(Diogenes, 282 S., Pb.)
Die 1947 in New Jersey geborene Afroamerikanerin Valerie Wilson Wesley war Chefredakteurin der Zeitschrift „Essence“ und hat ihre fiktionalen wie nicht-fiktionalen Geschichten in so unterschiedlichen Publikationen wie „Family Circle“, „TV Guide“, „Ms.“, „The New York Times“ und dem Schweizer Wochenmagazin „Die Weltwoche“ veröffentlicht. Am bekanntesten ist die Autorin allerdings für ihre Romane um die schwarze Detektivin Tamara Hayle, die nun in einer Neuübersetzung bei Diogenes erscheinen. Der nun vorliegende zweite von insgesamt acht Bänden ist bereits 1998 unter dem Titel „In Teufels Küche“ veröffentlicht worden.
Der schwarze Investmentbanker Lincoln E. Storey ist eine lebende Legende in Newark, Essex County. Er beauftragt die ebenfalls schwarze Privatdetektivin Tamara Hayle damit, den Lover seiner 23-jährigen Stieftochter Alexa zu beschatten, da er vermutet, dass dieser eher an Storeys Geld als an Alexa interessiert sei.
Als Storey ihr den Namen von Alexas Freund nennt, muss Tamara erst einmal schlucken, denn bei Brandon Pike handelt es sich um einen Dokumentarfilmer, mit dem sie selbst vor drei Jahren eine Beziehung hatte. Eine erste Gelegenheit, ihren Exlover wiederzusehen, ergibt sich auf einer Party anlässlich der Kandidatur der stellvertretenden Staatsanwältin Stella Pharr für einen Sitz im Parlament von New Jersey.
Auf der Party im „Tate’s“ bricht Lincoln Storey jedoch an seinem Tisch zusammen. Was zunächst wie ein Herzinfarkt aussieht, entpuppt sich schließlich als tödliche Reaktion auf eine Erdnussallergie. Die temperamentvolle Tasha Green, die den entsprechenden Bohnendip zubereitet hat, wird festgenommen, nachdem mehrere Zeugen gehört haben wollen, wie Tasha den Mann auf genau diese Art umzubringen wollte. Tashas Schwester Wyvetta engagiert Tamara nun damit, innerhalb einer Woche Tashas Unschuld zu beweisen. Bei der Befragung der Zeugen erfährt die ehemalige Polizistin nicht nur, dass es bereits einen ähnlichen Vorfall in dem Restaurant gegeben hat, sondern dass neben all den Frauen, mit denen der Tote offensichtlich ein Verhältnis hatte, auch Tamaras Exlover ein Motiv für den Mord an Storey hatte…
„Wer immer Lincoln Storey umgebracht hatte, war an dem Abend in Tates Restaurant gewesen, als Lincoln Storeys Allergie gegen Erdnüsse offenkundig wurde. Tate könnte mir Tashas Angaben darüber bestätigen, wer an dem Abend dabei gewesen war, und mich darüber aufklären, was da zwischen Tasha und Storey abgelaufen war. Vielleicht wusste er noch ein bisschen Tratsch über den Rest der Mannschaft, womöglich gar etwas über die ,kleine Geschichte‘, die Tasha nebenher laufen hatte.“ (S. 106 f.)
Im ersten Tamara-Hayle-Band „Ein Engel über deinem Grab“ hatte die Titelheldin nicht zuletzt durch das rassistische Umfeld ihren Job bei der Polizei an den Nagel gehängt, ihrem Ehemann DeWayne den Laufpass gegeben und um das Leben ihres aus dieser Beziehung geborenen Sohnes Jamal gekämpft. Als Privatdetektivin schlägt sie sich ebenso wie viele andere Schwarze in Newark, New Jersey, gerade so durch.
Valerie Wilson Wesley braucht nicht viele Worte, um die eklatanten Unterschiede zwischen der Welt der hart arbeitenden Normalbevölkerung und der schillernden Welt eines Mannes, der wie sie auf den schäbigen Straßen der übelsten Gegend aufgewachsen ist, es aber durch Fleiß und Pflichterfüllung zu etwas gebracht hatte und nun als leuchtendes Vorbild präsentiert wird, aber natürlich auch den Neid seiner Mitmenschen auf sich zieht. In leicht verständlicher Sprache führt die Autorin ihre Leser sowohl durch Tamaras Ermittlungen als auch in das Dickicht heimlicher Affären und hinterhältiger Geschäfte, so dass sich die Verdächtigen wie Perlen auf einer Kette aufreihen, bis natürlich erst im Finale der Mord an Lincoln Storey aufgeklärt wird, woran sich in bester Detektivroman-Manier ein ausführliches „Geständnis“ anschließt.
„Der Exlover“ bietet leicht bekömmliche und unterhaltsame Krimikost aus der Perspektive einer schwarzen Protagonistin, die sich ihrer Stellung in der Gesellschaft und den damit verbundenen Vorurteilen und Ressentiments durchaus bewusst ist und ihre Meinung über diese Zustände auch immer mal wieder kundtut.
Damit bietet „Der Exlover“ eine erfrischende Abwechslung zur konventionellen Private-Eye-Literatur und leistet der hervorragenden Reihe um den schwarzen Detektiv Lew Griffin von James Sallis Gesellschaft.
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