Bentley Little – „Die Universität“

Dienstag, 22. Juli 2025

(Buchheim, 488 S., E-Book)
Bereits mit seinem 1990 veröffentlichten Erstling „The Revelation“, der zuvor seine Abschlussarbeit für den MA in Vergleichende Literaturwissenschaft an der California State University Fullerton gewesen war, erhielt Bentley Little den Bram Stoker Award für den besten Debütroman. Seither hat der publikumsscheue Amerikaner dreißig Romane und etliche Kurzgeschichten veröffentlicht, doch nie auch nur annähernd den Status seiner berühmten Kollegen Stephen King, Peter Straub, Dan Simmons oder Dean Koontz erreichen können. Warum das so ist, dokumentiert das 1994 veröffentlichte Frühwerk „The Night School“ aka „University“, das erst 2019 im Buchheim Verlag in deutscher Sprache unter dem Titel „Die Universität“ erschienen ist.
Als Chefredakteur der Universitätszeitung „Daily Sentinel“ der Brea Universität in Kalifornien stehen Jim Parker alle Möglichkeiten nach seinem Studium der Journalistik für die Zukunft offen. Dennoch verspürt er ein diffuses Unbehagen, nach dem Sommer wieder an die Brea zurückzukehren, doch nach einem Gespräch mit seiner Mutter lässt er seine Zweifel sausen. Die Entscheidung, wie geplant seinen Abschluss zu machen, wird durch die Bekanntschaft seiner Kommilitonin Faith Pullen versüßt, die es gar nicht erwarten konnte, aus dem Haus, das sie mit ihrer sexhungrigen Mutter und ihrem jüngeren Bruder Keith bewohnt hat, zu verlassen und ihr vierjähriges Studium an der Brea zu beginnen, wo sie einen Job in der Bibliothek ergattern konnte, um ihr Studium zu finanzieren.
Dr. Ian Emerson doziert in diesem Semester über Schauerliteratur und wird zu Beginn des Semesters von einem Mann namens Gifford darauf angesprochen, dass die Universität „getötet“ werden müsse, bevor das Böse zu übermächtig werde. Tatsächlich häufen sich die Gewalttaten an der Universität. Frauen werden vergewaltigt, Kleinwüchsige und Angehöriger anderer Rassen diskriminiert. Menschen verschwinden spurlos oder stürzen sich verzweifelt in den Tod. Während die Universitätspräsidentin und die Verwaltung alles daransetzen, um die Entwicklung kleinzureden und auf äußere Einflüsse zurückzuführen, ist auch Emerson mit der Zeit davon überzeugt, den Ratschlag von Gifford zu überdenken und eine Gruppe von Leuten um sich zu scharen, die den unheimlichen Ereignissen auf dem Campus entgegenzuwirken. Denn die Brutalität, mit der die Studenten mittlerweile agieren, lässt nichts Gutes ahnen…

„Mit dem Bösen ließ sich viel leichter umgehen, wenn es zufällig und ohne Plan auftrat. Wieder dieses Wort. Das Böse. Es war selbst in zeitgenössischer Horrorliteratur außer Mode geraten, wahrscheinlich weil es in Post-Clive-Barker-Zeiten als zu kulturrelativistisch erachtet wurde, aber es passte einfach. Dabei gab er nichts auf die jüdisch-christliche Vorstellung des Bösen, diesen belanglosen und eigentümlich personalisierten Glauben, der banale Schwächen wie Völlerei und Stolz als Todsünden betrachtete. Aber das mutwillige Herbeiführen von Leiden und Tod gehörte für ihn definitiv in diese Kategorie. Und genau das machte die Universität. Sie führte Tod und Leiden herbei, zu ihrem eigenen Vergnügen, wie Gifford Stevens behauptete.“ (S. 327)

Warum Bentley Little nicht in einer Liga beispielsweise mit dem „King of Horror“ spielt, wird bereits nach wenigen Seiten deutlich. Zwar gibt sich der Autor anfangs noch etwas Mühe, wenigstens zwei der Protagonisten, Jim und seine spätere Freundin Faith, mit einem persönlichen Hintergrund zu versehen, doch das im Buch thematisierte Böse der Universität wird schon zu Anfang nur unzureichend ebenso plump wie diffus beschrieben. Statt das Grauen langsam in den Alltag ganz normaler Menschen schleichen zu lassen, wie es Stephen King meisterhaft beherrscht, bedient sich Little der Holzhammer-Methode, vernachlässigt die Atmosphäre des klassischen Spukhaus-Horrors zugunsten voyeuristischer Schilderungen von hartem Sex, brutalen Vergewaltigungen und Splatter-Effekten, die bei Littles Kollegen Richard Laymon weitaus stimmiger zum Ausdruck kommen.
Die Beschreibung der zunehmend verstörenden Ereignisse an der Brea wirkt eher schlagwortartig und geht leider einher mit der plakativen Zeichnung der vielen Figuren, die den Plot unnötig in die Länge ziehen, worunter sowohl die Spannung als auch die Atmosphäre, vor allem aber die Glaubwürdigkeit leiden. Denn die Natur des Bösen erfährt bis zum Ende keine überzeugende Erklärung, so dass „Die Universität“ wie eine verunglückte Verkleidung für einen unoriginellen Torture-Porn-Plot im Gewand eines Horror-House-Schockers wirkt. Das kann Bentley Little definitiv besser.

David Baldacci – „Der Präsident“

(beTHRILLED, 577 S., E-book)
Seit David Baldacci Mitt der 2000er Jahre mit den Serien um die beiden Ex-Secret-Service-Agenten Sean King und Michelle Maxwell und den Camel Club Gefallen an – wenn zumeist auch nur kurzen - Romanreihen, an denen Erfolgsautoren wie James Patterson, Michael Connelly und Lee Child seit jeher arbeiten, gefunden hat, sind nur noch wenige alleinstehende Romane des ehemaligen Strafverteidigers und Wirtschaftsjuristen erschienen. Sein wichtigster Roman aus der überschaubaren Anzahl in dieser Hinsicht ist auch sein erster, wenn auch nicht bester gewesen, der unmittelbar nach Veröffentlichung von und mit Clint Eastwood verfilmte Thriller „Absolute Power“, der hierzulande von Bastei Lübbe unter dem Titel „Der Präsident“ verlegt und nun (zusammen mit den anderen Baldacci-Frühwerken) in dem Lübbe-E-book-Imprint beTHRILLED neu aufgelegt worden ist.
Der 66-jährige Luther Whitney hat seinen Lebensunterhalt als Einbrecher verdient und durch die vielen Jahren im Gefängnis die Beziehung zu seiner Tochter Kate zerrüttet, die als Protest gegen den Lebenswandel ihres Vaters Staatsanwältin geworden ist. Nun will Luther einen letzten großen Coup landen und dringt in das zuvor sorgfältig ausgekundschaftete und derzeit verlassene Anwesen des Milliardärs Walter Sullivan in Middleton, Virginia, ein. Er schaltet die Alarmanlage aus und ist gerade dabei, den Safe im Tresorraum am Schlafzimmer auszuräumen, als er bemerkt, dass er unerwünschten „Besuch“ bekommt. Luther versteckt sich im Tresorraum und beobachtet durch den Einwegfenster, wie ausgerechnet der verheiratete, stark angetrunkene und von Sullivan seit Jahren unterstützte US-Präsident Alan J. Richmond dessen junge Frau Christy zu brutalem Sex animieren will. Als sie sich lautstark mit einem Brieföffner in der Hand zu wehren versucht, stürmen die beiden Secret-Service-Agenten Bill Burton und Tim Collin den Raum und erschießen die Frau. Die ebenfalls im Haus anwesende Stabschefin Gloria Russell lässt die Situation von den beiden Männern bereinigen, doch stellen die Agenten dabei fest, dass es einen Zeugen gegeben haben muss, der nicht nur durch das Fenster getürmt ist, sondern auch den verräterischen Brieföffner hat mitgehen lassen. Luther türmt zunächst ins Ausland, doch als er die geheuchelte Ansprache des Präsidenten zu dem Mord an der Frau seines Freundes Walter Sullivan hört, beschließt er, den Präsidenten mit seinem Vergehen nicht davonkommen zu lassen. Dabei erhofft er sich Hilfe von Jack Graham, dem ehemaligen Lebensgefährten seiner Tochter, der nun als Anwalt in einer renommierten Kanzlei Karriere macht und der Kate nach wie vor liebt. Und auch der ermittelnde Detective Seth Frank zweifelt an den bisherigen Indizien und Beweisen in dem Fall. Der Präsident und seine ehrgeizige Stabschefin setzen allerdings alles daran, jedwede Zeugen und Beweise für immer verschwinden zu lassen. Doch die Rechnung haben sie ohne Luther gemacht…

„Luther holte den Brief aus der Tasche. Er wollte dafür sorgen, dass die Stabschefin ihn just zu dem Zeitpunkt erhielt, wo sie die letzten Anweisungen erwartete. Die Abrechnung. Sie alle würden bekommen, was ihnen zustand. Es war die Mühe wert, Russell Blut schwitzen zu lassen, und das tat sie, ganz bestimmt sogar. So sehr sich Luther auch bemühte, er konnte nicht vergessen, wie die Frau lustvoll den Präsidenten bestiegen hatte, neben einer noch warmen Leiche, als wäre die tote Frau ein Haufen Dreck, den man einfach links liegen ließ. Und dann Richmond. Dieser versoffene, schleimige Bastard!“ (S. 346)

Baldaccis Erstlingswerk ist auf einer spannenden Prämisse aufgebaut, nämlich den Verfehlungen eines selbstgefälligen, machthungrigen US-Präsidenten, dem sein von einem unfreiwilligen Zeugen beobachtete Fehltritt mit Todesfolge zum Verhängnis werden könnte. Der Autor spinnt allerdings ein allzu unglaubwürdiges Geflecht von Beziehungen und Intrigen, die der anfangs geschickt aufgebauten Spannung bald den Boden abgraben. Den Zufall, dass ein gewiefter Einbrecher (ausgerechnet) in einem mit einem Einwegfenster versehenen Tresorraum beobachtet, wie (ausgerechnet) der amerikanische Präsident Sex mit der Frau eines vermeintlichen Freundes hat, mag man noch mittragen, doch aus dem Katz- und Maus-Spiel zwischen den engsten Vertrauten des Präsidenten auf der einen und Luther und seinen Verbündeten auf der anderen Seite entwickelt sich ein allzu komplex konstruiertes und zunehmend unglaubwürdiges Intrigen-Puzzle. Dazu zählt leider auch die oberflächliche Psychologisierung der Figuren wie die klischeehafte Beziehung zwischen Jack Graham und der vom alten Geldadel abstammenden Jennifer Baldwin, die Graham zu lösen versucht, um wieder mit Kate zusammenzukommen, mit der er gemeinsam Kates Vater aus dem Dilemma zu befreien versucht. Ebenso unglaubwürdig wirkt das Gebaren der Stabschefin, die tatsächlich den stark alkoholisierten Zustand des von ihr verehren Präsidenten ausnutzt, um ihn noch am Tatort zu besteigen. Der dramaturgisch uneinheitlich aufgebaute Plot, die unzureichenden, stark klischeehaften Charakterisierungen und Motive der Figuren und die vielen unglaubwürdigen Zufälle und Entwicklungen überdecken dabei das fraglos vorhandene Talent eines Bestseller-Autors, der erst noch seinen Stil finden muss.

Austin Taylor – „Das Gefühl von Unendlichkeit“

Mittwoch, 2. Juli 2025

(Heyne, 398 S., HC)
Mit gerade mal 26 Jahren legt die in Maine geborene und lebende Austin Taylor ihr Romandebüt vor. Sie hat in Harvard Chemie und Englisch studiert und ihre dort gemachten Erfahrungen in ihren Erstling einfließen lassen, was dem Roman „Das Gefühl von Unendlichkeit“ von Beginn an einen authentischen Charakter verleiht.
Als Tochter eines renommierten MIT-Physikers ist Zoe Kyriakidis seit Kindertagen mit Studierenden aufgewachsen, die ihr Vater regelmäßig zum Abendessen mit nach Hause brachte und zwischen denen sie eingequetscht mühelos den anregenden Diskussionen folgte. Doch als sie im Alter von elf oder zwölf Jahren verstand, woran er forschte (Quantenfeldtheorie), erlahmte ihr Interesse, bis es einer Art von Rebellion wich. Der Wissenschaft blieb sie allerdings treu. Mit Bestnoten wurde sie in Harvard angenommen, studiert dort nun Chemie. Als sie während der Vorlesungen den aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Jack Leah kennenlernt, bekommt sie durch ihn eine der begehrten Assistenzstellen bei Professor David Li und arbeitet mit Jack zusammen an einer Gentherapie im Anti-Aging-Bereich. Während Jack fleißig im Labor experimentiert, arbeitet Zoe vor allem an der Theorie, die sie gemeinsam bei dem legendären Professor Brenna weiterverfolgen. Schon bald zeigen sich Investoren interessiert, was auch die Beziehungen zwischen Zoe, Jack und dessen Mitbewohner Carter verändert, der in das Start-up einsteigt. Zwar schafft es Zoe trotz des immensen Interesses der Medien und der Welt der Wissenschaft noch immer nicht, sich aus dem Schatten ihres größeren Bruders Alex zu lösen und die verdiente Anerkennung ihres Vaters zu erhalten, doch das Anti-Aging-Konzept macht so viele Schlagzeilen, dass Zoe mittlerweile viel Zeit damit verbringt, die Theorie zu vermarkten, Interviews zu geben und Reden zu halten – und sich in eine Beziehung mit Jack zu stürzen…

„Vermutlich würde der Professor sagen, dass es ihr um Ruhm ginge. Aber es hatte mehr mit Respekt zu tun. Oder damit, ernst genommen zu werden. Vielleicht auch mit Macht. Bei Jack war es wahrscheinlich das Geld. In gewisser Weise vielleicht auch Macht. Bestimmt nicht Ruhm – selbst wenn Journalisten ihn um ein Interview anflehten – alle waren von seinem verschlossenen Wesen fasziniert -, ließ er sie abblitzen. Zu viel Arbeit im Labor, sagte er. Bevor sie ein Paar wurden, hätte Zoe bei keinem der Götzenbilder an Lust gedacht, aber jetzt schon.“ (S. 234)

Doch wo Milliarden Dollar Umsatz gemacht werden, sind die Neider nicht weit und beginnen, in den Medien die Arbeit im Start-up schlechtzureden. Dass da weit mehr als nur ein Körnchen Wahrheit dran ist, entdeckt Zoe viel zu spät…
Will man Austin Taylors Debütroman „Das Gefühl von Unendlichkeit“ in wenigen Worten beschreiben, dürfte dabei eine Mischung aus Wissenschafts- und Liebesroman herauskommen, eine etwas vereinfachte Variante vielleicht von Sylvia Nasars Biografie über den genialen Mathematiker John F. Nash, die Ron Howard mit Russell Crowe und Jennifer Connelly in den Hauptrollen unter dem Titel „A Beautiful Mind“ erfolgreich verfilmt hat. Taylor nimmt sich die nötige, aber nicht übermäßige Zeit, Zoe Kyriakidis‘ Kindheit und Jugend im wissenschaftlichen Umfeld ihres Vaters zu beschreiben, untermauert ihr eigenes Wissen aus dem Chemie-Studium mit einer Vielzahl von Fachbegriffen, die die Idee von der Regeneration der Zellen bis zur Unsterblichkeit mehr oder weniger verständlich vor Augen führt. Das verleiht dem Thema einen hohen Grad an Authentizität, ist allerdings auch mit der Gefahr verbunden, hier bereits einen Teil der Leserschaft zu vergraulen. Dieses Risiko wird dadurch erhöht, dass wir Zoe noch nicht wirklich ins Herz geschlossen haben, weil wir noch zu wenig von ihr wissen. Es folgt die vertraute Geschichte vom Aufstieg und Fall eines vielversprechenden Start-up-Unternehmens, wobei wir mitverfolgen, wie Zoe eine Art Ménage à trois mit Jack und Carter führt, ohne dass die Motivationen der Beteiligten auch nur ansatzweise herausgearbeitet werden. Jacks Geschichte wird sogar erst im letzten Viertel aufgearbeitet.
Am Ende hat die Autorin versucht, recht viele Themen auf den 400 Seiten unterzubringen, wobei die wissenschaftliche Seite gefühlt am meisten Aufmerksamkeit erhalten hat. Die Liebesbeziehung zwischen Zoe und Jack sorgt für das emotionale Auf und Ab, das untrennbar mit der Geschichte des Start-ups verbunden ist. Das ist trotz der vielen Fachbegriffe angenehm flüssig zu lesen, voller Dramatik, die allerdings subtiler aufgebaut hätte werden können, ebenso die Charakterisierungen der Figuren, die abgesehen von Zoe und Jack nahezu nur als Statisten fungieren.