Als Abe Rosenberg und Glenn Jensen, zwei Richter am Obersten Gerichtshof, innerhalb kürzester Zeit ermordet aufgefunden werden, tappen sowohl FBI als auch CIA im Dunkeln, denn zwischen dem erzkonservativen einundneunzigjährigen Rosenberg und dem wankelmütigen Homosexuellen Jensen scheint es keine Verbindung zu geben. Einzig die aufgeweckte und ebenso attraktive Jurastudentin Darby Shaw, die seit einem Jahr mit ihrem Professor für Verfassungsrecht, Thomas Callahan, liiert ist, hat eine eigene Theorie zu den Morden, die offensichtlich von einem Profikiller ausgeführt worden sind, und fasst sie in einem Dossier zusammen, das über Callahan zu seinem Freund Gavin Verheek, beratener Anwalt des FBI-Direktors Voyles, gelangt und von dort seine Kreise bis zum Präsidenten zieht.
In den obersten Regierungskreisen sorgt das Dossier für einiges Aufsehen, denn darin wird der skrupellose Öl-Milliardär Victor Mattiece, der mit einigen Millionen den Wahlkampf des Präsidenten unterstützt hat, für die Morde verantwortlich gemacht. In der „Pelikan-Akte“ führt Darby aus, wie Mattiece über verschiedene Unterfirmen systematisch Land im Süden von Louisiana aufkauft, die von Umweltschützern als bedroht eingestufte Fauna und Flora zerstört, um die riesigen dort verborgenen Ölvorräte fördern zu können. Als ihr trinkfreudiger Freund Callahan durch eine Autobombe getötet wird, ist auch Darbys Leben in Gefahr. Sie sucht den Kontakt zum „Washington Post“-Journalisten Gray Grantham und versucht mit ihm zusammen, Beweise und Zeugen für ihre Theorie zu finden.
„Sie wusste mehr als irgend jemand sonst. Die Fibbies waren nahe daran gewesen, dann hatten sie sich zurückgezogen und jagten jetzt hinter Werweißwem her. Verheek hatte nichts erreicht, dabei stand er dem Direktor nahe. Sie würde das Puzzle selbst zusammensetzen müssen. Ihr kleines Dossier hatte Thomas das Leben gekostet, und jetzt waren sie hinter ihr her.“ (S. 215)Ein Jahr nach dem Welterfolg von „Die Firma“ legte der ehemalige Anwalt John Grisham 1992 mit „Die Akte“ einen weiteren Bestseller nach, der ebenso erfolgreich von Alan J. Pakula mit Julia Roberts und Denzel Washington in den Hauptrollen verfilmt worden ist.
Nachdem Grisham in „Die Firma“ die Verstrickungen einer renommierten Kanzlei in die Geschäfte der Mafia thematisierte, zieht sich der Spannungsfaden in „Die Akte“ bis in die höchsten Regierungskreise, bindet CIA, FBI und die Presse mit ein, beschreibt aber vor allem die verzweifelte Flucht der Jurastudentin Darby Shaw, die niemandem mehr trauen kann. Dabei kommt der Inhalt des kompromittierenden Dossiers und die Verstrickung des Öl-Milliardärs erst in der zweiten Romanhälfte zur Sprache. Bis dahin wird vielleicht etwas zu ausführlich um die Machtspiele im Weißen Haus, die komplizierten Beziehungen zwischen dem Weißen Haus, FBI-Direktor Voyles und CIA-Direktor Gminski sowie die Optionen zur Nachbesetzung der beiden ermordeten Richter geschrieben, worunter zwar die Dramaturgie leidet, aber immerhin ein Gespür dafür anregt, wie es hinter den Kulissen im Oval Office zugehen mag.
Für Spannung sorgt natürlich der Überlebenskampf der cleveren Jurastudentin Darby Shaw, bei dem sie scheinbar nur zum Journalisten Gray Grantham Vertrauen fassen kann. John Grisham versucht in „Die Akte“ etliche Handlungsstränge und -orte, Verbindungen und Personen ins Spiel zu bringen, was gelegentlich zu unnötig komplexen Zusammenhängen und rasant wechselnden Schauplätzen mit neuen Figuren führt. Doch davon abgesehen bietet „Die Akte“ raffiniert konstruierte Thriller-Spannung mit einer sympathischen Heldin und vor allem einem faszinierenden Fall.
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