller Belästigung angezeigt und später den Dienst quittiert hatten.
Zwar halten sie Reacher nicht für den Täter, bitten ihn aber um Mitarbeit bei der Aufklärung der Morde, weil sie den Täter in den Reihen des Militärs vermuten. Der Täter lässt seine Opfer nackt in eine Wanne mit grüner Tarnfarbe steigen, wo sie unter unbekannten Umständen zu Tode kommen, und hinterlässt absolut keine Spuren.
Als auch eine dritte Frau auf die gleiche Art stirbt und jeweils genau drei Wochen zwischen den Morden liegen, haben Reacher und das FBI nur wenig Zeit. Neben dem aufreibenden Fall hat Reacher auch in privater Hinsicht Entscheidungen zu treffen. Nachdem er das Haus seines Freundes und Kommandeurs Leon Garber geerbt hat und mit seiner Tochter Jodie liiert ist, die kurz davorsteht, Partnerin in ihrer Kanzlei zu werden, fühlt sich Reacher zu sehr in seiner Freiheit eingeengt.
„Endlich ging es wieder irgendwo hin. Endlich war er wieder unterwegs. Er kam sich vor wie ein wechselwarmes Tier nach dem Winterschlaf, wenn das Blut wieder in Wallung gerät. Sein alter Wandertrieb meldete sich zu Wort. Nun bist du also wieder froh und glücklich, sagte er. Du hast sogar einen Moment lang vergessen, dass du droben in Garrison ein Haus am Hals hast.“ (S. 110)Mit seinem vierten Jack-Reacher-Roman folgt Lee Child seinem bewährten Rezept. Zunächst führt er Reacher als gerechtigkeitsliebenden Mann ein, der Konfrontationen auch mit mehreren Männern stets sehr überlegt angeht und aus ihnen sehr souverän als Sieger hervorgeht. Der Leser bekommt einen kurzen Abriss von Reachers Laufbahn als Major bei der Militärpolizei und der Beziehung zu Leon Garbers Tochter. Schließlich wird er zur Zusammenarbeit mit dem FBI genötigt, um einen sehr gerissenen Serienmörder zu fassen.
Doch der zunächst interessant vertrackte Fall entpuppt sich als Angelegenheit, in der absichtlich falsche Fährten gelegt worden sind, die Reacher und seine ihn begleitende junge Agentin Lisa Harper aber erst nach weiteren Morden entwirren können. Leider gelingt es Lee Child diesmal nicht sehr überzeugend, die verschiedenen Ermittlungsansätze glaubwürdig miteinander zu verknüpfen. Am Ende wirkt die Auflösung doch sehr konstruiert und unglaubwürdig. Dazu sorgen die immer wieder mal eingestreuten Inneneinsichten des Täters für einen unnötigen Bruch in der Erzähldramaturgie, so dass „Zeit der Rache“ zwar einen faszinierenden Fall präsentiert, der auch die Schwierigkeiten der Zusammenarbeit zwischen Militär und FBI thematisiert sowie Reachers Drang nach Unabhängigkeit, aber letztlich wenig schlüssig zu Ende erzählt wird.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen