Kathleen Collins – „Nur einmal“

Samstag, 6. Oktober 2018

(Kampa, 188 S., HC)
Die Entstehungsgeschichte bzw. – viel eher – die Entdeckung von Kathleen Collins‘ Storys-Sammlung „Nur einmal“ liest sich selbst schon wie ein filmreifes Märchen. Die 1942 in New Jersey geborene Collins hat sich vor allem einen Namen als politische Aktivistin einen Namen gemacht, die sich 1962 für das Wahlrecht der Schwarzen in Georgia einsetzte, und wird heute als Pionierin des afroamerikanischen Films gefeiert. Was allerdings niemand außer ihrer Tochter Nina zu wissen schien: Kathleen Collins schrieb auch druckreife Geschichten, die sie allerdings in einem Karton verstaute.
Nachdem Collins 1988 an den Folgen ihrer Brustkrebserkrankung verstorben war und der Karton in den Besitz ihrer Tochter überging, wanderte die ungeöffnete Kiste vom Couchtisch zum Bett und in den Keller, bis sich Nina nach fast zwei Jahrzehnten endlich traute, in den Karton zu schauen. Was sie dort neben Drehbüchern, Briefen, Theaterstücken und einem Tagebuchfand, zählt zu den großen literarischen Entdeckungen der letzten Jahre.
In ihren sehr persönlichen Geschichten erzählt Collins nämlich von den schwierigen Kämpfen der Bürgerrechtsbewegung, von den gemeinsamen Bemühungen, schwarzer und weißer Menschen, die Rassentrennung aufzuheben und den Schwarzen ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit und Liebe zu führen. So erzählen in „Innen“ ein Mann und eine Frau jeweils von ihren Träumen. Er braucht Raum zum Improvisieren, weil es schon genügend Tage ohne Musik im Leben gibt; sie lässt eine kleine Blockhütte, in die sie sich zurückgezogen hatte, nachdem sie das erste Mal von ihrem Mann verlassen worden war, in Flammen aufgehen, illustriert Kinderbücher, widmet sich ihrem Kräutergarten und wünscht sich nichts sehnlicher als ein Kind.
In „Wie sagt man“ besucht eine junge schwarze Frau aus New Jersey die Summer School in Maine, um Französisch zu sprechen – mit einer Frisur, die ihren Vater wütend machte, weil sie damit so aussah wie „alle farbigen Mädchen“. Besonders eindringlich ist die Geschichte „Was ist nur aus der Liebe zwischen den Rassen geworden?“, in der Collins von zwei Bewohnerinnen unterschiedlicher Hautfarbe erzählt, die 1963 in einer Wohnung in der Upper West Side leben. Die zweiundzwanzigjährige Weiße hat gerade das College absolviert und arbeitet als Community Organizer, die einundzwanzigjährige Schwarze kommt frisch aus dem Gefängnis und ist einen weißen, unbeugsamen Freedom Rider verliebt.
„In jenem Sommer war sie völlig unerwartet zu einer verblüffenden Erkenntnis gelangt: Sie konnte jeden heiraten, nicht nur einen farbigen Arzt /Anwalt / Lehrer / Professor, sondern jeden. Einen mexikanischen Lastwagenfahrer. Einen japanischen Psychiater. Einen südafrikanischen Journalisten. Jeden. Sogar einen Weißen.“ (S. 43f.)
Doch von der Erkenntnis zum glücklichen Erleben ist es ein weiter, steiniger Weg. Immer wieder stoßen die jungen Frauen in Collins‘ Geschichten an die Grenzen der Wirklichkeit. Wenn schon in der eigenen Familie Überzeugungsarbeit geleistet werden muss, wie schwierig ist es erst, Andersfarbige / Andersdenkende mit auf den Weg zu nehmen? Was „Nur einmal“ so lesenswert macht, ist nicht nur die sehr persönliche Note, die das unermüdliche Anrennen gegen die kleinbürgerlichen Moralvorstellungen so nahbar und authentisch machen, sowie der trotz allem humorvolle Ton, die erotischen Wunschvorstellungen und die Sehnsucht nach Liebe, die meist unerfüllt bleibt.

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