(Zsolnay, 480 S., HC)
Der erfolgreiche Schriftsteller Ben Mears kehrt nach 25 Jahren wieder in seine Heimatstadt Jerusalem’s Lot, eine Kleinstadt östlich von Cumberland und zwanzig Meilen nördlich von Portland, zurück, die 1970 bei einer Volkzählung 1319 Einwohner zählte und oft nur kurz Salem’s Lot oder sogar nur The Lot genannt wird. Mears, der seine Frau Miranda bei einem Motorradunfall verloren hatte, ist vor allem von dem Marsten-Haus fasziniert. Seit der ehemalige Besitzer Hubert Marsten dort erst seine Frau und dann sich selbst ermordete, gilt es als Spukhaus, das Mears im Rahmen einer Mutprobe betreten hatte, wobei er glaubte, Hubert Marsten lebend am Strick baumelnd gesehen zu haben.
Als Mears nun das Marsten-Haus mieten will, um sich seinen Ängsten zu stellen und seine Erfahrungen mit dem Haus in seinem neuen Roman zu verarbeiten, muss er überrascht feststellen, dass das seit Jahren leerstehende und heruntergekommene Haus bereits verkauft ist – an die beiden Antiquitätenhändler Kurt Barlow und Richard Straker, die in der Stadt ein Geschäft eröffnen wollen. Also mietet sich der Schriftsteller in der Pension von Eva Miller ein und lernt bald die hübsche Susan Norton kennen, die im Park seinen zweiten Roman „Lufttanz“ in der Hand hält.
Obwohl Susan eigentlich noch mit Floyd Tibbets liiert ist, beginnt sie eine Affäre mit dem Schriftsteller, der aber nicht viel Zeit bekommt, sich dem Mädchen gebührend zu widmen, denn schon bald wird Salem’s Lot von einer Reihe erschreckender Ereignisse heimgesucht. Erst wird ein Hund aufgespießt am Friedhofszaun aufgefunden, dann verschwindet der Junge Ralphie Glick, nachdem er mit seinem Bruder Danny ihren Freund Mark Petrie besuchen wollte. Danny kommt zwar nach Hause, kann sich aber an nichts erinnern und wird wenig später ins Krankenhaus eingeliefert, wo er an Blutarmut stirbt. Als der Totengräber mit Bisswunden am Hals aufgefunden wird, sehen sich Ben Mears, der Englischlehrer Matt Burke, der Priester Callahan und Doc Cody in ihren schlimmsten Befürchtungen bestätigt: Salem’s Lot wurde von Vampiren heimgesucht, die getötet werden müssen, bevor sie die Stadt ausgerottet haben …
„Und dann war es Nacht, und die Stadt war verschwunden, aber das Feuer loderte immer noch in der Finsternis, durchlief faszinierende, kaleidoskopartige Formen, bis es ein Gesicht aus Blut zu zeichnen schien – ein Gesicht mit einer Adlernase, tiefliegenden, glühenden Augen, vollen und sinnlichen Lippen, die zum Teil von einem dichten Schnurrbart verborgen wurden, und Haaren, die wie bei einem Musiker nach hinten gekämmt waren.“ (S. 418)
Obwohl „Brennen muss Salem“ nach „Carrie“ der zweite, 1975 veröffentlichte Roman von Stephen King gewesen ist, muss er eigentlich als sein Debüt betrachtet werden, wurde der Vampir-Roman doch vor „Carrie“ fertiggestellt und basiert auf den Ereignissen im 19. Jahrhundert, die King in seiner Kurzgeschichte „Briefe aus Jerusalem“ (veröffentlicht in der Stephen-King-Kurzgeschichten-Sammlung „Nachtschicht“) thematisiert hatte. Dabei sind vor allem die Bezüge zu Bram Stokers klassischem Vampir-Drama „Dracula“ unübersehbar. King erweist sich bereits in diesem frühen Werk als Meister des subtilen Horrors, der sich fast unbemerkt in den Alltag ganz gewöhnlicher Menschen schleicht.
Der Autor nimmt sich nahezu 100 Seiten Zeit, um die Ankunft des Schriftstellers in Jerusalem’s Lot und die Stadt mit ihren Einrichtungen und Bewohnern zu beschreiben, so dass sich der Leser leicht mit den sorgfältig beschriebenen Figuren identifizieren kann. Die kurze Liebschaft zwischen Ben Mears und Susan Norton ähnelt sehr der zwischen Jonathan Harker und seiner Verlobten Lucy Westenra. Beide Frauen müssen von ihren Geliebten gepfählt werden, um dem Dasein als untote Vampire zu entgehen. Und auch die beiden Vampire Richard Straker und Kurt Barlow verweisen namentlich bzw. dem Aussehen nach auf die Hauptfiguren in Bram Stokers Roman, nur dass King das Geschehen von Transsylvanien nach Maine und ins 20. Jahrhundert verlegt hat.
Neben der spannenden Geschichte, die später u.a. von Tobe Hooper 1979 mit James Mason in der Hauptrolle verfilmt worden ist, überzeugen vor allem die fein gezeichneten Figuren und die gekonnte Dramaturgie des Untergangs einer ganz gewöhnlichen Kleinstadt durch Vampire.
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