Dean Koontz - „Der Wächter“

Sonntag, 13. Juni 2010

(Heyne, 736 S.)
Dean Koontz ist in den 80ern einer der herausragenden Protagonisten gewesen, der im Zuge der Stephen-King-Erfolgswelle zusammen mit Clive Barker, Peter Straub und Ramsey Campbell frischen Wind in das bis dahin blutleere Horror-Genre gepumpt hat. Mittlerweile ist er zu einem stilistisch versierten Thriller-Autor avanciert, der geschickt die tiefsten Ängste des Menschen in der modernen Zivilisation thematisiert.
In seinem neuen umfangreichen Roman begleitet er zunächst Ethan Truman, der als Sicherheitschef des höchst erfolgreichen Schauspielers Channing Manheim in letzter Zeit verschiedene mysteriöse Päckchen in Empfang genommen hat. Nachdem die ersten Sendungen noch kommentarlos Schnecken, Käfer und zehn von Leichen abgetrennte Vorhäute enthielten, wird Truman beim nächsten Päckchen nervöser – dem aufgetrennten und wieder säuberlich zugenähten Apfel, der in seinem Inneren ein Puppenauge enthält, liegt diesmal eine mysteriöse Botschaft bei. Die Überwachungskameras des alten wie riesigen Anwesens haben aber den Überbringer, den weitaus weniger erfolgreichen Schauspieler Rolf Reynerd, aufzeichnen können, weshalb zunächst Truman, dann auch sein ehemaliger Polizei-Kollege Hazard Yancy ihn aufsuchen. Wenig später wird Reynerd ermordet, dann verschwindet Trumans alter Jugendfreund Dunny Whistler von einer Bahre in der Pathologie und scheint auf einmal wieder quicklebendig.
Während Truman bei seinen Ermittlungen immer wieder von höchst real wirkenden Halluzinationen heimgesucht wird, macht sich Corky Laputa daran, mit kostenlosen Ecstasy-Päckchen und Halluzinogenen-getränkten Karamellbonbons den Wahnsinn zu verbreiten. Bei allem Engagement, die Ursache für die merkwürdigen Sendungen herauszufinden, wird gar nicht bemerkt, dass Channings kleiner Sohn Aelfric von einem mysteriösen Anrufer bedroht wird ... Dean Koontz erweist sich wieder als Meister seines Fachs: Mit brillantem Spannungsaufbau, großem psychologischem Feingefühl und einer Prise Humor schuf er einen von Beginn an absolut packenden Psycho-Thriller in bester „Schweigen der Lämmer“-Manier.

Peter Straub - “Magic Terror” + “Pork Pie Hat”

Nach der 1993 veröffentlichten Kurzgeschichtensammlung „Haus ohne Türen“ liegt mit „Magic Terror“ endlich eine weitere, höchst unterhaltsame Kollektion von Short Storys des versierten Horror-Autors Peter Straub vor, der nicht nur wegen seiner über 10 Millionen aufgelegten Bücher neben Stephen King, Dean Koontz und Clive Barker als führende Stimme im Grusel-Genre betrachtet wird.
Mit den sieben hier veröffentlichten Stories blickt der gebürtige Brite Straub einmal mehr sprachgewandt und voll makabrem Witz hinter die Fassade wohlanständiger Bürgerlichkeit und zerrt den Leser gnadenlos in den blutrünstigen Rachen des Grauens, das in Kindergärten („Zena“), in den Hütten schlimmer Wohnviertel („Pork Pie Hat“), eben einfach überall zu herrschen scheint. Dadurch, dass Straub viele seiner Storys als Ich-Erzähler verfasst, wird der Leser von früh an mit den irritierenden, grotesken, abgeklärten und schrecklichen Gedanken und Gefühlen vertraut, die den blutigen Horror ganz langsam, aber unaufhaltsam heraufbeschwören. Ob nun eine Kindergärtnerin ihre Macht über die ihr anvertrauten Kinder missbraucht, zwei Jungs in einer abgelegenen Hütte beobachten, wie eine Frau vergewaltigt und umgebracht wird, oder ein Vietnam-Veteran die Geister der Vergangenheit nicht abschütteln kann, stets kitzelt Straub geschickt den richtigen Nerv und sorgt damit für angenehme Gänsehaut. (Heyne, 432 Seiten, Tb.)
Wer neben spannendem Nervenkitzel auch noch eine edle Aufmachung schätzt, kann die in „Magic Terror“ enthaltene Geschichte „Pork Pie Hat“ auch in gebundener Ausgabe im schwarzen Samtschuber erstehen. Die Story handelt nur vordergründig von einem Jazz-Liebhaber, der die Gelegenheit erhält, ein Interview mit einem seiner großen Idole zu machen. Im Grunde genommen geht es um die Geschichte, die der sogenannte Hat aus seiner Kindheit zu erzählen hat, von einer schrecklichen Beobachtung, die er mit seinem Freund Dee in einer Halloween-Nacht machen musste. Die 200 handnummerierten Exemplare des Buchs sind mit stimmungsvollen Zeichnungen von Reinhard Kleist illustriert, der die einzelnen Bücher zusammen mit dem Autor auch signiert hat. (Edition Phantasia, 147 Seiten, HC., im Samtschuber)

Peter Straub - „Haus der blinden Fenster“

(Heyne, 379 S., Tb.)
Die Idylle der amerikanischen Kleinstadt Millhaven wird empfindlich gestört, als zwei Jungen im Teenager-Alter spurlos verschwinden und die Angst vor einem Serienkiller die Runde macht. Der fünfzehnjährige Mark und sein Kumpel Jimbo hält dies aber kaum davon ab, weiterhin ihre Runden mit dem Skateboard durch den Ort zu ziehen, bis Mark auf ein versteckt liegendes Haus aufmerksam wird, das direkt an das Grundstück seines Vaters angrenzt. Allein irritiert von der Tatsache, dass ihm dieses Haus vorher nie aufgefallen ist, fesselt den Jungen dermaßen, dass er fast jede Minute das Haus beobachtet, in dem er einen großen Mann und ein junges Mädchen gesehen zu haben glaubt. Wenig später findet Mark seine Mutter tot in der Badewanne vor, mit aufgeschlitzten Pulsadern und einer Plastiktüte auf dem Kopf.
Fest davon überzeugt, dass das Haus schuld an ihrem Tod ist, wagt er sich mit Jimbo auf eine waghalsige Besichtigung des Hauses, in dem er in einem Geheimversteck ein Fotoalbum findet, das ihm erste Hinweise auf die Identität des Bewohners liefert. Dann verschwindet auch Mark… Als Marks Onkel, der bekannte Schriftsteller Timothy Underhill, seinen Bruder Philip trösten will, nachdem dieser Frau und Sohn verloren hat, macht er sich auf Spurensuche und findet weit mehr als den so genannten Sherman-Park-Killer… In Peter Straubs neuen Roman geht es weniger um die Suche nach einem Serienkiller, als um das ganz besondere Geheimnis, das das Haus und Marks Verschwinden umgibt. Meisterhaft und spannend erzählt ist „Haus der blinden Fenster“ besonders Fans von Stephen Kings „Atlantis“ oder „Es“ zu empfehlen.

Peter Straub - „Esswood House“

(Edition Phantasia, 165 S., Pb.)
Von Peter Straub, der mit seinem Freund Stephen King die Romane “Der Talisman” und “Das schwarze Haus” und selbst mit Werken wie „Koko“, „Der Hauch des Drachen“ und „Geisterstunde“ Meisterwerke der Horror- und Fantasy-Literatur verfasst hat, liegt mit „Esswood House“ jetzt eine bereits 1990 erschienene Geschichte vor, die alle guten Zutaten einer feinen Geisterhausgeschichte enthält.
Der amerikanische Professor William Standish erhält gerade dann die Zusage für ein Stipendium des englischen Esswood House, als seine Frau Jean schwanger wird. Trotz ihrer Bedenken und Einwände tritt Standish die Reise an, um drei oder vielleicht sogar vier Wochen lang die Unterlagen und Manuskripte seiner Großmutter Isobel Standish zu studieren, die 1912 in einer Kleinstauflage das schmale Bändchen „Crack, Whack and Wheel“ veröffentlichte, aber wie ihre berühmten Kollegen Henry James, D.H. Lawrence, T.S. Eliot oder Virginia Woolf ein gern gesehener Gast im Esswood House war. Mit einer Arbeit über das Werk seiner Großmutter hofft Standish seine akademische Karriere zu festigen. Die Fahrt vom Flughafen zum abgelegenen Haus führt ihn zunächst nach Hackstall, wo ihm der Wirt eines Pubs erzählt, dass in Esswood House mal ein Amerikaner ermordet wurde, doch Robert Wall, sein Gastgeber von Esswood House, will von diesem Vorfall nichts wissen, wohl aber von einer Tragödie, die in Hackstall stattgefunden haben soll. Als einziger Stipendiat in Esswood House wird Standish zunehmend von Albträumen geplagt, oft ist ihm schlecht und schwindlig, und seine Recherchen enthüllen wahnwitzige Dinge, die ihn allmählich an seinem eigenen Verstand zweifeln lassen ... Straub zieht seine Leser mit präzisem Geschick unentrinnbar in einen Sog von mysteriösen Ereignissen, die Wahn und Wirklichkeit zunehmend verschwimmen lassen… Straub hat diese Geschichte bereist als „Frau Gott“ in kürzerer Version in seinem Story-Band „Haus ohne Türen“ veröffentlicht, sie aber im Stile von Robert Aickman noch erweitert und mysteriöser gestaltet.

Stephen King/Peter Straub - „Das Schwarze Haus“

Samstag, 12. Juni 2010

(Heyne, 832 S., HC)
Bereits 1984 ließen der Horror-King und der geschätzte britische Fantasy-Autor Straub in ihrer ersten gemeinsamen Arbeit, dem Fantasy-Epos „Der Talisman“ den damals 12-jährigen Jack Sawyer zwischen den Welten hin- und herflippen. Mittlerweile hat er Karriere als Detective mit außergewöhnlichem kriminalistischem Spürsinn gemacht, seinen Job aber bereits an den Nagel gehängt. Er kehrt von Los Angeles in das verträumte French Landing in den Wäldern Wisconsins zurück, wo er vor Jahren einen brutalen Kindermörder dingfest gemacht hat.
Eigentlich wollte er sich hier nur ein Häuschen kaufen, um - gerade mal dreißigjährig - einen ruhigen Lebensabend zu verbringen, doch sehr bald wird er von seinem Freund Dale Gilbertson, dem hiesigen Polizeichef, um Hilfe bei der Ermittlung von Kindesentführungen gebeten. Einige dieser Kinder tauchen nach Hinweisen des brutalen Killers teilweise verstümmelt wieder auf. Um den „Fisherman“ zu stellen, sieht sich Sawyer gezwungen, mit seinen Freunden wieder in die „Territorien“, in die „Anderwelt“ zu flippen... 
Was auf den ersten 400 Seiten ziemlich wirr und zäh beginnt, entwickelt sich zumindest in der zweiten Hälfte zu einem packenden Psycho-Thriller in bester Hannibal-Lecter-Tradition, nur dass dabei noch Fantasy-Elemente, unter anderem auch der Revolvermann und der Dunkle Turm eine Rolle spielen.

 

Stephen King – „Der Sturm des Jahrhunderts“

(Heyne, 478 S., HC) Nach dem Todestrakt-Thriller „The Green Mile“, dem Dark-Fantasy-Epos „Glas“ und dem Psycho-Schocker „Sara“ wagt Stephen King mit „Der Sturm des Jahrhunderts“ ein Experiment, das ihn zwar nicht wie gewohnt an die Spitze der Bestsellerlisten führte, aber dennoch lesenswert ist. Es handelt sich nämlich um ein Drehbuch, das eben neben den kurzen Szenebeschreibungen in reiner Dialogform geschrieben ist. Der Plot der spannenden Geschichte ähnelt etwas dem von „Needful Things“ und ist deshalb ebenso prädestiniert für eine packende Verfilmung.
Nachdem nämlich ein orkanartiger Sturm die Küste von Maine zu verwüsten drohte, haben etliche Einwohner der vor der Küste liegenden Insel Little Tall Island ihre Heimat verlassen. Während die verbliebenen Inselbewohner ihr Hab und Gut zu sichern versuchen, wird die 80jährige Martha ermordet. Sheriff Mike Anderson kann mit dem mysteriösen Fremden Andre Linoge zwar den mutmaßlichen Täter festnehmen, doch verfügt dieser über die Macht, anderen Menschen seinen Willen aufzuzwingen und sie zu Morden und Selbstmorden anzustiften. Mit seiner Forderung, ihm ein Kind zu übergeben, um das grausige Spiel zu beenden, stürzt er die idyllische Inselgemeinde in einen schweren Gewissenskonflikt. So spannend die Geschichte an sich ist, muss man sich nicht nur erst an den Dialogstil gewöhnen, sondern wird auch die dadurch fehlende Beschreibung der unheilschwangeren, dichten Atmosphäre vermissen, die King bei seinen Romanen so vortrefflich beherrscht und damit seine Leser in den Würgegriff des Grauens nimmt.

Stephen King – „Sara“

(Heyne, 607 S., HC)
Zum Glück lässt Stephen King seine treuen Leser selten länger als ein Jahr auf ein neues, natürlich auch stets umfangreiches Werk warten. Und es ist nicht mal ein Jahr vergangen, bis auf den wunderbaren vierten Band der Saga vom Dunklen Turm, „Glas“, Stephen Kings Roman „Sara“ erschienen ist, womit sich der Meister des Schreckens auf recht vertrautes Terrain begibt.
Wie schon in „Sie“ und „Stark - The Dark Half“ behandelt King das Seelenleben eines Schriftstellers. Diesmal geht es nicht um die alptraumhafte Verbindung zwischen einem Bestsellerautor und seinem „größten Fan“ oder um den bösen Zwillingsbruder, der sein Unwesen im Geist eines Autors treibt, sondern um die seltsame Beziehung zwischen dem Bestsellerautor Michael Noonan und seinem Sommerhaus namens „Sara“, das er seit genau dem Tag nicht mehr betreten hat, als seine Frau an einem Gehirnschlag unerwartet gestorben ist. Die Trauer über den schmerzlichen Verlust ließ Noonan keine Zeile mehr aufs Papier bringen, doch da in seinen Alpträumen immer wieder das Sommerhaus auftaucht, stellt er sich seiner Vergangenheit, sucht das Haus auf und findet nicht nur die Kraft zum Schreiben wieder, sondern durch die Bekanntschaft von Mattie und ihrer Tochter auch neuen Lebensmut. Doch die heile Welt, die wieder zurückzukehren scheint, ist nur von kurzer Dauer. Bald muss Noonan feststellen, dass ein Fluch über dem Haus liegt, dessen Geheimnis er im Ort zu ergründen versucht. Einmal mehr gelingt es Stephen King, den Leser schnell mit der von ihm erdachten Welt vertraut zu machen und eine mühelose Identifizierung mit seinem tragischen Helden zu erreichen. Dabei schreibt er wie gewohnt äußerst spannend und lässt subtil die Anziehungskraft des Bösen, dem Noonan bei seinen Recherchen ausgeliefert wird, deutlich werden. Man wird auch diesen King nicht eher aus der Hand legen wollen, bis man zur letzten Seite vorgedrungen ist.