Don Winslow – „Die Sprache des Feuers“

Dienstag, 15. Oktober 2024

(Suhrkamp, 420 S., Pb.) 
Mit seinen Romanen um die Drogendealer Ben und Chon („Zeit des Zorns“, „Kings of Cool“) sowie die monumentale Reihe um den US-Drogenfahnder Art Keller (u.a. „Tage der Toten“, „Das Kartell“) hat Don Winslow nicht nur die internationalen Bestseller-Listen erobert, sondern durfte sich u.a. auch über den „Deutschen Krimi Preis 2011“ freuen. Mittlerweile hat Winslow eine Vielzahl weiterer – auch verfilmte - Einzelromane und Reihen veröffentlicht, mit denen er seine Meisterschaft, spannende Geschichten zu erzählen, immer wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat. Dazu zählt auch der im Original 1999 veröffentlichte Thriller „Die Sprache des Feuers“
Da keine Stellen im Morddezernat vom Orange County Sheriff Department frei waren, hat Jack Wade eine steile Karriere in der Abteilung für Brandstiftung gemacht und mit der attraktiven Kollegin Letty del Rio auch in der Beziehung das große Los gezogen. Doch der offensichtlich vorsätzlich gelegte Brand des Teppichlagers von Kazzy Azmekian wird Wade zum Verhängnis, weil er sich in Ermittlungen gegen die Russenmafia einmischt und sowohl Job als auch Freundin verliert. 
Nun wird er als Brandermittler der Versicherung California Fire & Life zu einem abgebrannten Haus geschickt, bei dem die Überreste der 34-jährigen Pamela Vale von den Sprungfedern ihres Bettes gekratzt werden müssen. Während sein Kollege Brian Bentley schnell dabei ist, den Brand als Unfall zu deklarieren, der durch den Wodka-Konsum der vermeintlichen Alkoholikerin und eine brennende Zigarette verursacht wurde, nimmt Wade das Haus näher in Augenschein und stößt nicht nur auf verschiedene Brandherde, sondern auch ein schlagkräftiges Motiv: Pamelas Mann Nicky, einst mit seinen Immobiliengeschäften der große Zampano im angesagten Dana Strands, steckt mächtig in den Miesen. Das überversicherte Haus mit dem wertvollen, antiquarischen Inventar würde ihm bei einer Schadensregulierung zu seinen Gunsten den Arsch retten. 
Doch egal, wie sehr Jack Wade sich zu beweisen bemüht, Vale den Mord an seiner Frau anzuhängen, scheinen alle daran interessiert zu sein, den Schaden zu regulieren. Es geht schließlich um Versicherungsprämien und den wachsenden Einfluss der Russenmafia. Der Brandermittler hat jedoch vor allem im Sinn, der ermordeten Frau Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und den Tathergang überzeugend zu rekonstruieren: 
„Das Feuer schreibt seine Chronik selbst. Es ist so verdammt stolz auf sich, denkt Jack, dass es gleich anfängt zu reden, dir alles erzählt, was passiert ist. Deshalb steht Jack gleich am nächsten Morgen im Schlafzimmer der Vales. In diesem schwarzen Loch, wo es passierte, und er bleibt still stehen, um das Flüstern des Feuers zu hören. Na los, flüstert es, du bist doch so schlau. Lies mich. Ich habe dir alles aufgeschrieben, aber du musst meine Sprache verstehen.“ (S. 139) 
Mit wenigen kurzen Kapiteln versteht es Winslow, sein Publikum gleich zu Beginn in eine verzwickte Story hineinzuziehen, in der es natürlich um weit mehr geht, als nur einen Brand mit Todesfolge aufzuklären. Winslow hat mit Jack Wade einen sympathischen Protagonisten geschaffen, der mit viel Enthusiasmus „die Sprache des Feuers“ versteht, wobei ihm sein strenger Sinn der Wahrheitsfindung das Genick zu brechen droht, wie es ihm in der Vergangenheit bereits einige Knüppel zwischen die Beine geworfen hat. Winslow macht sich dabei sogar die Mühe, die Gesetzmäßigkeiten des Feuers haargenau und plastisch zu erläutern, ohne einen wissenschaftlichen Diskurs zu veranstalten. 
Vor allem gelingt es ihm in der Folge, in parallel verlaufenden Handlungssträngen und erhellenden Rückblicken das Geflecht aus wirtschaftlichen Interessen, juristischen Fallstricken und mafiösen Strukturen gerade die Elemente herauszuarbeiten, die der Story den besonderen Pfiff verleihen und die Spannung sukzessive zu erhöhen. 
Die leicht verständliche, pointierte Sprache, die kurzen, stakkatoartig aneinandergereihten Sätze, die messerscharfen Dialoge und der kompromisslos harte Plot machen „Die Sprache des Feuers“ zu einem rasanten, fesselnden und temporeichen Thriller der Extraklasse.


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