Als der Amerikaner Bob Brown vor dreißig Jahren noch einfacher Mechaniker war und die damals dreiundzwanzigjährige Goldie Delphy in einer Bar kennenlernte, war es ihr gemeinsamer Traum, einmal in ihrem Leben nach Paris zu reisen, doch dann machte Bob Karriere bei Harley Davidson, zwei Kinder kamen zur Welt, und ihre Reisen führten sie nie über die Grenzen der Vereinigten Staaten hinaus. Und nun war Goldie unheilbar an Leukämie erkrankt und seit zwei Monaten in einem tiefen Koma, aus dem sie wahrscheinlich nicht wieder aufwachen würde.
Also unternimmt Bob die längst geplante Reise allein und landet in der Ferienwohnung einer kleinen Hausgemeinschaft am Montmartre. Dort überrascht der kleinkarierte Hausvorsteher Hubert zwei jugendliche Einbrecher, worauf die aufgeregte Gemeinschaft zur Beruhigung erst einmal ein edles Tröpfchen zu sich nehmen muss. Das sind neben Hubert und Bob die Restauratorin Magalie (die wegen ihres Gothic-Looks wie die bekannte Darstellerin aus „Navy CIS“ aussieht und deshalb nur Abby genannt wird) und der unsterblich in sie verliebte Barmann Julien, der sich gerade erst eine Eigentumswohnung dort gekauft hat. Interessanterweise handelt es sich bei dem Wein um eine Flasche vom Weinberg Saint-Antoine stammende Cuvée aus dem Jahr 1954, jenem Jahr, an dem ein UFO über den Weinbergen gesichtet wurde.
Und so landet die situationsbedingt zusammengewürfelte Trinkgemeinschaft plötzlich im Jahr 1954, wo sie sich völlig neu orientieren müssen, aber auch hier, in einer anderen Zeit, tiefe Gefühle für sich entdecken …
„Sie standen einander in der Stille der Nacht gegenüber, mit diesem Schwindelgefühl, das dem ersten Kuss vorangeht. Man weiß, dass er stattfinden und die Liebe, die keine Worte braucht, besiegeln wird. Es ist unausweichlich, nur noch eine Frage von Sekunden. Etwas kaum Merkliches wird das Signal geben – eine Bewegung, ein Wimpernschlag, ein plötzliches Aufleuchten der Pupillen.“ (S. 194)Der in Paris lebende Drehbuchautor und Buchhändler Antoine Laurain („Liebe mit zwei Unbekannten“, „Der Hut des Präsidenten“) versteht es auch mit seinem neuen Roman, einem wieder recht schmalen Bändchen von gerade mal 250 Seiten, seinen Lesern die Stadt der Liebe in ebenso poetischer wie fantasievoller Weise nahezubringen. In „Ein Tropfen vom Glück“ bringt er vier ganz unterschiedliche Charaktere zu einem geselligen Abend zusammen, der außergewöhnliche Folgen nach sich zieht, nämlich eine Zeitreise ins Jahr 1954, wohin auch übrigens Juliens Urgroßvater reist, der 1978 von dem 54er Jahrgang getrunken hatte. Das bringt natürlich einige Komplikationen mit sich, aber auch wunderbare, unverhoffte Begegnungen mit Prominenten wie Jean Gabin, Édith Piaf und Audrey Hepburn, vor allem aber berauschende Gefühle, die sich vor den charmanten Kulissen der französischen Metropole ganz besonders entfalten können. Bei all den Herausforderungen, die so eine Zeitreise mit sich bringt, und den zwischenmenschlichen Leidenschaften, kommen die Charakterisierungen der einzelnen Figuren etwas kurz, so dass sich der Leser vor allem an den poetischen Schilderungen der nostalgischen Eindrücke und der emotionalen Turbulenzen erfreut.
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