(Heyne, 398 S., HC)
Mit gerade mal 26 Jahren legt die in Maine geborene und
lebende Austin Taylor ihr Romandebüt vor. Sie hat in Harvard Chemie und
Englisch studiert und ihre dort gemachten Erfahrungen in ihren Erstling
einfließen lassen, was dem Roman „Das Gefühl von Unendlichkeit“ von
Beginn an einen authentischen Charakter verleiht.
Als Tochter eines renommierten MIT-Physikers ist Zoe
Kyriakidis seit Kindertagen mit Studierenden aufgewachsen, die ihr Vater
regelmäßig zum Abendessen mit nach Hause brachte und zwischen denen sie
eingequetscht mühelos den anregenden Diskussionen folgte. Doch als sie im Alter
von elf oder zwölf Jahren verstand, woran er forschte (Quantenfeldtheorie), erlahmte
ihr Interesse, bis es einer Art von Rebellion wich. Der Wissenschaft blieb sie
allerdings treu. Mit Bestnoten wurde sie in Harvard angenommen, studiert dort
nun Chemie. Als sie während der Vorlesungen den aus ärmlichen Verhältnissen
stammenden Jack Leah kennenlernt, bekommt sie durch ihn eine der begehrten Assistenzstellen
bei Professor David Li und arbeitet mit Jack zusammen an einer Gentherapie im
Anti-Aging-Bereich. Während Jack fleißig im Labor experimentiert, arbeitet Zoe
vor allem an der Theorie, die sie gemeinsam bei dem legendären Professor Brenna
weiterverfolgen. Schon bald zeigen sich Investoren interessiert, was auch die
Beziehungen zwischen Zoe, Jack und dessen Mitbewohner Carter verändert, der in
das Start-up einsteigt. Zwar schafft es Zoe trotz des immensen Interesses der
Medien und der Welt der Wissenschaft noch immer nicht, sich aus dem Schatten
ihres größeren Bruders Alex zu lösen und die verdiente Anerkennung ihres Vaters
zu erhalten, doch das Anti-Aging-Konzept macht so viele Schlagzeilen, dass Zoe mittlerweile
viel Zeit damit verbringt, die Theorie zu vermarkten, Interviews zu geben und Reden
zu halten – und sich in eine Beziehung mit Jack zu stürzen…
„Vermutlich würde der Professor sagen, dass es ihr um Ruhm ginge. Aber es hatte mehr mit Respekt zu tun. Oder damit, ernst genommen zu werden. Vielleicht auch mit Macht. Bei Jack war es wahrscheinlich das Geld. In gewisser Weise vielleicht auch Macht. Bestimmt nicht Ruhm – selbst wenn Journalisten ihn um ein Interview anflehten – alle waren von seinem verschlossenen Wesen fasziniert -, ließ er sie abblitzen. Zu viel Arbeit im Labor, sagte er. Bevor sie ein Paar wurden, hätte Zoe bei keinem der Götzenbilder an Lust gedacht, aber jetzt schon.“ (S. 234)
Doch wo Milliarden Dollar Umsatz gemacht werden, sind die
Neider nicht weit und beginnen, in den Medien die Arbeit im Start-up
schlechtzureden. Dass da weit mehr als nur ein Körnchen Wahrheit dran ist,
entdeckt Zoe viel zu spät…
Will man Austin Taylors Debütroman „Das Gefühl von
Unendlichkeit“ in wenigen Worten beschreiben, dürfte dabei eine Mischung
aus Wissenschafts- und Liebesroman herauskommen, eine etwas vereinfachte
Variante vielleicht von Sylvia Nasars Biografie über den genialen
Mathematiker John F. Nash, die Ron Howard mit Russell Crowe
und Jennifer Connelly in den Hauptrollen unter dem Titel „A Beautiful
Mind“ erfolgreich verfilmt hat. Taylor nimmt sich die nötige, aber
nicht übermäßige Zeit, Zoe Kyriakidis‘ Kindheit und Jugend im wissenschaftlichen
Umfeld ihres Vaters zu beschreiben, untermauert ihr eigenes Wissen aus dem
Chemie-Studium mit einer Vielzahl von Fachbegriffen, die die Idee von der
Regeneration der Zellen bis zur Unsterblichkeit mehr oder weniger verständlich
vor Augen führt. Das verleiht dem Thema einen hohen Grad an Authentizität, ist
allerdings auch mit der Gefahr verbunden, hier bereits einen Teil der
Leserschaft zu vergraulen. Dieses Risiko wird dadurch erhöht, dass wir Zoe noch
nicht wirklich ins Herz geschlossen haben, weil wir noch zu wenig von ihr
wissen. Es folgt die vertraute Geschichte vom Aufstieg und Fall eines
vielversprechenden Start-up-Unternehmens, wobei wir mitverfolgen, wie Zoe eine
Art Ménage à trois mit Jack und Carter führt, ohne dass die Motivationen der
Beteiligten auch nur ansatzweise herausgearbeitet werden. Jacks Geschichte wird
sogar erst im letzten Viertel aufgearbeitet.
Am Ende hat die Autorin versucht, recht viele Themen auf den
400 Seiten unterzubringen, wobei die wissenschaftliche Seite gefühlt am meisten
Aufmerksamkeit erhalten hat. Die Liebesbeziehung zwischen Zoe und Jack sorgt
für das emotionale Auf und Ab, das untrennbar mit der Geschichte des Start-ups
verbunden ist. Das ist trotz der vielen Fachbegriffe angenehm flüssig zu lesen,
voller Dramatik, die allerdings subtiler aufgebaut hätte werden können, ebenso
die Charakterisierungen der Figuren, die abgesehen von Zoe und Jack nahezu nur
als Statisten fungieren.