Douglas Coupland - „Alle Familien sind verkorkst“

Sonntag, 1. November 2009

(Hoffmann und Campe, 335 S., HC)
Mit seinem 1991 veröffentlichten Debüt „Generation X“ hat der 1961 geborene amerikanische Autor Douglas Coupland nicht nur ein beißend ironisches Portrait der Nach-Baby-Boom-Generation der zwischen 1960 und 1970 Geborenen gezeichnet, sondern sich sogleich in den Olymp der Kult-Autoren geschrieben. Wie in seinen nachfolgenden Romanen erweist sich Coupland auch mit seinem neuesten Streich als intelligenter Beobachter der amerikanischen Mittelschicht und ihrer Träume.
Er erzählt die kuriose wie liebenswerte Geschichte der Familie Drummond, deren Mitglieder eigentlich in ganz Nordamerika verstreut sind. Doch zum Weltraumausflug der Contergan-geschädigten Tochter und Schwester Sarah finden sich alle in Cape Canaveral zusammen: Die pillensüchtige, extrem sparsame Mutter Janet, ihr bankrotter Ex-Mann Ted, ihr Sohn Wade, der irgendwie auch immer blank ist und mit dem Gesetz auf Kriegsfuß steht, ihr anderer Sohn Bryan, dessen hysterische Frau mit dem Fantasienamen Shw das gemeinsame Kind abzutreiben gedenkt. Sie alle nehmen allerlei Schwierigkeiten bei ihrer Odyssee nach Orlando auf sich und kommen sich bei aller Hass-Liebe ausgerechnet durch einen deutschen Pharma-Erben wieder näher. Coupland beschreibt diese irrwitzigen Abenteuer so lebhaft und liebenswert, dass einem die schrägen Drummond-Vögel schon nach ein paar Seiten ans Herz wachsen. Die Coen-Brüder sollten sich die Filmrechte sichern.

Daniel Wallace - „Big Fish“

(Knaur, 222. S., Tb.)
Mit Filmen wie „Beetlejuice“ und „Edward mit den Scherenhänden“ hat Regisseur Tim Burton bislang am beeindruckendsten sein Faible für märchenhafte Geschichten in Szene setzen können. In dieser Tradition steht auch sein Film „Big Fish“, der auf dem Roman von Daniel Wallace basiert. Dieser schildert im Gegensatz zu seiner farbenprächtigen Leinwand-Adaption in knappen Sätzen ein wahrlich bezauberndes Märchen, in dem William Bloom seinen Vater erst richtig kennen lernt, als dieser bereits im Sterben liegt.
Bis dahin war das Leben von Edward Bloom eine Aneinanderreihung von unglaublichen Geschichten. Da rettete er einer Meerjungfrau das Leben, indem er ihr eine Giftschlange vom Leibe hielt. Oder er verschonte die kleine Gemeinde Ashland vor dem Riesen Karl, indem Edward ihm beibrachte, Gemüse anzubauen (während er im Film mit dem Karl auf Reisen ging). Bezaubernd auch, wie er das Herz seiner ersten großen Liebe zu erobern versuchte und wie er die Stadt Specter aufkaufte. Die sehr kurze Romanvorlage wurde von Tim Burton weitaus farbenprächtiger, witziger und märchenhafter umgesetzt, die schwierige Vater-Sohn-Beziehung besser herausgearbeitet. Dennoch bietet auch die Romanvorlage ein bezauberndes Lesevergnügen.

Mari Jungstedt - „Näher als du denkst“

Mittwoch, 14. Oktober 2009

(Heyne, 416 S., HC)
Mit ihrem Debüt „Den du nicht siehst“ konnte sich die Stockholmer Schriftstellerin Mari Jungstedt gleich in die Riege skandinavischer Top-Autorinnen wie Karin Fossum und Helene Tursten einreihen. Ihr neuer Roman führt sie auf die Insel Gotland, wo sich der heruntergekommene ehemalige Starfotograf Henry „Blitz“ Dahlström mit seinen Freunden Bengan, Gunsan, Monica und Kjelle auf der Trabrennbahn von Visby vergnügt. Mit seinem Tipp auf den Außenseiter Ginger Star macht er einen Gewinn von 80.000 Kronen, wovon er gleich einen Teil mit seiner Clique vertrinkt.
Wenig später wird Dahlström in seiner Dunkelkammer im Keller seiner Mietwohnung erschlagen aufgefunden. Anders Knutas und sein Team finden die Wohnung verwüstet vor. Bei ihren Ermittlungen stoßen die Kriminalbeamten auf hohe Bareinzahlungen auf Dahlströms Konto sowie die Tatsache, dass er bei einigen gut betuchten Kunden umfangreiche Handwerksarbeiten schwarz ausgeführt hatte. Während die Polizei fieberhaft nach dem Täter fahndet, wird die 14-jährige Fanny vermisst, die ohne Freunde bei ihrer alkoholsüchtigen Mutter aufwächst und in ihrer Freizeit im Pferdestall verbringt. Und Johan Berg bekommt es nicht nur mit Gewissensbissen bei seiner Berichterstattung über den Mord und das vermisste Mädchen zu tun, sondern auch mit der schwierigen Beziehung zur verheirateten Emma, die ihren Mann und ihre beiden Kinder partout nicht verlassen möchte … Leidlich spannender, schnörkellos geschriebener Schweden-Krimi mit einigen psychologischen Feinheiten.

Mari Jungstedt - „Den du nicht siehst“

(Heyne, 384 S., HC)
Seit den sensationellen Bestseller-Erfolgen von Henning Mankell und Hakan Nesser haben Krimis aus Schweden und überhaupt aus dem skandinavischen Raum hierzulande Hochkonjunktur. Da erscheinen dann auch mal Erstlingsromane im Hardcover, so wie das Romandebüt der Stockholmer Radio- und Fernsehjournalistin Mari Jungstedt.
So wie jeden Sommer verbringen die beruflich eingespannten Helena und Per auch dieses Jahr zu Pfingsten etwas Zeit auf der idyllischen Ferieninsel Gotland, wo sie den Mittsommer mit ein paar Freunden feiern. Als Helena dabei etwas zu eng mit ihrem Jugendfreund Kristian tanzt, flippt der eifersüchtige Per aus und bringt die Party vorzeitig zu einem unerwarteten Ende. Am kommenden Morgen bricht Helena mit ihrem Hund Spencer zu einem Strandspaziergang auf und wird Stunden später von einem Spaziergänger ebenso wie der Hund ermordet aufgefunden, mit einer Axt grausam verstümmelt, dem Slip in den Mund gestopft. Was zunächst wie ein Eifersuchtsdrama aussieht, entpuppt sich schnell als Beginn einer Serie von Morden, bei denen die Frauen jeweils enthauptet und mit ihrer eigenen Unterwäsche geknebelt werden. Als endlich eine Verbindung zwischen den Frauen hergestellt werden kann, schwebt das letzte vermeintliche Opfer bereits in großer Lebensgefahr... Der Leser tappt wie Hauptkommissar Anders Knutas und seine Kollegen bis zum Schluss im Dunkeln, doch gibt Jungstedt immer wieder Einblicke in die Psyche des Killers. Spannendes Lesefutter in bester Schweden-Krimi-Tradition.

Chelsea Cain - „Furie“

Montag, 12. Oktober 2009

(Limes, 386 S., HC)
Zehn Jahre lang hat Archie Sheridan die Soko Beauty Killer gearbeitet und war letztlich der Serienkillerin Gretchen Lowell selbst ins Netz gegangen. Nachdem sie ihn zunächst fast umgebracht hätte, rettete sie ihm doch noch das Leben und sitzt nun selbst im Gefängnis, das Sheridan noch jeden Sonntag besucht, um von ihr die Fundorte aller noch vermisster Opfer in Erfahrung zu bringen. Doch nun erfordert eine neue Mordserie, der junge und hübsche Mädchen zum Opfer fallen, Sheridans volle Aufmerksamkeit. An der Seite der Reporterin Susan, die in ihrer begleitenden Story zum „Heimweg-Mörder“ die schrecklichen Ereignisse von damals wieder lebendig werden lässt, werden vor allem die Lehrer der Cleveland High unter die Lupe genommen, an die Susan keine gute Erinnerungen hat und nun mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert wird.
Sheridan und seine Truppe müssen bald erkennen, dass der Killer ungemein raffiniert ist, so dass Sheridan nicht umhin kommt, Gretchen Lowell um Unterstützung zu bitten! Mit Gretchen Lowell hat Thriller-Debütantin Chelsea Cain eine wirklich beängstigende Serienkillerin geschaffen und mit „Furie“ einen atemberaubenden Thriller, der Lesern von Karin Slaughter, Jilliane Hoffman, Tess Gerritsen und Kathy Reichs zusagen dürfte.

Tess Gerritsen - (Rizzoli & Isles: 4) „Schwesternmord“

Montag, 5. Oktober 2009

(Limes, 415 S., HC)
Als die Pathologin Dr. Maura Isles von einem Kongress in Paris nach Boston zurückkehrt, wimmelt es in ihrer Straße von Polizeiwagen. Dort nimmt sie die hochschwangere Polizistin Jane Rizzoli etwas entgeistert in Empfang. Der Grund für die allgemeine Verwunderung wird der Pathologin klar, als sie ein Blick auf die Leiche wirft. Die im vor ihrer Haustür parkenden Auto erschossene Frau gleicht Dr. Isles bis aufs Haar.
Tatsächlich sind die beiden Frauen Zwillingsschwestern, die nach ihrer Geburt zur Adoption freigegeben wurden und nichts voneinander wussten. Detective Rizzoli macht auch bald die Mutter der beiden ausfindig: Amalthea Lank sitzt wegen Mordes an zwei Schwestern im Gefängnis und warnt sie vor der „Bestie“, die offensichtlich auch ihre Schwester getötet hat. Derweil begibt sich Dr. Isles auf die Spuren ihrer Schwester und bezieht für kurze Zeit ihr abgelegenes Haus, in dessen Nähe bei Bauarbeiten die Skelette eines Ehepaars gefunden werden. Auch hier ist die Frau hochschwanger gewesen, aber das Skelett des Kindes fehlt. Derweil reißt die Mordserie an hochschwangeren Frauen nicht ab. Auf der Suche nach dem mutmaßlichen Komplizen ihrer Mutter begibt sich Dr. Isles selbst in höchste Gefahr … Wie schon mit ihren Bestsellern „Die Chirurgin“, „Der Meister“ und „Todsünde“ bietet auch der neue Roman der ehemaligen Ärztin psychologisch packende Thriller-Unterhaltung mit überraschendem Ende.

Tess Gerritsen - (Rizzoli & Isles: 5) „Scheintot“

(Limes, 415 S., HC)
Die Gerichtsmedizinerin Dr. Maura Isles will an einem späten Sommerabend gerade ihren Bericht über den Tod einer fünfzigjährigen Frau beenden, als sie im Kühlraum ein Geräusch hört und zur Kontrolle einen Leichensack nach dem anderen öffnet. Als sie dabei das Gesicht einer blassen jungen Frau in einer durchnässten Bluse entdeckt, kann sie an der schon bläulich verfärbten Frau nur kalte Haut fühlen, doch dann schlägt die vermeintliche Leiche die Augen auf. Dr. Isles bringt die unterkühlte Frau sofort ins Krankenhaus und wird am nächsten Tag bei einem Kontrollbesuch Zeugin, wie die Unbekannte einem Wachmann die Pistole entwendet und diesen erschießt. Zur gleichen Zeit wird Mauras Freundin, die hochschwangere Polizistin Jane Rizzoli in dasselbe Krankenhaus gebracht. Sie nimmt die Pathologin als Geisel, bringt dann aber weitere Patienten als Geiseln, auch Jane.
Zum Glück kann sich Maura befreien und mit Janes Ehemann Gabriel auf eigene Faust ermitteln. Denn auf einmal reißen die Bundesbehörden den Fall an sich und wollen die Geiselnahme notfalls auch blutig schnell zu einem Ende bringen. Maura und Gabriel läuft die Zeit davon. Als sie bei ihren Recherchen auf einen Rüstungsriesen stoßen, scheint dies das starke Interesse der Bundesbehörden zu erklären, den Fall schnell abschließen zu wollen …  
Tess Gerritsen ist auch mit „Scheintot“ wieder ein vielschichtiger, atemlos spannender Psychothriller um die sympathischen Freundinnen Maura Isles und Jane Rizzoli gelungen.