Michael Connelly - (Mickey Haller: 2) „Das Gesetz der Straße“

Sonntag, 5. Februar 2023

(Kampa, 528 S., Pb.) 
Ähnlich wie Jeffery Deaver mit seinem ab dem Hals abwärts gelähmten Ermittler Lincoln Rhyme, James Lee Burke mit seinem Südstaaten-Detective Dave Robicheaux oder Tess Gerritsen mit ihrem aus Detective Jane Rizzoli und Pathologin Dr. Maura Isles bestehenden Duo - um nur einige zu nennen - hat auch Michael Connelly eine ebenso langlebige wie erfolgreiche Reihe um den in Los Angeles agierenden Detective Harry Bosch etabliert. Ab und zu sehnen sich diese und andere Bestseller-Autoren erfolgreicher Krimi-Serie aber auch nach Abwechslung und schaffen neue Figuren, denen sie wiederum eigene Serien widmen. 
Nachdem Connelly zwischen 1992 und 2004 zehn Romane um Harry Bosch veröffentlicht hatte, erblickte 2005 mit „Der Mandant“ der erste Roman um den Strafverteidiger Mickey Haller das Licht der Welt. Drei Jahre später folgte mit „The Brass Verdict“ Fall Nummer zwei für Haller, der über kein eigenes Büro verfügt und seine Geschäfte in der Regel auf dem Rücksitz eines schwarzen Lincoln erledigt, weshalb er auch „Lincoln Lawyer“ genannt wird. Der Roman erschien 2010 zunächst bei Heyne unter dem Titel „So wahr uns Gott helfe“, in einer neuen Ausstattung bei Kampa nun unter dem Titel „Das Gesetz der Straße“
Als sein Mandant Barnett Woodson im Jahre 1992 wegen zweifachen Mordes die Todesstrafe erwartet, kann sein Pflichtverteidiger Mickey Haller den Topzeugen des Staatsanwalts Jerry Vincents der Lüge überführen und so einen Deal mit ihm aushandeln. In den nächsten 15 Jahren haben sich beide Anwälte mit Ein-Mann-Kanzleien selbstständig gemacht und sich immer wieder gegenseitig bei Fällen ausgeholfen. Dann wird Haller aber von der Vorsitzenden Richterin des Los Angeles Superior Courts, Mary Townes Holder, unverzüglich in ihr Büro bestellt und erfährt, dass sein Kollege Vincent ermordet aufgefunden wurde und er ihm seine Kanzlei und Fälle im Falle seines Ablebens übertragen hat. 
Zwar wollte es Haller nach seiner einjährigen Pause einen etwas ruhigeren Einstieg zurück ins Berufsleben finden, aber er stellt sich gern der Herausforderung. Schließlich gehörte der Filmmogul Walter Elliot zu Vincents aktuellen Fällen. Der wegen Mordes an seiner Frau und dessen Geliebten angeklagte Elliot hat erst kürzlich einhunderttausend Dollar Vorschuss an den ermordeten Anwalt überwiesen, weshalb Haller den prominenten Klienten nur zu gern übernehmen möchte. 
Allerdings deuten die Ermittlungen im Mordfall Vincent darauf hin, dass dessen Mörder unter seinen Klienten zu finden ist. Sowohl eine Akte als auch Vincents Laptop und Terminkalender sind nicht mehr aufzufinden, und der Tote muss seinen Mörder offensichtlich gekannt haben. 
Während Elliot ungewöhnlich siegessicher dem Prozess entgegensieht, glaubt Haller eine Verbindung zwischen Elliot und einem pro-bono-Fall entdeckt zu haben, den sein ermordeter Kollege unbedingt übernehmen wollte und dem er letztlich seinen Tod zu verdanken haben könnte. Damit begibt sich auch Haller als dessen Nachfolger in Lebensgefahr… 
„Ich verteidigte einen Mann, der die ihm zur Last gelegten Morde aller Wahrscheinlichkeit nach nicht begangen hatte, der aber dennoch eine gewisse Mitschuld trug. Ich hatte einen Schläfer in der Jury sitzen, ein Umstand, der in direktem Zusammenhang mit der Ermordung meines Vorgängers stand. Und ein Detective wachte über mich, dem ich einiges verschwieg und von dem ich nicht wusste, was ihm wichtiger war – meine Sicherheit oder die Lösung meines Falls.“ (S. 428) 
Gewohnt packend entwickelt Michael Connelly in „Das Gesetz der Straße“ einen von Beginn an fesselnden, zunehmend rasanten Justiz-Thriller, der den Leser immer wieder auf eine falsche Fährte führt und zum Ende hin mit etlichen Überraschungen aufwartet. Connelly erweist sich als ehemaliger Journalist, der auf Kriminalreportagen spezialisiert gewesen ist, und Polizeireporter als ausgewiesener Kenner der Materie und lässt seine Leserschaft an den einzelnen Ermittlungsschritten, vor allem aber an dem Prozess vor Gericht hautnah teilnehmen. Dabei kreuzen sich Hallers Wege auch mit denen des ermittelnden Detectives Harry Bosch und des Zeitungsreporters Jack McEvoy (für den Connelly auch eine eigene kleine Reihe entwickelt hat). Das Überraschungsmoment wird zum Schluss vielleicht etwas überstrapaziert, doch Connelly erweist sich über die ganze Distanz des Romans als begnadeter Spannungsautor, dessen Geschichten man wie gebannt folgt. 

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen