John Katzenbach – (Dr. Frederick Starks: 3) „Die Familie“

Donnerstag, 29. August 2024

(Droemer, 636 S., Pb.) 
Als ehemaliger Gerichtsreporter für „The Miami Herald“ und „The Miami News“ waren die menschlichen Abgründe das tägliche Brot von John Katzenbach, und wie sein Kollege Michael Connelly avancierte der Sohn einer Psychoanalytikerin und des früheren US-Justizministers Nicholas Katzenbach aus dieser „Schule“ zu einem der besten Thriller-Autoren seiner Zeit. Drei seiner Romane wurden sogar schon verfilmt (als „Das mörderische Paradies“, „Im Sumpf des Verbrechens“ und „Das Tribunal“). Nun legt Katzenbach mit „Die Familie“ den Abschluss seiner Trilogie um den Psychoanalytiker Dr. Frederik Starks vor, die mit „Der Patient“ und „Der Verfolger“ ihren Anfang nahm. 
Eigentlich sollte der einst in New York erfolgreich praktizierende Psychoanalytiker Dr. Frederik Starks schon vor 15 Jahren unter den Toten weilen. Am Abend seines 53. Geburtstags wurde er von einem Psychopathen, der sich „Rumpelstilzchen“ nannte, per Brief zu einem tödlichen Spiel aufgefordert, bei dem er in einer Frist von 15 Tagen die Identität des Briefeschreibers lüften muss, sonst würde er Dr. Starks Familie umbringen – es sei denn, der Psychiater beendet selbst sein eigenes Leben. 
Nachdem er seinen eigenen Tod überzeugend vorgetäuscht und sich in Miami ein neues Leben aufgebaut hatte, haben ihn die drei überlebenden Mitglieder der diabolischen Familie jedoch nach fünf Jahren erneut ausfindig gemacht und ihn in ein weiteres perfides Spiel verwickelt, das er mit knapper Not überlebte. Seine Hoffnung, dass seine Peiniger damals das Zeitliche gesegnet haben, war jedoch verfrüht, denn nun hat sich ein Unbekannter, der sich Zerberus nennt, in seinen Computer gehackt und konfrontiert ihn mit einer Aufgabe, die ganz in das Schema seiner früheren Peiniger passt: Starks hat vierzehn Tage Zeit, aus den zwölf Patienten, die Zerberus ihm auflistet, den einen herauszufinden, der Selbstmord begehen will, und diesen verhindern, sonst werden die beiden letzten beiden Menschen, die ihm noch am Herzen liegen, getötet. 
Indem er seine zwölf ehemaligen Patienten abtelefoniert, stößt er auf Alexander Williams, der sich einen Namen als Kriegsfotograf gemacht hatte, von sich aus die Therapie beendete und nun nicht auffindbar zu sein scheint. Die Suche nach ihm entwickelt sich zu einer ausgetüftelten Schnitzeljagd, bei der Starks einmal mehr von den schauspielerischen Qualitäten seiner Peiniger überrascht wird. Schließlich findet er in Williams‘, bei einer Sekte untergekommener Schwester Annie und dem ebenfalls dort lebenden Teenager Owen zwei wichtige Verbündete im Wettlauf gegen den Tod. Mit ihnen zusammen will Starks den Spieß umdrehen und selbst das Überraschungsmoment für sich nutzen… 
„Sie hatten geschafft, was nur wenigen Killern gelang: Jeden seiner Instinkte, seine Ausbildung, seine Erfahrung und seine Persönlichkeit hatten sie gegen ihn selbst in Stellung gebracht, bis er langsam, aber sicher das Gefühl bekam, nicht länger gegen sie zu kämpfen, sondern ein unfreiwilliger Akteur in ihrer Inszenierung zu sein. Scheinwerfer. Kamera. Action. Auftritt auf Kommando, Bühne links. Es schien ausweglos. Ich schlafwandle in meinen eigenen Tod.“ (S. 481f.) 
Sechzehn Jahre sind zwischen den Veröffentlichungen der ersten beiden Dr.-Starks-Romane „Der Patient“ und „Der Verfolger“ vergangen. Für „Die Familie“ hat Katzenbach „nur“ sechs weitere Jahre gebraucht. Man muss die ersten beiden Bände der Trilogie nicht unbedingt kennen, um „Die Familie“ lesen und verstehen zu können – dafür rekapituliert der Autor die wesentlichen Story-Elemente der vorangegangenen beiden Werke ausführlich genug, um ein Gefühl für das Wesen der Widersacher von Dr. Starks zu bekommen. 
Die Zeit, die sich Katzenbach genommen hat, um einen raffiniert durchdachten Schlussakkord für seine Trilogie zu setzen, kommt „Die Familie“ sehr zugute, denn auch wenn einige Elemente des Plots sehr konstruiert wirken, bekommt das Publikum eine Story serviert, die komplizierte Wendungen nimmt, um am Ende doch recht vorhersehbar zu enden. 
Im Vergleich zu Bestsellerautoren wie James Patterson und Lee Child, die ihre Protagonisten jedes Jahr ein neues, zusehends uninspiriertes „Abenteuer“ erleben lassen, wirkt Katzenbachs Arbeit weit substanzieller und anspruchsvoller – auch mit seinem achtzehnten hierzulande veröffentlichten Roman. Dafür sorgen vor allem die psychologisch stimmigen Figuren, denen viel Raum zur Entwicklung gegeben wird.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen