(Heyne, 188 S., Tb.)
Auch wenn Robert Bloch (1917-1994) zwischen Mitte der 1940er Jahre und 1990 eine Vielzahl an Kurzgeschichten, Romanen und Drehbüchern schrieb, bleibt sein Name doch bis heute vor allem mit einem Titel verbunden, der Romanvorlage für Alfred Hitchcocks Spannungs-Klassiker „Psycho“ (1960). Im Gegensatz zu Hitchcock, der durch „Psycho“ seinen Ruf als „Master of Suspense“ zementierte, hatte Bloch durch den Erfolg der Verfilmung nicht viel gewonnen. Wie in früheren seiner Werke beschäftigt sich Bloch auch in „Psycho“ ausgiebig mit den Formen psychischer Dispositionen seiner Figuren.
Mary Crane, die 27-jährige Sekretärin des Immobilienmaklers Lowery, sieht die Chance für einen Neubeginn ihres Lebens, als am Freitagnachmittag Tommy Cassidy den Kauf eines Hauses als Hochzeitsgeschenk für seine Tochter abschließt und sie damit beauftragt wird, die 40.000 Dollar in bar noch zur Bank zu bringen, bevor sie Feierabend macht. Doch statt das Geld zur Bank zu bringen, macht sich Mary mit dem Geld in ihrem Wagen von Phoenix, Arizona, auf den Weg zu ihrem Geliebten Sam Loomis nach Fairvale, denn das Geld würde ihm ermöglichen, die Schulden, die auf der ihm von seinen Eltern hinterlassenen Eisenwarenhandlung lasten, abzubezahlen und sie zu heiraten.
Unterwegs tauscht sie ihren Wagen zweimal gegen andere Autos ein, um ihre Spuren zu verwischen, doch bei dem starken Regen während der stundenlangen, 1500 Kilometer weiten Fahrt gerät sie auf eine Nebenstraße, die sie einem nahezu verlassen wirkenden Motel führt. Norman Bates, der feiste, zurückgezogene Besitzer des Motels, das nach dem Bau einer Umgehungsstraße kaum noch frequentiert wird, erweist sich als zuvorkommender Gastgeber und lädt Mary sogar zu einem kleinen Imbiss in seinem Haus ein. Norman findet Gefallen an der attraktiven jungen Frau, weiß aber, dass seine kränkliche Mutter so eine Beziehung ihres geliebten Sohnes nicht tolerieren würde. Mary findet Norman allerdings etwas merkwürdig, sein Interesse an dem Ausstopfen toter Tiere ebenso wie an okkulter Literatur. Tatsächlich ist Normans Mutter so aufgebracht über das Flirten ihres Sohnes mit der jungen Frau, dass sie kurzerhand zum Fleischermesser greift und Mary unter der Dusche köpft. Ihrem Sohn überlässt sie es, die Leiche in einen Teppich zu wickeln und ins Auto des Opfers zu tragen, um dann das Auto im nahegelegenen Sumpf zu versenken. Doch für Norman ist die Angelegenheit damit nicht erledigt, denn Marys jüngere Schwester Lila macht sich Sorgen um Marys Verbleib, nachdem sie am Montag nicht zur Arbeit erschienen ist. Sie reist nach Fairvale, um mit Sam zu überlegen, was mit Mary passiert sein könnte. Und auch der Versicherungsdetektiv Arbogast klappert die Gegend auf der Suche nach Mary Crane ab und entdeckt, dass sich die Gesuchte unter einem falschen Namen in Bates‘ Motel eingetragen hat. Als auch Arbogast sich nicht wie abgesprochen bei Sam und Lila meldet, machen sich die beiden ebenfalls auf den Weg zu dem Motel und bringen Norman in arge Erklärungsnöte…
„Mutters kleiner Junge zu sein hatte seine Schattenseiten. Solange er andererseits die Gefahren erkannte, konnte er mit ihnen und mit Mutter fertig werden. Sie durfte von Glück sagen, dass er genau wusste, wann er ein Mann zu sein habe, und dass er einiges von Psychologie und auch von Parapsychologie verstand.“
Im Gegensatz zur späteren Verfilmung durch Alfred Hitchcock führt Robert Bloch Norman Bates bereits im ersten Kapitel ein und etabliert ihn nicht nur sofort als Hauptperson, sondern verweist mit dessen ungewöhnlichen literarischen Vorlieben auch auf seine möglicherweise ungewöhnliche psychische Verfassung. Anders als Hitchcock macht Bloch auch recht früh auf die ungesunde Beziehung zwischen Norman Bates und seiner Mutter aufmerksam. Interessanterweise nimmt der Autor aber eine andere wichtige Person recht früh aus dem Rennen, indem er Mary Crane als Auslöserin der folgenden Ereignisse bei ihrem Aufenthalt in Bates‘ Motel sterben lässt.
Mary Crane zählt wie ihre Schwester Lila und letztlich auch Normans Mutter zu den treibenden Kräften dieser Geschichte, während die Männer – Norman Bates ebenso wie Marys Geliebter Sam Loomis und Sheriff Chambers – von den Ereignissen mitgerissen werden, ohne sie zu beeinflussen. Allein der ambitionierte Versicherungsdetektiv Arbogast lässt bei seinen Ermittlungen nicht locker und wird dafür mit dem Tod bestraft.
Inspirieren ließ sich Bloch – ebenso wie später Tobe Hooper bei „The Texas Chainsaw Massacre“ und Thomas Harris in seinem Roman „Das Schweigen der Lämmer“ – von Ed Gain (1906-1984), der 1957 gefasst wurde, nachdem er eine Händlerin erst ermordet und dann aufgehängt und geköpft hatte. In seiner abgelegenen Hütte fand die Polizei später Leichenteile – darunter Köpfe, Vaginas und Vulven - vieler verschiedener Frauen, die Gain auf Friedhöfen ausgegraben und präpariert hatte.
Bloch interessieren aber weniger die blutigen Einzelheiten des Mordes an zwei Frauen verurteilten Grabschänders, sondern vor allem die krankhafte Beziehung zwischen Gain und seiner Mutter. Doch vertieft er die psychologische Komponente nicht allzu tief. Schließlich handelt es sich bei „Psycho“ vor allem um einen Spannungsroman, in dem – abgesehen von der Enthauptungsszene unter der Dusche – die Gewalt und schon gar nicht der Sex so suggestiv beschrieben wird wie später in Hitchcocks Verfilmung.
In vielerlei Hinsicht ist Hitchcocks Verfilmung besser gelungen als Blochs Roman, obwohl sich Hitchcock dicht an der Vorlage hielt, die bis heute völlig im Schatten der Verfilmung steht.
Bloch schrieb auf Drängen von Universal 1982 noch eine Fortsetzung, doch das Filmstudio entschied sich dann, eine davon losgelöste Geschichte zu erzählen. 1990 veröffentlichte Bloch mit „Psycho House“ noch eine weitere, ebenfalls nicht verfilmte Fortsetzung. Es sollte sein letzter eigenständig geschriebener Roman bleiben…
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