(Pendragon, 262 S., HC)
Donnie Frey ist Anfang 20, stammt aus einer wohlhabenden Galeristen-Familie und studiert in Hamburg Malerei. Doch sein Leben verläuft längst nicht so sorglos, wie die äußeren Umstände es vermuten lassen. Als stiller Außenseiter hat es Donnie seit jeher schwer gehabt, Freunde zu finden, so dass er sich zunächst glücklich schätzt, in Hamburg mit Marlon und dessen fünfunddreißigjährigen Cousin Alwin zwei Burschenschaftler gefunden zu haben, die mit ihm um die Häuser ziehen.
Dafür sieht Donnie auch darüber hinweg, dass sich seine beiden Freunde als waschechte Nazis entpuppen. Als die drei Freunde dabei erwischt werden, wie sie Hakenkreuze in Autos geritzt haben, ist Donnie bei seinem Vater unten durch. Um der Strafe von neunzig Tagessätzen à 120 Mark zu entgehen, verdrückt sich Donnie mit seinen beiden Kumpels in Alwins Schrebergarten in Groß Borstel und trifft dort Meggie wieder, die er zuvor auf einer Party kennengelernt hatte. Als er erfährt, dass ihre Oma in einem Ottenser Seniorenheim lebt, leistet Donnie dort seine Sozialstunden ab und findet in dem Altenpfleger Vincent einen echten Freund. In dem Zimmer von Meggies jüdischer Großmutter Teofila Rosen stößt er in ihrer Mesusa auf einen handgeschriebenen Brief, den ein gewisser Jakob für Teo hinterließ und in dem er sie darüber informierte, dass er bei seinem Onkel auf einem Bauernhof in Aix-les-Bains auf sie warten würde. Wie Donnie von der alten Dame erfährt, hat sie Jakob nach ihrem Abitur 1935 kennengelernt, als sie ihre Schneiderlehre anfing, doch verloren sie sich während des Krieges aus den Augen, als die Nazis überall Jagd auf die Juden machten.
Donnie klaut Alwins Buchanka und macht sich mit Meggie und etwas Proviant über Frankfurt (wo Meggie noch einen alten Freund aufsucht) auf nach Frankreich, wo sie alle noch bestehenden Bauernhöfe in Aix-les-Bains absuchen und schließlich in einem Hotel fündig werden. Für Donnie ist diese Reise ein einzig großes Abenteuer. Nachdem er mit Vincent seinen ersten echten Freund gefunden hat, lernt er mit Meggie nicht nur seine erste große Liebe kennen, sondern sie bringt ihm sogar das Schwimmen bei. Doch so ganz ungetrübt verläuft der Aufenthalt bei Meggies Großvater nicht…
„Ich verstand ihr Spiel immer noch nicht. Weder ihre Reaktion auf meine Dummheiten noch die Art, wie sie mich auf der Fahrt hierher behandelt hatte. Mal wirkte sie interessiert und zugewandt, dann zeigte sie mir wieder die kalte Schulter. Je länger ich darüber nachdachte, desto mehr schwand meine Hoffnung, dass sie jemals meine Freundin sein würde.“ (S. 184)
Der 1988 in Frankfurt am Main geborene Gabriel Herlich hat sich mit seinem Debütroman „Freischwimmer“ eines Themas angenommen, das ihm als in Deutschland aufgewachsener Jude mit Großeltern, die den Holocaust überlebt haben, sehr vertraut ist. Dabei beschäftigten ihn vor allem die Fragen, was den Hass auf Menschen bestimmter Herkunft hervorruft und wie er aufgebrochen werden kann. Mit dem 21-jährigen Donnie hat Herlich einen Protagonisten als Ich-Erzähler etabliert, der zunächst wenig sympathisch erscheint. Dass er mit einem goldenen Löffel im Mund geboren ist und mit zwei bekennenden Nazis abhängt, hält das Mitleid in Grenzen, das der Leser entwickelt, als Donnie vor der Geburtstagsgesellschaft seines empörten Vaters mit dem Schreiben der Senatskanzlei
bloßgestellt wird, in dem sein Vergehen und die dafür vorgesehene Strafe beschrieben wird.
Auf gerade mal 260 Seiten versucht Herlich ein breites Themenspektrum abzudecken, wobei die Reise, die Donnie mit Meggie in dem geklauten Buchanka nach Frankreich unternimmt, einem klassischen Road Trip gleicht, bei dem mit den zurückgelegten Kilometern auch ein innerer Reifeprozess einhergeht.
„Freischwimmer“ ist darüber hinaus natürlich auch eine Liebesgeschichte, der allerdings ebenso mehr Raum zur Entfaltung gutgetan hätte wie die Auseinandersetzung mit dem jüdischen Erbe, das die Schicksale von Donnies und Meggies Familie auf etwas arg konstruierte Weise miteinander verbindet.
Mit einer klaren, leicht verständlichen Sprache führt der Autor zwar die Entwicklung seines Protagonisten seinem Publikum vor Augen, setzt dabei aber immer nur ein paar Akzente, belässt es bei Andeutungen, wo man sich eine intimere Thematisierung der Gedanken und Gefühle wünschen würde, mit denen sich sowohl Donnie und Meggie als auch Donnies Vater und Meggies Großeltern angesichts ihrer bewegten Vergangenheit und der neuen Erkenntnisse auseinandersetzen müssen.
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