(Heyne, 588 S., HC)
Stephen King hat seit seinen frühesten
Veröffentlichungen immer wieder starke Frauen in den Mittelpunkt seiner
Erzählungen gerückt, am bekanntesten dürften wohl „Carrie“, „Sie“ und „Dolores“
sein, aber auch in dem weniger bekannten, weil verständlicherweise noch nicht
verfilmten Roman „Das Bild – Rose Madder“ stellt der „King of Horror“ eine zunächst
über Jahre gedemütigte Hausfrau in den Fokus einer Geschichte, die abgesehen
von dem übernatürlichen Element keine großen Überraschungen präsentiert.
Seit vierzehn Jahren ist Rose mit dem Polizisten Norman
Daniels verheiratet, doch die Ehe erweist sich seit ihrem achtzehnten
Lebensjahr als Hölle auf Erden. Immer wieder tickt ihr Mann regelrecht aus und
verprügelt sie nach Strich und Faden, wobei er eine besondere Vorliebe für ihre
Nieren entwickelt. Bei einem seiner Gewaltausbrüche erleidet Rose eine
Fehlgeburt, doch eines Tages genügt ein einzelner Blutstropfen auf dem
Bettlaken, der Rose zur Besinnung kommen lässt. Sie nimmt die BankCard ihres
Mannes an sich, hebt 300 Dollar vom Konto ab und marschiert zwei Stunden durch
die Stadt, bis sie sich mit dem Taxi zum Busbahnhof Portside bringen lässt und
mit dem nächstmöglichen Bus in eine 500 Meilen entfernte Stadt fährt. In der
Hoffnung auf Hilfe und Orientierung wendet sich Rose an einen Mitarbeiter von
Traveller’s Aid, der ihr die Adresse eines Frauenhauses gibt, das von dessen
Ex-Frau Anna Stevenson geführt wird. Während Rose ihren Mädchennamen McClendon
angenommen hat und trotz ihrer Angst vor ihrem Mann ihr Leben langsam in den
Griff bekommt, lässt Norman Daniels natürlich nichts unversucht, um mit Rose
mal wieder „aus der Nähe“ zu sprechen, wobei ihn sein detektivischer Instinkt
tatsächlich bis zu Daughters and Sisters führt. Doch bis es so weit ist, hat Rose
bereits eine eigene Wohnung, einen einträglichen Job als Hörbuch-Sprecherin und
einen Verehrer namens Bill gewonnen, in dessen Pfandleihhaus sie ihren Ehering
ging ein Bild eingetauscht hat, das sich in Roses Wohnung zu verändern scheint.
Aber auch Norman macht auf der Suche nach Rose eine fundamentale Veränderung
durch, als in einem Park einem Jungen die Stiermaske wegnimmt, die zu einem
unauslöschlichen Teil seiner selbst wird…
„Wie kann das sein? fragte er sich bestürzt. Wie kann
das möglich sein? Es ist doch nur ein alberner Jahrmarktspreis für Kinder! Ihm
fiel keine Antwort auf diese Frage ein, aber die Maske löste sich nicht, wie
fest er auch daran zog, und ihm wurde mit übelkeiterregender Deutlichkeit
bewusst, wenn er die Nägel hineingraben würde, würde er Schmerzen verspüren. Er
würde bluten. Und tatsächlich hatte die Maske nur noch eine Augenöffnung, die
mitten ins Gesicht gewandert war. Seine Sicht durch diese Öffnung war dunkler
geworden; das zuvor helle Mondlicht schien wolkenverhangen zu sein.“ (S.
535)
Mit „Rose Madder“, so der schlichte Originaltitel,
der sich in erster Linie auf die Signatur des mysteriösen Bildes bezieht, das
für den märchenhaften Subplot verantwortlich zeichnet, erzählt Stephen King
in erster Linie die natürlich tragische, ansonsten leider sehr gewöhnliche
Geschichte einer in der Ehe brutal missbrauchten Frau, wobei sowohl Rosie als
auch ihr Mann Norman erschreckend klischeehaft gezeichnet sind. Erschwerend für
die Glaubwürdigkeit der Geschichte kommt aber der Gegenentwurf des braven,
zuvorkommenden Bill hinzu, der wie ein Ritter in strahlender Rüstung erscheint
und die Geschichte zu einem zuckersüß kitschigen Ende führt. Und auch die
Episode mit dem Bild, das sich vor den Augen seiner Besitzerin verändert und Rose
schließlich mitten in die gemalte Szenerie zieht, wirkt eher wie ein
Fremdkörper, der nur eingefügt wurde, um der trivialen Geschichte einen mythischen
King-Touch zu verleihen. Leider geht der Schuss hier nach hinten los. „Das
Bild – Rose Madder“ zählt so leider zu den langweiligeren Büchern von Stephen
King.
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