Eher zufällig wird Detective Amelia Sachs auf den mutmaßlichen Raubmörder aufmerksam, dem das NYDP seit zwei Wochen auf der Spur ist, und verfolgt ihn in das Einkaufszentrum an der Henry Street. Doch gerade in dem Moment, als Sachs sich den großen wie dürren Verdächtigen schnappen will, öffnet sich an der Rolltreppe eine Metallplatte, Sachs versucht dem in die Öffnung gefallenen Mann zu helfen, doch das Opfer wird durch den nach wie vor laufenden Antrieb grausam zerquetscht.
Lincoln Rhyme lässt sich vom Anwalt der Hinterbliebenen des Opfers als Berater engagieren, um Beweise im Prozess wegen fahrlässiger Tötung zusammenzustellen. Der querschnittsgelähmte Star-Forensiker gab seine Beratertätigkeit für das NYPD auf, nachdem er sich für den Tod eines scheinbar unschuldigen Mannes gefühlt hatte. Nun leitet er zwei Forensik-Seminare an der John Marshall School for Criminal Justice und nimmt die an den Rollstuhl gefesselte, sehr clevere Studentin Juliette Archer als Praktikantin an.
Sachs, die die Entscheidung ihres Arbeitskollegen und Lebensgefährten Lincoln Rhyme nicht versteht, dass er seine Beratertätigkeit aufgegeben hat, reagiert empört, als Rhyme ihr mit Mel Cooper auch noch den besten Kriminaltechniker der Stadt entführt hat, der ihr nun bei der Aufklärung des Raubmordes fehlt.
Als jedoch weitere Fälle bekannt werden, bei denen Menschen durch Geräte getötet werden, in denen ein sogenannter DataWise5000-Controller verbaut worden ist, stellen die Ermittler fest, dass die beiden Fälle, mit denen Rhyme und Sachs zu tun haben, zusammengehören. Die Zeit drängt, denn es sieht ganz so aus, als würde der sogenannte Täter 40 zunehmend Gefallen an seinen ausgetüftelten Tötungsmechanismen finden.
„Seitdem feststand, dass der Hüter des Volkes, ihr Täter 40, ein Serientäter war, mussten sie davon ausgehen, dass er bald wieder zuschlagen würde. Das war bei solchen Kriminalfällen oft der Fall. Was auch immer sie motivierte, ob sexuelle Lust oder terroristischer Hass, derartig intensive Gefühle führten meistens zu einer gesteigerten Häufigkeit der Taten.“ (S. 453)Seit „Der Knochenjäger“, dem ersten Fall von Lincoln Rhyme und Amelia Sachs, ist Jeffery Deaver zu einem der erfolgreichsten Thriller-Autoren der Welt avanciert. Mit Hilfe der umfassenden Datenbank, die der geniale Forensiker Lincoln Rhyme seit seiner in Ausübung des Dienstes erlittenen Querschnittslähmung aufgebaut hat, und feingliedrigen Untersuchungsmethoden ist es dem im Arbeitsleben wie als Lebenspartner mit dem ehemaligen Mannequin Amelia Sachs zusammengeschweißten Kriminalisten gelungen, auch den gerissensten Verbrechern das Handwerk zu legen.
Auch in seinem neuen Rhyme-Roman verwendet Deaver viel Zeit darauf, dem Leser die akribischen Arbeitsmethoden in Rhymes Privatlabor vorzuführen. Rhyme und seine ebenfalls behinderte Praktikantin erweisen sich dabei als kongeniales Team, während Sachs nicht nur damit beschäftigt ist, sich um ihre kranke Mutter Rose zu kümmern, der eine Herz-OP bevorsteht, sondern auch ihren Ex-Freund Nick Carelli abzuwimmeln, der gerade aus dem Knast entlassen worden ist und nun behauptet, dass er die ihm vorgeworfenen Taten gar nicht begangen, sondern sich für seinen mittlerweile verstorbenen Bruder geopfert habe.
Deaver gelingt es einmal mehr, die penible Suche nach und Auswertung von noch so winzigsten Spuren als spannende Detektiv-Arbeit zu beschreiben und seine Leser mit gut recherchierten Analysen zu fesseln. Allerdings vergeht so auch viel Zeit, ehe die beiden Fälle, die Rhyme und Sachs jeweils unabhängig voneinander bearbeiten, an Schwung aufnehmen und schließlich zusammenführen. Zwischenzeitlich kommt der „talentierte Mörder“ als Ich-Erzähler auch immer wieder selbst zu Wort und sieht sich als moralisierender „Hüter des Volkes“, der die Menschen von ihrer Konsumsucht zu befreien gedenkt.
Bei der Suche nach Täter 40 (benannt nach dem Club, an dem das erste Mordopfer mit einem Kugelhammer erschlagen wurde) finden Rhyme und Archer auch mal Zeit für Rätselspiele und eine Partie Blindschach (die der Autor unnötigerweise über zwei Seiten auch bebildert nachstellt), während Sachs sich scheinbar über ihre Gefühle für ihren Ex-Lover klarwerden muss.
Und als sei das nicht schon Stoff genug für drei Thriller, jagt Sachs‘ Partner Ron Pulaski auf eigene Faust einem Drogendealer namens Oden hinterher und bringt sich damit in Teufels Küche.
„Der talentierte Mörder“ überzeugt als clever konstruierter Cop- und Psycho-Thriller mit einem außergewöhnlichen Ermittler-Duo, dessen zwischenmenschliche Beziehungen trotz der deutlich auftretenden Differenzen allerdings kaum thematisiert werden. Natürlich nimmt der Thriller zum Ende hin einige „überraschende“ Wendungen, die auf ihre konstruiert wirkende Weise dem bis dahin so klug aufgebauten Plot etwas die Plausibilität nehmen. Doch von diesem genretypischen Schwächen abgesehen bietet „Der talentierte Mörder“ gewohnt packende Thriller-Spannung von einem Meister des Genres.
Leseprobe Jeffery Deaver - "Der talentierte Mörder"
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