Bernd Harder - „Das Lexikon der Großstadtmythen“

Donnerstag, 5. März 2009

(Eichborn, 320 S., HC)
Verschwörungstheorien-Anhänger wurden im Eichborn-Verlag bereits mit dem „Lexikon der Verschwörungstheorien“ von „Illuminatus“-Autor Robert Anton Wilson bestens bedient. Als sinnvolle Ergänzung erscheint da nun mit dem Untertitel „Unglaubliche Geschichten von Astralreisen bis Zombies“ ein Lexikon über die faszinierendsten Phänomene moderner Mythen, die Bernd Harder als Journalist der Zeitschrift „Skeptiker“ und Pressesprecher der „Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften“ auf ebenso fundierte wie lesenswerte Weise zusammengestellt hat.
Dazu zählen Geschichten wie die Asbestverseuchung von Tampons, tödliche Wurmarten in Dönern, die sich durch den ganzen Körper bis ins Gehirn fressen, oder ganz einfach die „Männer in Schwarz“. Dass solche oft haarsträubenden Geschichten, die uns von der Nachbarin einer Freundin und noch mehr Ecken oder auch durch die Zeitung und Ketten-e-Mails übermittelt wurden, so leicht und ungefiltert unseren Verstand passieren, erklärt der Autor damit, dass sie eine andere, überlegene Instanz in uns ansprechen: das Gefühl. Harder geht nach Kategorien wie „Außerirdisches“ (Alien-Autopsie, Bermuda-Dreieick, Area 51), „Esoterik“ (Feng-Shui, Kristallschädel, „Die Prophezeiungen von Celestine“), „Gesellschaft“ (Busenstarren hält Männer fit, tödliche Briefumschläge), „Medien“ (Amityville Horror, Blair Witch Project, Poltergeist, Snuff-Filme) und „Sex“ (Mündliche Befriedigung, Scheidenkrampf) ausgewählten Mythen auf den Grund. Das ist für Skeptiker und Gläubige gleichermaßen ein amüsantes wie interessantes Lesevergnügen.

Robert Anton Wilson - “Das Lexikon der Verschwörungstheorien”

(Eichborn, 400 S., HC)
Als Chris Carters apokalyptisch angehauchte Serien “Millennium” und “Akte X” jahrelang erfolgreich das Montagabend-Programm bei PRO 7 gestalteten, hatten Verschwörungstheorien  Hochkonjunktur. Bei der anwachsenden Masse der Vermutungen, wer John F. Kennedy und Marilyn Monroe ermordet hat, wer die “Men In Black” wirklich sind und wer die Welt tatsächlich regiert, wurde es höchste Zeit, dass jemand Licht ins Dunkel der vielfältigen Verschwörungstheorien bringt, und wer könnte dies besser als Robert Anton Wilson, der mit seiner berühmten “Illuminatus”-Trilogie auf amüsante wie intellektuell anregende Weise zwei gigantische Weltverschwörungen thematisiert hatte?
Getreu dem einleitenden Motto “Bloß weil du nicht paranoid bist, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht hinter dir her sind” und der Tatsache, dass drei von vier US-Bürgern der Überzeugung sind, dass die US-Regierung regelmäßig in geheime und verschwörerische Aktivitäten verstrickt sei, scheint man mittlerweile alles durch das “Vergrößerungsglas des Bösen” (Wilson) zu betrachten und überall die Schuldigen für das ökologische Ungleichgewicht, die Drogenkartelle, Kriege und Armut suchen zu wollen.
Geheimdienste scheinen dabei eine besondere Rolle zu spielen, denn ihnen obliegt nicht nur das Sammeln von präzisen Informationen, sondern auch die Herstellung und Verbreitung falscher Informationen. Wilson geht in seinem umfangreichen Kompendium insgesamt 350 Konspirationstheorien von A-Z auf den Grund, wobei jeder, der weiter nachforschen möchte, anhand von Literaturhinweisen und Internet-Adressen am Ende jeder Eintragung seine eigenen Theorien spinnen kann. Für “Akte X”- und “Millennium”-Fans ein absolutes Muss!

Brian Azzarello/Eduardo Risso - „100 Bullets: Der unsichtbare Detektiv“

(Speed/Tilsner, 144 S., Pb.)
Der draufgängerische Privatdetektiv Milo Garret geht keinem Kampf aus dem Weg, doch nach dem letzten blieben üble Blessuren zurück. Im achten Band der Comic-Serie „100 Bullets“ wacht Garret mit voll bandagiertem Kopf im Krankenhaus auf, nachdem er bei einem Autounfall durch die Windschutzscheibe geflogen war. Ein gewisser Agent Graves sucht ihn im Krankenhaus auf, erzählt ihm, dass es sich bei seinem Missgeschick um keinen Unfall, sondern um eine Botschaft handelte. Er übergibt ihm einen Aktenkoffer mit allen Beweisen, einer nicht registrierten Waffe und 100 ebenfalls nicht zurückzuverfolgenden Patronen.
Doch so offensichtlich und gut alles zusammenpasst, muss an der Sache etwas faul sein. Also sucht Garret nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus den Kunsthändler Karl Reynolds auf, der Garret engagiert hatte, um den zwielichtigen Importeur Monroe Tannenbaum ausfindig zu machen. Doch Reynolds hat mit einer Kugel im Kopf nichts mehr zu sagen. Garret findet Tannenbaum schließlich in seinem Stamm-Sexlokal und wird auf eine neue Spur gebracht, doch vorher schiebt er noch zwei Nummern mit der Barkeeperin Nadine… Auch der achte Band der genialen Serie um den coolen Detektiv Milo Garret nimmt in keiner Weise ein Blatt vor den Mund. Auch wenn Sex und Gewalt dabei an Explizität nichts zu wünschen übrig lassen, überzeugt „Der unsichtbare Detektiv“ vor allem durch seine spannende Story, die düstere Film-Noir-Atmosphäre und coole Charaktere.

Mark Costello - „Paranoia“

Mittwoch, 4. März 2009

(Goldmann, 432 S., HC)
Die beiden ungleichen Geschwister Vi und Jens Asplund wuchsen im beschaulichen Center Effing, New Hampshire, auf und wurden in ihrer Kindheit maßgeblich durch ihren skurrilen Vater, den Versicherungsgutachter Walter Asplund, geprägt, den sie auf seinen Fahrten zu Unglücksstellen von entgleisten Güterzügen oder abgebrannten Häusern begleiten durften. Vi verdingte sich daraufhin beim Secret Service und gehört nun dem Personenschutz-Team an, das jeden Schritt des Vizepräsidenten überwacht und ihn von jeder möglichen Gefahr abschirmt. Jens, der schon als Kind bei „Jugend forscht“-Wettbewerben glänzte, ist leitender Programmierer für das Internet-Action-Spiel „BigIf“, das sein Vater für amoralisch hielt.
Sowohl Vi als auch Jens sind beruflich viel zu eingespannt, um viel voneinander zu haben. Und dann ist da noch Jens’ Frau, die erfolgreiche Immobilien-Maklerin Peta Boyle, die nur noch superteure, superschicke Anwesen betreut, es dabei aber auch mit äußerst anstrengenden Kunden zu tun hat, deren ausgefallenen Wünsche Peta nur mit größtem Einfühlungsvermögen zu befriedigen vermag. Während auf der einen Seite Paranoia das bestimmende Lebensgefühl im heutigen Amerika zu sein scheint, steckt das Leben der Protagonisten in diesem Roman voller Überraschungen, Probleme und kleinen Katastrophen, gegen die auch die intensivsten Schutzmechanismen nichts ausrichten können. Der zweite Roman des ehemaligen Staatsanwalts Mark Costello besticht durch seine erstklassige Beobachtungsgabe und den skurrilen Humor, weshalb der Autor bereits mit Jonathan Franzen und Don DeLillo verglichen wird.

Hans Meurer - „Vampire – Die Engel der Finsternis“

Dienstag, 3. März 2009

(Eulen, 136 S., HC)
Geschichten von Blutsaugern, den Engeln der Finsternis, haben seit jeher eine große Faszination auf Menschen und vor allem auch Künstler ausgeübt. Schließlich berührt der Vampir in unserer Vorstellungskraft so philosophisch bedeutende Themen wie Tod und (ewiges) Leben, Gut und Böse, Sexualität und Macht. Seine Sucht nach Blut, die stellvertretend für unsere stille Sehnsucht nach ewigem Leben steht, und seine sexuelle Anziehungskraft machen den Vampir zu einem ebenso schaurigen wie anziehenden Monster, das seit Bram Stokers „Dracula“-Roman aus dem Jahre 1897 eine Vielzahl von Künstlern, Filmemachern und Schriftstellern inspiriert hat.
Der Vampirforscher Hans Meurer hat in seinem Werk nicht nur den Mythen nachgespürt, die sich um den Vampir in aller Welt ranken, sondern erläutert gerade auch die bedeutende Verbindung von Tod und Sexualität, spürt dem historischen Graf Dracula und seiner Charakterisierung im klassischen Horror-Roman nach, interpretiert den weitverbreiteten Mythos aus psychologischer Perspektive und zeichnet die Spuren nach, die die Vampire in Literatur, Comics und vor allem in Filmen hinterlassen haben. Mit 75 Farb- und 60 Schwarzweißabbildungen ist das unterhaltsame Buch zudem reichhaltig illustriert.

Basil Copper - „Der Vampir in Legende, Kunst und Wirklichkeit“

(Festa, 335 S., Pb.)
Seit Bram Stokers Roman „Dracula“ und den verschiedensten Vampirfilmen, beginnend mit Bela Lugosis Darstellung des Blutfürsten in dem 1931 inszenierten „Dracula“, übt die mythische Gestalt des Vampirs eine ungeheure, anhaltende Faszination auf uns aus. Zuletzt haben Filme wie „Underworld“ und „Van Helsing“ das beliebte Horror-Thema visuell beeindruckend in Szene gesetzt. Der britische Krimiautor hat bereits 1973 mit dem vorliegenden Buch, das nun erstmals ungekürzt in deutscher Übersetzung vorliegt, eine umfassende Abhandlung über die mythischen, künstlerischen und medizinischen Aspekte des Vampirismus vorgelegt.
So erfahren wir, was es mit dem Holzpflock und dem Kruzifix auf sich hat, die einen Vampir abwehren sollen, wie sich die verschiedenen Vampirlegenden in aller Welt entwickelt haben, wie sich der Vampir in der Literatur, im Theater und Film entwickelt hat, und schließlich schildert Copper auch die Fälle von „echten“ Vampiren, Menschen wie Fritz Haarmann, John George Haigh und Sergeant Bertrand, die Menschen umbrachten, um ihr Blut zu trinken. Das ausführliche Nachwort von Uwe Sommerlad geht vor allem auf die aktuelleren Vampirfilme nach 1973 ein; eine ausführliche Bibliografie und ein umfassender Index runden das informative Werk perfekt ab.

Matthew Bunson - „Das Buch der Vampire. Von Dracula, Untoten und anderen Fürsten der Finsternis“

(Heyne, 315 S., Pb.)
Unzählige Vampir-Geschichten und ihre Verfilmungen scheinen uns bereits allerhand über die nächtlichen Blutsauger vermittelt zu haben, ihre Allergien gegen Knoblauch und Kruzifixe, ihren Blutdurst, ihre erotische Anziehungskraft, die sie auf Frauen ausüben, über Holzpfähle, die, wenn sie ihr Herz durchbohren, ihrem ewigen Leben ein erlösendes Ende setzen. Die bereits 1993 im englischen Original veröffentlichte „The Vampire Encyclopedia“ ist zwar nicht mehr auf dem neusten Stand, was die literarischen, filmischen und musikalischen Verweise auf den Vampir-Mythos angeht, aber er bietet dem interessierten Leser einen prägnanten Überblick über die Ausrüstung des Vampirjägers, die wichtigsten „Dracula“-Verfilmungen und -Romane, Schriftsteller und Filmemacher, die sich dem Blutsauger-Stoff angenommen haben, historische Persönlichkeiten wie die Gräfin Elisabeth Báthory und Fritz Haarmann, die wegen ihrer grausamen Vorlieben mit den Eigenschaften eines Vampirs verglichen wurden, und man erfährt, wie es in verschiedenen Ländern mit dem Glauben an Vampiren bzw. Vorgängen bestellt ist, bei denen Vampire beteiligt gewesen sein sollen.
Darüber hinaus stellt das Buch Checklisten bereit, wie Vampire entstehen und wie sie vernichtet werden können. Ein netter Schwarz/Weiß-Bilderteil und eine weiterführende Bibliografie runden das informative Buch ab, das sich leider manchmal etwas sehr kurz mit wichtigen Kapiteln wie Vampirismus, Schauspielern wie Peter Cushing und Christopher Lee, Sexualität und Liebe und den bedeutendsten Vampirfilmen und -romanen auseinandersetzt.

Gerald Axelrod & Liane Angelico - „Die Nacht des Blutmondes“

(Ubooks, 128 S., HC)
Es hat sich schon bei den Bildbänden von Simon Marsden als erfolgreiches Konzept erwiesen, die atmosphärisch-unwirklichen, gespenstischen Schwarz-Weiß-Fotografien von verwunschenen Orten, Spukschlössern, verfallenen Burgen und Friedhöfen mit illustrierenden Texten zu versehen. Während es sich bei den Marsden-Werken dabei um Geschichten rund um die fotografierten Objekte handelte, arbeitet der österreichische Fotograf Gerald Axelrod nach „… denn weiter als der Himmel ist die Liebe“ zum zweiten Mal mit der Autorin Liane Angelico zusammen, die den abgebildeten Orten wie Mont Saint-Michel (Bretagne), den Park der Monster in Bomarzo (Italien), den Kalvarienberg in Eisenstadt (Österreich) oder das Chateau de Pérennou (Bretagne) durch ihre Geschichte einen literarischen Rahmen verleiht.
 Als die „Hexe“ Sorana und ihre hübsche Enkelin Lemura von dem kleinen Dämon Kemon aufgesucht werden, ist ihnen der Hexenjäger Hiremus bereits auf der Spur. Mit Hilfe des Amuletts des Lichts, das er in den Händen der beiden vermeintlichen Hexen weiß, will er in der Nacht des Blutmondes den Hexenkompass finden, der ihm wiederum über alle weiteren Hexen Auskunft geben könnte. Hiremus tötet die Alte, während Lemura mit Kemon das Amulett zu retten versucht. Ihre Reise führt die beiden ungleichen Gefährten an wahrlich gespenstische Orte … Auch wenn die Story an sich wenig packend geschrieben ist, geht sie doch eine symbiotische Beziehung zu den stimmungsvollen Bildern ein, die zum Glück auch den Hauptteil des Buches einnehmen.

Montague Summers - „Hexen & Schwarze Magie“

Montag, 2. März 2009

(Festa, 431 S., Pb.)
Der englische Historiker Montague Summers (1880 – 1948) zählt zu den interessantesten und exzentrischsten Experten des Okkultismus, ist in Deutschland bislang aber kaum wahrgenommen worden. So liegt erst jetzt mit „Hexen & Schwarze Magie“, 1946 erstmals veröffentlicht, das erste Werk des Autors in vollständiger deutscher Übersetzung vor. Das Buch ist insofern schon interessant, als Summers die Blüte des Hexenwesens gar nicht mehr selbst erlebte, aber von seiner Existenz so vehement überzeugt war, dass er sich schon zu Lebzeiten viele Kritiker zuzog.
Er hatte zuvor 1929 bereits die erste englische Übersetzung des legendären „Hexenhammers“ („Malleus Maleficarum“) besorgt und weitere Standardwerke zu Dämonologie und Hexenwesen ins Englische übertrug. Außerdem widmete er sich leidenschaftlich der Schauerliteratur. In seinem Kompendium über Hexen und Schwarze Magie gibt Summers kenntnisreich und gut recherchiert fundierte Informationen zur Natur des Hexenwesens, den Hexen, ihren menschlichen und tierischen Hilfsgeistern, ihren Gotteslästerungen, ihren Verbindungen zu den Templern und zur Politik, Ausprägungen der assyrischen und ägyptischen Hexerei, ihren Schriften, Göttern und Zeremonien.
Der deutsche Summers-Experte Michael Siefener schrieb dazu ein erleuchtendes Vorwort mit einem Abriss über Summers’ interessantes Leben. Einige Abbildungen und ein ausführlicher Index runden das lesenswerte Buch ab.

Gerald Axelrod - „Wo die Zeit keine Macht hat. Feen, Hexen und Druiden in der Sagenwelt Irlands“

Sonntag, 1. März 2009

(Eulen, 128 S., HC)
Neben dem Briten Simon Marsden zählt der Österreicher Gerald Axelrod zu den bekanntesten Fotografen unheimlicher und magischer Bilder, die die Mythen, Fabeln und Geheimnisse vergangener Epochen in ihren atmosphärisch dichten Schwarz/Weiß-Fotos wieder lebendig werden lassen. Der Titel seines neuen Buchs „Wo die Zeit keine Macht hat“ bezieht sich auf die keltische Anderswelt, jenes prächtige Abbild unserer Welt im Jenseits, wo weder Hunger, Krankheit noch Tod herrschen.  
Axelrod beschreibt in seinem Werk sowohl die Mythen als auch die Lebensgewohnheiten der Kelten und illustriert diese mit bezaubernden Bildern, bei denen Iris Guggenberger als Fee, Hexe oder Prinzessin vor der prächtigen Kulisse von Friedhöfen, verfallenen Schlössern, Höhleneingängen, kunstvollen Torbögen, verlassenen Altären und an steinigen Meeresufern die uralten Bräuche, Kleidungsgewohnheiten und Lebensumstände demonstriert. Gelegentlich lässt der Autor das faszinierende Naturpanorama auch nur für sich sprechen. So entsteht das spannende wie lebendige Panorama einer zwar längst untergegangenen, in ihren überlieferten Mythen und Denkmälern nach wie vor einflussreichen und faszinierenden Kultur, deren Wege, Ausbreitung und Entwicklung der Autor gleich zu Beginn seines Buches kurz skizziert, bevor einzelne Figuren der keltischen Mythologie wie Maildun, Cuchulinn und Finn MacCool episodenhaft portraitiert werden. Der Hauptreiz von „Wo die Zeit keine Macht hat“ liegt aber eindeutig in den 83 Duoton-Fotografien, die der Phantasie des Betrachters auf die Sprünge helfen.