(Diogenes, 294 S., HC)
Martin Suter ist vor allem deshalb ein
Bestseller-Autor, weil er mit leichter Hand und simpler Sprache geschickt
konstruierte Geschichten über meist bürgerliche Schicksale zu erzählen
versteht. Zudem ist er ein Meister der Selbstdarstellung, wie die im Buch auf
separaten Karten mit Hinweisen auf Lesungen mit prominenter Unterstützung und
auf seine eigene Homepage mit der Möglichkeit zu einem exklusiven, aber kostenpflichten
„Member“-Zugang dokumentieren. Mit seinem neuen, nicht mal 300 Seiten
umfassenden Roman versucht sich der Schweizer an einer Mischung aus Liebes-,
Kriminal- und Enthüllungsroman.
Noah wartet mit seinen dreiunddreißig Jahren noch immer auf
seinen Durchbruch als Künstler. Seine einunddreißigjährige Freundin Camilla
erwartet allerdings mehr vom Leben, als einen langweiligen Job als Buchhalterin
auszuüben und einen mittellosen Künstler durchzufüttern. Also verlässt sie ihn
und sucht sich einen wohlhabenderen Mann, der allerdings noch verheiratet ist
und Camilla deshalb in eine Mietwohnung abschiebt. Da scheint für Noah die
Verlockung groß, das Angebot der wohlhabenden Witwe Betty Hasler anzunehmen, die
er in der Kneipe „Die Blaue Tulpe“ kennenlernt, für eine Million Schweizer Franken
den ehemaligen Geschäftspartner ihres Mannes zu liquidieren. Peter W. Zaugg soll
dafür gesorgt haben, dass ihr Mann Pat vor Überarbeitung drei Herzinfarkte
erlitt und mit fünfundsechzig zur ewigen Ruhe gebettet wurde. Nun strebt die
Witwe nur noch danach, dass Zaugg vor ihr stirbt. Für Noah wenden sich die
Dinge langsam zum Besseren. Sein Triptychon mit drei Akten von Camilla wird in
der Galerie für 14.000 CHF gehandelt, und Noah setzt mit diesem Erfolg alles
daran, Camilla wieder zurückzugewinnen. Schließlich habe sie ihm versichert,
ihn noch zu leben, nur eben nicht das Leben mit ihm unter diesen Umständen. Aus
dieser Konstellation entwickelt sich munteres Hin und Her zwischen Liebenden
und Hassenden, zwischen Künstlern und skrupellosen Geschäftemachern, zwischen
Idealisten und Pragmatikern. Und Noah setzt alles auf eine Karte…
„Und wie er sie so betrachtete, begann etwas ganz anderes vom Gefühl der Liebe abzulenken: der Hass auf Zaugg. Er wollte dieses Ungeziefer vernichten. Aber nicht einfach so, wie man beiläufig eine Mücke totklatscht. Eher so, wie man eine Fliege killt, die einen lange und schlau und absichtlich gereizt hat. Mit Wut und Vergnügen. Und wenn das auch noch fürstlich bezahlt war, umso besser.“ (S. 242)
Suter beginnt seinen neuen Roman „Wut und Liebe“
mit einem kleinen Paukenschlag, die kopflastige Buchhalterin trennt sich aus
finanziellen Gründen von ihrem Künstlerfreund, nicht weil sie ihn nicht mehr
lieben würde. Bevor sich der Autor aber näher mit seinen beiden Protagonisten
näher auseinandersetzt, wird die nächste interessante Konstellation vorbereitet.
Noah geht in die Kneipe „Die Blaue Tulpe“, um seinen Liebeskummer zu ertrinken,
die Witwe Betty, um ihren Hass auf den „Mörder“ ihres Mannes zu schüren. Aus
diesen beiden Beziehungen zaubert Suter souverän einen vertrackten Plot,
in dem Camilla ihre Kopfentscheidung zu bereuen beginnt, Noah eine Idee davon
bekommt, ein erfolgreicher Künstler zu sein, und Betty ihren ganz persönlichen
Rachefeldzug vorantreibt. Die titelgebenden Empfindungen Wut und Liebe spielen in
der weiteren Entwicklung der Geschichte natürlich eine tragende Rolle, aber interessanter
wird das Spiel mit den Identitäten, hinter denen sich die Figuren verstecken.
Was anfangs so wirken mag, als würde Suter die Charakterisierung seiner
Figuren vernachlässigen, erweist sich im weiteren Verlauf als geschickter
Schachzug, um die klischeehaft gezeichneten Charaktere in einem Wirbelwind von Charaden
und Intrigen ganz anders dastehen zu lassen. Allerdings übertreibt es Suter zum
Finale hin mit den Zufällen und konstruierten Wendungen, so dass der
anfängliche Spaß, das Schicksal eines Thirtysomething-Liebespaars nach der
Trennung weiterzuverfolgen, mit der zunehmend abstrusen Krimihandlung deutlich
an Unterhaltungswert einbüßt.