Mari Jungstedt - „Den du nicht siehst“

Mittwoch, 14. Oktober 2009

(Heyne, 384 S., HC)
Seit den sensationellen Bestseller-Erfolgen von Henning Mankell und Hakan Nesser haben Krimis aus Schweden und überhaupt aus dem skandinavischen Raum hierzulande Hochkonjunktur. Da erscheinen dann auch mal Erstlingsromane im Hardcover, so wie das Romandebüt der Stockholmer Radio- und Fernsehjournalistin Mari Jungstedt.
So wie jeden Sommer verbringen die beruflich eingespannten Helena und Per auch dieses Jahr zu Pfingsten etwas Zeit auf der idyllischen Ferieninsel Gotland, wo sie den Mittsommer mit ein paar Freunden feiern. Als Helena dabei etwas zu eng mit ihrem Jugendfreund Kristian tanzt, flippt der eifersüchtige Per aus und bringt die Party vorzeitig zu einem unerwarteten Ende. Am kommenden Morgen bricht Helena mit ihrem Hund Spencer zu einem Strandspaziergang auf und wird Stunden später von einem Spaziergänger ebenso wie der Hund ermordet aufgefunden, mit einer Axt grausam verstümmelt, dem Slip in den Mund gestopft. Was zunächst wie ein Eifersuchtsdrama aussieht, entpuppt sich schnell als Beginn einer Serie von Morden, bei denen die Frauen jeweils enthauptet und mit ihrer eigenen Unterwäsche geknebelt werden. Als endlich eine Verbindung zwischen den Frauen hergestellt werden kann, schwebt das letzte vermeintliche Opfer bereits in großer Lebensgefahr... Der Leser tappt wie Hauptkommissar Anders Knutas und seine Kollegen bis zum Schluss im Dunkeln, doch gibt Jungstedt immer wieder Einblicke in die Psyche des Killers. Spannendes Lesefutter in bester Schweden-Krimi-Tradition.

Chelsea Cain - „Furie“

Montag, 12. Oktober 2009

(Limes, 386 S., HC)
Zehn Jahre lang hat Archie Sheridan die Soko Beauty Killer gearbeitet und war letztlich der Serienkillerin Gretchen Lowell selbst ins Netz gegangen. Nachdem sie ihn zunächst fast umgebracht hätte, rettete sie ihm doch noch das Leben und sitzt nun selbst im Gefängnis, das Sheridan noch jeden Sonntag besucht, um von ihr die Fundorte aller noch vermisster Opfer in Erfahrung zu bringen. Doch nun erfordert eine neue Mordserie, der junge und hübsche Mädchen zum Opfer fallen, Sheridans volle Aufmerksamkeit. An der Seite der Reporterin Susan, die in ihrer begleitenden Story zum „Heimweg-Mörder“ die schrecklichen Ereignisse von damals wieder lebendig werden lässt, werden vor allem die Lehrer der Cleveland High unter die Lupe genommen, an die Susan keine gute Erinnerungen hat und nun mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert wird.
Sheridan und seine Truppe müssen bald erkennen, dass der Killer ungemein raffiniert ist, so dass Sheridan nicht umhin kommt, Gretchen Lowell um Unterstützung zu bitten! Mit Gretchen Lowell hat Thriller-Debütantin Chelsea Cain eine wirklich beängstigende Serienkillerin geschaffen und mit „Furie“ einen atemberaubenden Thriller, der Lesern von Karin Slaughter, Jilliane Hoffman, Tess Gerritsen und Kathy Reichs zusagen dürfte.

Tess Gerritsen - (Rizzoli & Isles: 4) „Schwesternmord“

Montag, 5. Oktober 2009

(Limes, 415 S., HC)
Als die Pathologin Dr. Maura Isles von einem Kongress in Paris nach Boston zurückkehrt, wimmelt es in ihrer Straße von Polizeiwagen. Dort nimmt sie die hochschwangere Polizistin Jane Rizzoli etwas entgeistert in Empfang. Der Grund für die allgemeine Verwunderung wird der Pathologin klar, als sie ein Blick auf die Leiche wirft. Die im vor ihrer Haustür parkenden Auto erschossene Frau gleicht Dr. Isles bis aufs Haar.
Tatsächlich sind die beiden Frauen Zwillingsschwestern, die nach ihrer Geburt zur Adoption freigegeben wurden und nichts voneinander wussten. Detective Rizzoli macht auch bald die Mutter der beiden ausfindig: Amalthea Lank sitzt wegen Mordes an zwei Schwestern im Gefängnis und warnt sie vor der „Bestie“, die offensichtlich auch ihre Schwester getötet hat. Derweil begibt sich Dr. Isles auf die Spuren ihrer Schwester und bezieht für kurze Zeit ihr abgelegenes Haus, in dessen Nähe bei Bauarbeiten die Skelette eines Ehepaars gefunden werden. Auch hier ist die Frau hochschwanger gewesen, aber das Skelett des Kindes fehlt. Derweil reißt die Mordserie an hochschwangeren Frauen nicht ab. Auf der Suche nach dem mutmaßlichen Komplizen ihrer Mutter begibt sich Dr. Isles selbst in höchste Gefahr … Wie schon mit ihren Bestsellern „Die Chirurgin“, „Der Meister“ und „Todsünde“ bietet auch der neue Roman der ehemaligen Ärztin psychologisch packende Thriller-Unterhaltung mit überraschendem Ende.

Tess Gerritsen - (Rizzoli & Isles: 5) „Scheintot“

(Limes, 415 S., HC)
Die Gerichtsmedizinerin Dr. Maura Isles will an einem späten Sommerabend gerade ihren Bericht über den Tod einer fünfzigjährigen Frau beenden, als sie im Kühlraum ein Geräusch hört und zur Kontrolle einen Leichensack nach dem anderen öffnet. Als sie dabei das Gesicht einer blassen jungen Frau in einer durchnässten Bluse entdeckt, kann sie an der schon bläulich verfärbten Frau nur kalte Haut fühlen, doch dann schlägt die vermeintliche Leiche die Augen auf. Dr. Isles bringt die unterkühlte Frau sofort ins Krankenhaus und wird am nächsten Tag bei einem Kontrollbesuch Zeugin, wie die Unbekannte einem Wachmann die Pistole entwendet und diesen erschießt. Zur gleichen Zeit wird Mauras Freundin, die hochschwangere Polizistin Jane Rizzoli in dasselbe Krankenhaus gebracht. Sie nimmt die Pathologin als Geisel, bringt dann aber weitere Patienten als Geiseln, auch Jane.
Zum Glück kann sich Maura befreien und mit Janes Ehemann Gabriel auf eigene Faust ermitteln. Denn auf einmal reißen die Bundesbehörden den Fall an sich und wollen die Geiselnahme notfalls auch blutig schnell zu einem Ende bringen. Maura und Gabriel läuft die Zeit davon. Als sie bei ihren Recherchen auf einen Rüstungsriesen stoßen, scheint dies das starke Interesse der Bundesbehörden zu erklären, den Fall schnell abschließen zu wollen …  
Tess Gerritsen ist auch mit „Scheintot“ wieder ein vielschichtiger, atemlos spannender Psychothriller um die sympathischen Freundinnen Maura Isles und Jane Rizzoli gelungen.

Tess Gerritsen - (Rizzoli & Isles: 3) „Todsünde“

(Limes, 414 S., HC)
In der Bostoner Graystone Abbey werden während einer eiskalten Dezembernacht die Leiche der jungen Novizin Camille Maginnes und die schwer verletzte Schwester Ursula aufgefunden. Bei der Obduktion des jungen Mädchens stellt die Pathologin Maura Isles fest, dass diese kurz vor ihrem Tod ein Kind entbunden haben muss, dessen von einem schweren Geburtsfehler gezeichnete Leiche wenig später in einem anliegenden See gefunden wird. Ist der attraktive Priester Brophy vielleicht der Vater? Im Kloster will man von Camilles Schwangerschaft jedenfalls nichts gewusst haben. Von der mit schweren Kopfverletzungen ins Krankenhaus eingelieferten Schwester Ursula erhält man leider keine Hinweise auf den Täter. Sie verstirbt im Krankenbett, obwohl sie sich bereits auf dem Weg der Besserung befand.
Wenig später wird eine entsetzlich entstellte Frauenleiche aufgefunden. Ihr Körper ist mit merkwürdigen Pusteln übersät, ihr wurde die Gesichtshaut abgezogen, die Hände und Füße abgehackt. Als die ermittelnde Polizistin Jane Rizzoli erfährt, dass Schwester Ursula Dienst in einer indischen Siedlung geleistet hatte, die bei einem Massaker zerstört worden ist, scheint sich eine Verbindung zwischen den beiden Fällen abzuzeichnen. Doch nicht nur die Lösung des komplizierten Falles verbindet die beiden Frauen. Nach drei Jahren taucht plötzlich Mauras geschiedener Mann Victor Banks auf, der als Chef der Hilfsorganisation One Earth auch über das Massaker in Indien Bescheid weiß. Detective Rizzoli ist dagegen von einem ihrer, allerdings in Washington arbeitenden Kollegen schwanger, dem sie aber nicht so recht in ihr Leben zu treten gestattet…
Mit der Pathologin Maura Isles und der Polizistin Jane Rizzoli hat Tess Gerritsen zwei engagierte und sympathische Heldinnen geschaffen, die auch in „Todsünde“ ihre fordernde Arbeit mit einem nicht minder anstrengenden Privatleben verbinden müssen. Die ausgewogene Balance zwischen hartem Thriller und menschlichem Drama macht „Todsünde“ so lesenswert.

Thomas Harris - „Hannibal Rising“

Donnerstag, 1. Oktober 2009

(Hoffmann und Campe, 345 S., HC)
Wenn man sich erst einmal mit einem psychopathischen Serienkiller angefreundet hat, will man irgendwann vielleicht auch erfahren, wie diese Bestien zu dem geworden sind, was sie sind. So geschehen bei Norman Bates, dessen Kindheitstraumata wir nach drei „Psycho“-Filmen in „Psycho IV: The Beginning“ zu sehen bekamen, und nun ist es nach „Roter Drache“, „Das Schweigen der Lämmer“ und „Hannibal“ auch an der Zeit, etwas tiefer in die Vergangenheit von Hannibal Lecter einzutauchen. Thomas Harris, dem das seltene Glück zuteil geworden ist, dass alle seine Romane auch verfilmt worden sind, schrieb parallel zu seinem neuen Roman passenderweise gleich das Drehbuch dazu, so dass der Film zum Roman auch schon Mitte Februar in den deutschen Kinos zu sehen ist. Hannibal wächst in der von Hannibal dem Schrecklichen (1365-1428) erbauten Burg Lecter in Litauen auf und muss zum Ende des Zweiten Weltkriegs in dem Jagdhaus, in dem die Familie die Kriegswirren zu überleben versuchte, miterleben, wie nicht nur seine Eltern von desertierten Osttruppen-Soldaten ermordet werden, sondern auch seine geliebte Schwester Mischa. Wenig später greifen sowjetische Soldaten den völlig verstörten und verstummten Jungen im Wald auf und bringen ihn ins nächste Dorf.
1946 wird Hannibal im Alter von dreizehn Jahren von seinem Onkel Robert nach Frankreich geholt und entwickelt für die japanische Frau seines Onkels, Lady Murasaki, zunehmend zärtlichere Gefühle. Der aufgeweckte und extrem gelehrige Junge beginnt mit medizinischen Studien und begeht seinen ersten Mord an einem Metzger, der Lady Murasaki zu beleidigen wagte. Auch wenn ihm die Tat nicht nachgewiesen werden konnte, steht Hannibal fortan unter Verdacht des Polizeiinspektors Popil. Doch Hannibal, der nur noch von dem Wunsch angetrieben wird, Rache an all jenen zu nehmen, die seine Familie auslöschten, entzieht sich immer wieder geschickt dem Zugriff der Polizei … Thomas Harris ist mit „Hannibal Rising“ ein vielschichtiges Psychogramm eines jungen Menschen gelungen, der mit großer intellektueller Präzision und ohne jegliche emotionale Beteiligung seine Auffassung von Gerechtigkeit lebt.


Thomas Harris - „Hannibal“

(Hoffmann und Campe, 527 S., HC)
Dass sich Thomas Harris mit der Fortsetzung seines Psychothriller-Megaerfolgs „Das Schweigen der Lämmer“ Zeit lassen würde, war vorherzusehen. Immerhin vergingen bislang stets jeweils mindestens sechs Jahre zwischen seinen Romanen, die allesamt Bestseller und verfilmt wurden, nur wurde bislang keines seiner Bücher dermaßen heiß erwartet wie die zwangsläufige Fortsetzung des 1988 veröffentlichten, unter der Regie von Jonathan Demme mit Jodie Foster und Anthony Hopkins verfilmten Hits „Das Schweigen der Lämmer“. Wenn man „Hannibal“ zur Hand nimmt und die ersten Seiten liest, kommt es einem nicht so vor, als lägen über elf Jahre zwischen dem zweiten und dritten Hannibal-Lecter-Roman, so lebendig ist einem das nervenaufreibende Psycho-Duell zwischen der jungen, noch in der Ausbildung befindlichen FBI-Agentin Clarice Starling und dem hochintelligenten Psychokiller Dr. Hannibal Lecter noch in Erinnerung.
Dass Starling unter Mithilfe von Lecter schließlich den gesuchten Serienmörder Jame Gumb ausfindig und unschädlich machen konnte, war allerdings für die Karriere der jungen Agentin nicht unbedingt förderlich. Der frühe Überraschungserfolg brachte viele Neider auf den Plan, die Starling einige Steine in den Weg auf der Erfolgsleiter gelegt haben. Mittlerweile steht Starling mal hier, mal dort auf Abruf bereit und wird gleich die tragische Hauptfigur einer verpfuschten Drogenrazzia, bei der zwei ihrer Kollegen ebenso draufgehen wie die zu verhaftende Drogenproduzentin Evelda Drumgo, worauf Starling auf der Titelseite des National Tattler als „Killermaschine des FBI“ bezeichnet wird. FBI-Direktor Tunberry möchte Starling zur Beruhigung der Massen opfern, doch kann Jack Crawford, der Starlings Karriere von Beginn an gefördert hat, in letzter Minute mit einem Deal verhindern. Starling, die kurz nach dem Drogenrazziadebakel einen Brief von Hannibal Lecter erhält, soll sich mit Mason Verger treffen, der früher Patient bei Lecter gewesen ist und - wenn auch grausig von ihm verstümmelt - der einzig Überlebende unter Lecters Opfern ist. Er hat ein Kopfgeld auf Lecters Ergreifung ausgesetzt und scheut vor keinen Mitteln zurück, Lecter auch zu fassen zu kriegen.
Neben der weiterhin faszinierenden Beziehung zwischen Lecter und Starling erhält „Hannibal“ seine atemlose Spannung eben gerade auch durch dieses prickelnde Psychoduell zwischen Patient und Doktor, zwischen Täter und Opfer.